Diese Werke spielen noch in der goldenen Zeit der Berliner Republik, genauer gesagt: in den Milieus und Szenen diverser Sub- und Jugendkulturen, wo im Kontext einer flourierenden New Economy Patchwork-Identitäten und Bastel-Biographien an der Tagesordnung waren. Autoren, die diese kurze Epoche meist naiv oder ironisch kommentierten, wurden Pop-Literaten genannt, auch Henning von Lange zählte dazu. Doch schon seit einigen Jahren hat sich dieser Zeitgeist verflüchtigt, und dies scheint auch der Autorin klar geworden zu sein. In ihrer neuen Erzählung geht es denn auch nicht mehr um ein bestimmtes Lebensgefühl von heute, sondern um eine Erinnerungsreise in die eigene Vergangenheit. Trotzdem bleibt Kontinuität gewahrt: Wie die meisten ihrer Bücher trägt auch der neue Roman wieder das selbstanzeigende Personalpronomen im Titel. Nach Ich bin’s und Ich habe einfach Glück nun also: Woher ich komme .
Alexa Henning von Lange macht keinen Hehl aus ihrer übermäßig autobiographisch gefärbten Schriftstellerei. Dem Frauenmagazin Youngmiss verriet sie kürzlich, dass Schreiben für sie ein Mittel sei, um zu sagen: "Das bin ich, Alexa. Lest meine Geschichten, dann könnt ihr mich verstehen!" Und dann sei da natürlich noch das Bedürfnis zu erzählen; sie beobachte etwas – und schon sei eine Geschichte da. Die Geschichte von Woher ich komme ist schnell erzählt: Zusammen mit ihrem Vater bereist die Ich-Erzählerin die Ferienwohnung am Meer, wo sie mit ihrer Familie als Kind immer die Ferien verbrachte. Doch traumatische Erlebnisse sind mit dieser Vergangenheit verknüpft: vor vielen Jahren sind dort ihre Mutter und ihr Bruder in den Fluten des Meeres umgekommen, nur sie selbst und ihr Vater konnten sich retten. Nach diesem Schockerlebnis war sie selbst krank geworden und hatte eine Weile in der Klinik verbracht. Über diese dramatischen Ereignisse hatten sie und ihr Vater jedoch nie richtig gesprochen. Auch nicht über andere Erlebnisse am Ferienort: was Herr Wallbrecht, der Vermieter, auf dem Hochsitz im Wald von ihr als junges Mädchen wollte; warum sie danach so überstürzt abgereist waren, oder warum sich die Eltern nicht so recht verstanden haben. Bei der sommerlichen Rückkehr ins Ferienhaus wird für die Protagonistin die Vergangenheit lebendig, deren Verarbeitungprozess den Verlauf des gesamten Romans bestimmt.
Ich weiß sehr vieles nicht. Ich weiß nur, woran ich mich erinnere, und das wird von Tag zu Tag mehr und jetzt, als Papa und ich den holprigen Weg zwischen den Feldern entlangfahren, das hohe Korn gegen die silbernen Seitentüren peitscht, erinnere ich mich noch viel mehr, und ich sehe meine Mutter schräg vor mir und meinen Bruder neben mir sitzen. (...)
Es ist wie früher, nur dass meine Mutter nicht in der Küche mit dem Geschirr hantiert, mein Bruder nicht von dem oberen Bett herunterklettert. Doch mit mir, an mir, scheint sich nichts verändert zu haben. Ich bin genauso ratlos wie damals.
Henning von Langes narrative Konstruktion folgt der Sprunghaftigkeit von Erinnerungen. Die tragischen Ereignisse werden auf verschiedene Romanstellen verteilt und immer wieder mit abschweifenden Beschreibungen banaler Alltags-Situationen oder mit Reflexionen bloß angedeuteter Befindlichkeiten verknüpft. Hier wird in Bruchstücken erzählt: Die Realitätsebenen von Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich zu einem fragmentierten Gebilde, dessen Einzelteile zusammenzufügen der Phantasie des Lesers obliegt.
