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Totholz sorgt für Leben

Totholz im Wald entsteht immer dann, wenn beispielsweise der Blitz einschlägt, ein heftiger Sturm bläst oder der Grundwasserspiegel sinkt. Neben Umwelteinflüssen und Naturereignissen gibt es auch noch den ganz natürlichen Alterstod, der dazu führt, dass Bäume absterben. Im bewirtschafteten Wald ist Totholz nicht ganz so gerne gesehen, denn die abgestorbenen Bäume oder die modernden Äste sind ein hervorragender Lebensraum für Käfer und Pilze. Und die könnten ja auch die gesunden Bäume befallen und deren Wert mindern. Welche Bedeutung das Totholz für die biologische Vielfalt in den Wäldern hat, was da alles krabbelt und wächst, das untersucht derzeit die niedersächsische forstliche Versuchsanstalt mit Sitz in Göttingen am Beispiel eines Buchenwaldes im Solling.

Von Carolin Hoffrogge |
    Norbert Menke steht vor einem 2 Meter hohen Baumstumpf mitten in einem 150-jährigen Buchenwald in Waake bei Göttingen. Das tote Holz ist die Passion des Käferspezialisten. Kratzt Forstwirt Menke. Bei dem toten Stamm weiß er, dass in dem Holz eine Menge los ist.

    "Wir sehen deutlich die Spuren der Tätigkeit der Käfer. Hier diese Einbohrlöcher, die auf engem Raum nebeneinander liegen. Dieses hier ist zum Beispiel ein ganz wesentlicher Bestandteil der Zersetzung, das ist von einem kleinen Pochkäfer, der das trockene Holz mag wie es sich im stehenden Totholz entwickelt. Man kann an einem Abschnitt von 1 Meter Totholz durchaus bis zu 40 Käferarten entdecken, die da vorkommen. "

    Ob ein mit grünem Moos überzogene Buchenstamm, der poröse Rest einer Eiche oder ein dunkelbraune, modrig riechende Birke: das Holz im Wald verrottet nach und nach. Allerdings kann das zwischen 10 bis 50 Jahre dauern, es hängt immer davon ab, wo das Holz liegt, so Norbert Menke. Bekommt es zum Beispiel Sonne und Regen ab und liegt vereinzelt, geht es viel schneller, als wenn mehrere die Tothölzer übereinander liegen. Auf jeden Fall ist das abgestorbene Holz für das Leben im Wald eine große Bereicherung. Norbert Menke:

    "Insgesamt sind 20 bis 25 Prozent der waldbewohnenden Arten mehr oder weniger von Totholz abhängig. Durch den Mangel an Totholz im Wirtschaftswald sind die zu einem hohen Grad gefährdet. Bei den Käferarten mit denen ich mich mehr beschäftigt habe, sind das mehr als die Hälfte der totholzbewohnenden Arten stehen auf der Roten Liste. Das reicht von den Moosen und Pilzen, von den Flechten und eigentlich auch aus allen Insektengruppen, von den Springschwänzen und Milben, das ist ein breites Spektrum, die in einem komplexen Prozess interagieren, die den Zersetzungsprozess vorantreiben. Der Käfer öffnet dem Pilz den Zugang zu dem Holzkörper indem er seine Bohrlöcher vorantreibt, zum Teil bringt der Käfer die Pilzsporen mit, sodass er für die Verbreitung der Pilzstämmme zuständig ist. Das ist ein ganz komplexes Wechselspiel, wo der eine ohne den anderen nicht kann. "

    Also bringt Totholz Leben in den Wald. So müsste es eigentlich auch eher Lebendholz als Totholz heißen, meint Experte Menke. Schließlich wäre der Wald ohne die 300 Käferarten, die Hunderte von Moosen und Flechten und die Tausende von Pilzen auch um etliche andere Arten ärmer.

    "Wo viel Totholz ist, sind viele Höhlenbewohner aber auch die Säugetiere wie Mäuse, die das Totholz dann als Einbahnstraße benutzen, als Autobahn. Mäuse haben oft so festgelegte Routen im Wald oder ihrem Revier. Da hat man festgestellt, das wo viel Totholz ist, die gerne benutzt werden, um von A nach B zu kommen. Die laufen darauf lang, benutzen das als Autobahn ist leichter als durch das Laub zu stolpern."

    Von den flitzenden Mäusen ernähren sich dann die Käuze, Kleiber oder Siebenschläfer. Denn diese Arten leben vorzugsweise in den Höhlen der toten Stämme, erzählt Revierleiter Klaus Peter Frerck. Seit 15 Jahren schon lassen Forstwirt Frerck und seine Kollegen geschlagene Bäume im Wald. Mittlerweile besteht ein Zehntel seines Waldes aus Totholz. Das ist auch gut so, so Frerck, denn immerhin hat dieses Holz jetzt schon etliche Spechte wieder in sein Revier gebracht.

    "Man kann hier ständig Spechte beobachten und auch hören. Zum Beispiel den Grünspecht oder Grauspecht. Man sieht den Schwarzspecht."

    Durch mehr und mehr Totholz im Wald, gibt es oft auch Beschwerden, so Förster Frerck, besonders von älteren Menschen. Denn gehen sie im Wald spazieren, kommt ihnen der Wald durch das rumliegende Totholz oft unaufgeräumt vor.

    "Wenn wir Altbestände nutzen ist in erster Linie der Stamm interessant und die Krone weniger. Wenn wir die Krone als Ganzes liegen lassen, dann sieht das schon nach den Durchforstungen sehr wüst aus und der normale Waldbesitzer fragt sich, warum lasst ihr das Holz liegen. Zumal ältere Leute aus ihren Notzeiten es noch kennen, das man jeden Knüppel bis zur Daumenstärke nutzte, passiert es heute, dass wir Stammteile liegen lassen, die 40, 50 Zentimeter dick sind, das fällt den Leuten nicht so leicht, aber wenn man die Leute dahingehend aufklärt, was es bedeutet, kann man schon auf Verständnis hoffen. "

    Damit das Göttinger Totholz- Projekt auch einen langfristigen und nachhaltigen Effekt hat, wird anhand der wissenschaftlichen Erhebungen ein Computerprogramm entwickelt. Mit dieser CD Rom sollen in Zukunft bundesweit alle Forstleute ihre Totholzbestände im Wald verwalten können, sagt der Leiter des Projektes Peter Meyer von der niedersächsischen forstlichen Versuchsanstalt aus Göttingen:

    "Die Forstbetriebe stehen ja vor der großen Herausforderung verschiedene Ziele im Wald verwirklichen zu müssen, von der Holznutzung über die Bereitstellung des Waldes für die Erholung und Natur und Artenschutzziele und das ist nicht immer leicht zu entscheiden, in welche Richtung geht man. Im Bereich des Arten- und Naturschutz gehört die Totholzbewirtschaftung dazu, steht ja auch mittlerweile im nieders. Landeswaldgesetz drin, das ein angemessener Anteil liegen bleibt. Und da fehlen uns einfach die Erfahrungen, was können wir liegen lassen an Holz, was können wir nutzen, ohne dieses Ziel zu gefährden. Und dieses Instrument soll dazu beitragen, dass man zielgerichtet einen Totholzanteil im Wald belässt, mit dem Hinweis, welche Maßnahmen sollte ich gerade ergreifen oder welche sollte ich sein lassen. "

    Die CD Rom wird als Hilfe zur Bewirtschaftung in zwei Jahren erscheinen und dann auf Wunsch kostenlos an alle deutschen Forstämter verschickt werden.