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Tourismus, Transitverkehr und der Klimawandel

Wenn Jürgen Trittin nur immer soviel Lob einstecken könnte wie heute im alpenländischen Taubensteinhaus, dann würde der selbsternannte "Fischkopp im Gebirge" mehrstündige alpine Wanderungen im Laufschritt nehmen. Nicht nur die Vertreter vom Deutschen und Österreichischen Alpenverein, sondern auch ihre Kollegen von der CIPRA, dem Dachverband der Umwelt-, Alpin- und Heimatschutzorganisationen der Schweiz sind positiv überrascht von dem deutschen Vorsitz der Alpenkonvention. Trittins Behörde hätte nach dem italienischen Vorsitz wieder eine Struktur in die sich zeitweise zäh dahin ziehenden Gespräche gebracht und vorbildlich die Termine der Ratifizierung eingehalten, während die Schweiz und Italien sie noch immer verschleppen.

Von Susanne Lettenbauer | 08.07.2004
    Der Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins Karl-Heinz Röhle, heute neben Trittin am Tisch, sieht Deutschland deshalb in diesem Punkt aus der Pflicht genommen:

    Das liegt mit Sicherheit nicht am deutschen Vorsitz, der ganz professionell geführt wurde, das liegt an internen Problemen dieser Länder. Bedauerlicherweise ist es eben so, dass, nur wenn alle Länder, die an der Alpenkonvention beteiligt sind, die Protokolle auch ratifizieren, eine gesunde Entwicklung des Alpenbogens auch tatsächlich erreicht werden kann. Deswegen kann man nur – aus deutscher Sicht – Italien, Frankreich und die Schweiz auffordern, die Protokolle doch schnell in nationale Gesetze umzusetzen.

    Doch die Italiener liebäugeln noch immer mit dem "Alemannia"-Projekt, einem Autobahntunnel zwischen dem Zillertal und dem Veneto - die Schweizer schoben bislang Gründe der Kantonsautonomie vor.

    Erst in diesem Jahr wurde, damit sich die Schweiz nicht gänzlich ins alpenpolitische Abseits manövriert, vom eidgenössischen Ständerat mit der Ratifizierung von drei der acht Durchführungsprotokolle ein erstes positives Signal gesetzt.

    Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat während der vergangenen zwei Jahre den Druck auf seine Kollegen sanft erhöht. Allein die tatsächliche Einrichtung eines ständigen Sekretariates der Alpenkonvention in Innsbruck unter Vorsitz des französischen Generalsekretärs Nöl Lebel mit Außenstelle in Bozen zeigt, dass die Alpenkonvention, fast zehn Jahre nach Inkrafttreten, an Fahrt gewinnt.

    Fassbar vor allem in Projekten: Ein Vorzeigeprojekt ist die Wiederansiedlung des scheuen Bartgeiers in den Alpen, ebenso das Projekt des Deutschen Alpenvereins "Skibergsteigen umweltfreundlich", das z.B. am Spitzingsee umgesetzt wurde. Auch das Rotwandhaus, auf dem Bundesumweltminister Trittin im Rahmen seiner heutigen Wanderung einkehren wird, zeigt mit seinen Anlagen zur Ver- und Entsorgung, wie Umweltschutz und Tourismus unter einen Hut gebracht werden können.

    Außerdem der Aktionsplan "Brenner 2005", aus dem deutschen 10-Punkte-Programm. Mit ihm sollen bis zum nächsten Jahr die Voraussetzungen geschaffen werden, eine wesentliche Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene zu erreichen. Dieser Aktionsplan sollte auch auf andere Verkehrskorridore in den Alpen übertragen werden.
    Da sich bislang in der Alpenkonvention kein Passus wieder findet, in dem die besonders gefährdeten Alpengletscher ausdrücklich geschützt werden, fordert Röhle, ein gesondertes Protokoll "Wasser" zu erarbeiten und dem Gletscherschutz hohe Priorität einzuräumen. Dann wäre endlich die Grundvoraussetzung geschaffen, die Gletscher in Tirol mit den Mitteln der Alpenkonvention zu schützen.
    Denn, so Stefan Witty, Umweltreferent des Deutschen Alpenvereins:

    Weniger positiv ist dabei, dass derzeit Bereiche diskutiert werden, wo wir eigentlich glaubten, das die ad acta gelegt sind. Um es beim Namen zu nennen: Das sind die Gletscherbereiche im Kaunertal. Da wird die Weisseespitze mit dem höchsten Punkt dann von Österreich erschlossen werden, mit 3350 Metern. Oder im Pitztal der linke Fernerkogel, wo zwei Skigebiete dann zu einem supergroßen Skigebiet zusammengeschlossen werden.

    Die Gespräche dazu mit der Tiroler Landesregierung sind noch nicht abgeschlossen. Hilfe könnte vielleicht von der Bevölkerung kommen, wenn denn die Öffentlichkeitsarbeit in Zukunft besser koordiniert würde. Das wünschte sich Reto Solér, der Geschäftsleiter der Cipra Schweiz:

    Ein großer Teil der Bevölkerung in der Schweiz hat eigentlich keine Ahnung, was die Alpenkonvention ist, also eine theoretische Abhandlung über die meisten Themen die relevant sind im Alpenraum. Also einerseits muss die Informationsarbeit noch verstärkt werden. Dazu braucht es dann mehr öffentliche Gelder und andererseits sollte man mit einem Pilotprojekt die jeweilige Umsetzung der Protokolle in die Wege leiten. Das wäre schön, wenn Deutschland dies noch anreißen könnte.

    Infos unter: Die Alpenkonvention