Darüber hinaus lassen die lakonische Sprache und eine Dramaturgie der Beiläufigkeit eine seltsam ferne, fast unwirkliche Atmosphäre entstehen. In der Anwendung dieser an Marguerite Duras erinnernden Technik erschöpft sich aber die literarische Qualität des Buches schon fast. Denn wo die Form zwar etwas wagt, bleibt der Inhalt dahinter weit zurück. Eindimensionale Charakterzeichnungen, eine naive Glorifizierung kindlicher und weiblicher Unschuld oder plumpe Schwarzweiß-Malerei im Geschlechterverhältnis bestimmen die Szenarien. Immer noch sind die Männer roh, unsensibel, abwesend und egoistisch; die Frauen dagegen sensibel, zart, klug, passiv und aufopferungsvoll. Und da die Autorin ihr eigenes Ego als Botschaft begreift, fehlt es nicht am Exzess der Personal- und Possessivpronomen:
Jetzt die Erinnerung an meine erste Schultasche (...) Ich sitze auf meinem Stuhl im Klassenzimmer, um mich herum die anderen Kinder (...) Mein Knie war in der Sonne (...) Am Rande des Grabens bleibe ich in hohem Gras stehen, die Gänse versammeln sich hinter mir (...) Am Horizont stand immer die Sonne, weit draußen blitzten weiße Segel, dort, der Mittelpunkt war ich, mit dem Kinn über Wasser (...) Ich kann von meinem Platz aus den schattigen Backsteingang hinunter bis zu unserer weiß lackierten Gartentür sehen: Da wohne ich! (...) Den ganzen Tag siehst du durch den Sucher, suchst und suchst. Manchmal denke ich: Ich bin hier! (...) Als ich schon nicht mehr damit rechne, hältst du mich am Arm schiebst mich rückwärts gegen die Kaimauer, hebst mich hoch, setzt mich auf die Mauer... Du lachst, endlich gibt es auch ein Foto von mir.
Zwei Drittel von Woher ich komme wirken letztlich wie kunstvoll arrangierte Tagebuchnotizen. Erst gegen Ende des Romans werden Intensitäten forciert, auch die zuvor naiv fabulierende Sprache wagt sich mal zu Begriffen vor. Wenn schließlich ganze Abschnitte oder Sätze von vorher fast identisch wiederholt werden, kann man darin ein Therapie analoges Abtragen von Erinnerungsschichten erkennen – ein Wieder- und Neuerzählen und Interpretieren der eigenen Geschichte. Dass es letztlich immer um die Aneignung der eigenen Geschichte geht, wäre ja noch eine akzeptable Botschaft für die Leserin. Hier geht es aber bloß um Alexa Henning von Langes Geschichte. So endet ihr Roman mit einem letzten Hinweis auf die Mutter der Protagonistin: "Viele Sommersprossen, im Gesicht und auf den Armen". Unschwer lässt sich darin eine Selbstbeschreibung der Autorin erkennen, und man möchte der Narzisstin mal sagen: Ums eigene Ego kreisen macht noch keine Literatur.
Alexa Henning von Lange macht keinen Hehl aus ihrer übermäßig autobiographisch gefärbten Schriftstellerei. Dem Frauenmagazin Youngmiss verriet sie kürzlich, dass Schreiben für sie ein Mittel sei, um zu sagen: "Das bin ich, Alexa. Lest meine Geschichten, dann könnt ihr mich verstehen!" Und dann sei da natürlich noch das Bedürfnis zu erzählen; sie beobachte etwas – und schon sei eine Geschichte da. Die Geschichte von Woher ich komme ist schnell erzählt: Zusammen mit ihrem Vater bereist die Ich-Erzählerin die Ferienwohnung am Meer, wo sie mit ihrer Familie als Kind immer die Ferien verbrachte. Doch traumatische Erlebnisse sind mit dieser Vergangenheit verknüpft: vor vielen Jahren sind dort ihre Mutter und ihr Bruder in den Fluten des Meeres umgekommen, nur sie selbst und ihr Vater konnten sich retten. Nach diesem Schockerlebnis war sie selbst krank geworden und hatte eine Weile in der Klinik verbracht. Über diese dramatischen Ereignisse hatten sie und ihr Vater jedoch nie richtig gesprochen. Auch nicht über andere Erlebnisse am Ferienort: was Herr Wallbrecht, der Vermieter, auf dem Hochsitz im Wald von ihr als junges Mädchen wollte; warum sie danach so überstürzt abgereist waren, oder warum sich die Eltern nicht so recht verstanden haben. Bei der sommerlichen Rückkehr ins Ferienhaus wird für die Protagonistin die Vergangenheit lebendig, deren Verarbeitungprozess den Verlauf des gesamten Romans bestimmt.
Ich weiß sehr vieles nicht. Ich weiß nur, woran ich mich erinnere, und das wird von Tag zu Tag mehr und jetzt, als Papa und ich den holprigen Weg zwischen den Feldern entlangfahren, das hohe Korn gegen die silbernen Seitentüren peitscht, erinnere ich mich noch viel mehr, und ich sehe meine Mutter schräg vor mir und meinen Bruder neben mir sitzen. (...)
Es ist wie früher, nur dass meine Mutter nicht in der Küche mit dem Geschirr hantiert, mein Bruder nicht von dem oberen Bett herunterklettert. Doch mit mir, an mir, scheint sich nichts verändert zu haben. Ich bin genauso ratlos wie damals.
Henning von Langes narrative Konstruktion folgt der Sprunghaftigkeit von Erinnerungen. Die tragischen Ereignisse werden auf verschiedene Romanstellen verteilt und immer wieder mit abschweifenden Beschreibungen banaler Alltags-Situationen oder mit Reflexionen bloß angedeuteter Befindlichkeiten verknüpft. Hier wird in Bruchstücken erzählt: Die Realitätsebenen von Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich zu einem fragmentierten Gebilde, dessen Einzelteile zusammenzufügen der Phantasie des Lesers obliegt.
Darüber hinaus lassen die lakonische Sprache und eine Dramaturgie der Beiläufigkeit eine seltsam ferne, fast unwirkliche Atmosphäre entstehen. In der Anwendung dieser an Marguerite Duras erinnernden Technik erschöpft sich aber die literarische Qualität des Buches schon fast. Denn wo die Form zwar etwas wagt, bleibt der Inhalt dahinter weit zurück. Eindimensionale Charakterzeichnungen, eine naive Glorifizierung kindlicher und weiblicher Unschuld oder plumpe Schwarzweiß-Malerei im Geschlechterverhältnis bestimmen die Szenarien. Immer noch sind die Männer roh, unsensibel, abwesend und egoistisch; die Frauen dagegen sensibel, zart, klug, passiv und aufopferungsvoll. Und da die Autorin ihr eigenes Ego als Botschaft begreift, fehlt es nicht am Exzess der Personal- und Possessivpronomen:
Jetzt die Erinnerung an meine erste Schultasche (...) Ich sitze auf meinem Stuhl im Klassenzimmer, um mich herum die anderen Kinder (...) Mein Knie war in der Sonne (...) Am Rande des Grabens bleibe ich in hohem Gras stehen, die Gänse versammeln sich hinter mir (...) Am Horizont stand immer die Sonne, weit draußen blitzten weiße Segel, dort, der Mittelpunkt war ich, mit dem Kinn über Wasser (...) Ich kann von meinem Platz aus den schattigen Backsteingang hinunter bis zu unserer weiß lackierten Gartentür sehen: Da wohne ich! (...) Den ganzen Tag siehst du durch den Sucher, suchst und suchst. Manchmal denke ich: Ich bin hier! (...) Als ich schon nicht mehr damit rechne, hältst du mich am Arm schiebst mich rückwärts gegen die Kaimauer, hebst mich hoch, setzt mich auf die Mauer... Du lachst, endlich gibt es auch ein Foto von mir.
Zwei Drittel von Woher ich komme wirken letztlich wie kunstvoll arrangierte Tagebuchnotizen. Erst gegen Ende des Romans werden Intensitäten forciert, auch die zuvor naiv fabulierende Sprache wagt sich mal zu Begriffen vor. Wenn schließlich ganze Abschnitte oder Sätze von vorher fast identisch wiederholt werden, kann man darin ein Therapie analoges Abtragen von Erinnerungsschichten erkennen – ein Wieder- und Neuerzählen und Interpretieren der eigenen Geschichte. Dass es letztlich immer um die Aneignung der eigenen Geschichte geht, wäre ja noch eine akzeptable Botschaft für die Leserin. Hier geht es aber bloß um Alexa Henning von Langes Geschichte. So endet ihr Roman mit einem letzten Hinweis auf die Mutter der Protagonistin: "Viele Sommersprossen, im Gesicht und auf den Armen". Unschwer lässt sich darin eine Selbstbeschreibung der Autorin erkennen, und man möchte der Narzisstin mal sagen: Ums eigene Ego kreisen macht noch keine Literatur.