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Tradition und Dynamik

Die Politik preist den Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Und im Mittelstand wiederum sind besonders viele familiengeführte Unternehmen vertreten. Die Firmen, in denen eine Eigentümerfamilie bisweilen über Generationen hinweg das Sagen hat, zeichnen sich durch eine ganz besondere Unternehmenskultur aus.

Von Brigitte Scholtes |
    "Erster Börsenkurs Wacker - 90 Euro glatt"
    Die Frankfurter Börse am vorletzten Montag: strahlende Gesichter, zufriedenes Lachen, Glückwünsche. Wieder erscheint ein neuer Name auf dem Kurszettel. Wacker-Chemie ist der bisher größte Börsengang in diesem Jahr - und er ist gelungen. 1,2 Milliarden Euro erlöst das Unternehmen aus dem Verkauf von knapp 29 Prozent seiner Anteile.

    Doch nicht nur die Größe zeichnet diese Neuemission aus. Wacker ist zudem ein Familienunternehmen, so wie etwa 80 Prozent der deutschen Industrieunternehmen. Und diese Art von Unternehmen wird auch an der Börse hochgeschätzt, unterstreicht Fidel Helmer, der Leiter des Wertpapierhandels beim Bankhaus Hauck & Aufhäuser:

    "Wenn eine Familie zum großen Teil hinter einem Unternehmen steht, dann ist hier für weiteres Wachstum gesorgt. Und es spricht eben auch dafür, dass diese Gelder, die für die Emission eingenommen werden, für weiteres Wachstum angelegt werden und nicht zur Begleichung von Schulden verwendet werden."

    Was aber zeichnet ein Familienunternehmen aus? Die Börsennotiz allein ist kein Unterscheidungskriterium, sind doch an der Börse viele Unternehmen notiert, die noch zu einem großen Teil in Familienbesitz sind, etwa der Pharmakonzern Merck aus Darmstadt, Henkel aus Düsseldorf oder SAP aus Walldorf. Die Börse hat inzwischen sogar einen eigenen Index aufgelegt, in dem sie die Wertentwicklung von börsennotierten Familienunternehmen festhält, den German Entrepreneurial Index, kurz GEX. Und der hat innerhalb eines Jahres um gut 50 Prozent zugelegt. Der DAX mit den großen Standartwerten schaffte nur ein Plus von 35 Prozent.

    Doch dann sind da noch die vielen großen und kleinen Familienunternehmen, die nicht an der Börse notiert sind. Aldi, Bertelsmann, C&A, Haniel, Otto, Rewe sind nur einige Namen. Hinzu kommen die vielen Mittelständler bis hinunter zum kleinen Handwerker. Von den 107.000 Industrieunternehmen, die es in Deutschland gibt, sind etwa 90.000 noch im Familienbesitz. Zu welchen Anteilen, ist dann wieder Definitionssache. Wesentlich ist, dass die Familie maßgeblich an den Unternehmensentscheidungen beteiligt ist.

    Peter May ist selbst Sprössling eines solchen Unternehmens und arbeitet heute bei der Beratungsgesellschaft Intes, die sich auf Familienunternehmen spezialisiert hat. Er unterteilt den Kapitalismus überspitzt in drei Formen: Zum einen gebe es den Managerkapitalismus, der vor allem von den Interessen der Manager von Publikumsgesellschaften geprägt sei und weniger von denen der Firma oder der Gesellschaft. Zum zweiten nennt er den Finanzkapitalismus: Private-Equity-Investoren seien noch egozentrischer und nähmen keinerlei Rücksicht auf die Gesellschaft. Und dann gibt es die für May attraktivste Form des Kapitalismus:

    "Das ist der Familienkapitalismus, das sind die Unternehmen, wo ein Mensch eine Firma gründet zu seinem Wohl, zum Wohl seiner Familie und zum Wohle der Menschen, die in seiner Firma arbeiten, wo es so etwas wie einen inneren Zusammenhalt gibt, wo es so etwas gibt wie Werte, wie Ziele, die nicht nur in ökonomischer Effizienz gemessen werden, sondern auch in Fragen wie langfristige Existenzsicherung für die Familie, Sicherheit für die Arbeitsplätze, etwas für die Region zu tun. Das ist eine zutiefst menschliche Form des Kapitalismus."

    Für Andreas Pieroth ist es vor allem die Beständigkeit, die Familienunternehmen auszeichnet. Pieroth ist Vorstand und Miteigentümer des Weinvertriebs WIV Wein International, ehemals Pieroth:

    "Wir denken in Generationen, zumindest auch bei einem Familienunternehmen, was in unserem Fall auch den Generationswechsel von Gründergeneration auf die nächste Generation bewerkstelligt hat. Und dann denkt man durchaus an die kommende Generation, also eher in 30-Jahres-Kategorien, und das ist sicherlich ein anders Denken als es in einem börsennotierten Unternehmen stattfindet, wo eher Quartalszyklen vorherrschen oder die Zyklen bis zur nächsten Hauptversammlung oder die Zyklen der Laufzeit eines Vorstandsdienstvertrages."

    Peter Bettermann hingegen macht ein weiteres Kriterium aus. Er leitet als Fremdmanager die Unternehmensgruppe Freudenberg. Das Weinheimer Unternehmen ist als Mischkonzern weltweit aufgestellt, produziert Bodenbeläge, Dichtungen für Automobile, aber auch Spezialschmierstoffe oder die bekannten Wileda-Haushaltstücher. 32.000 Menschen beschäftigt das Unternehmen und setzt 4,4 Milliarden Euro um, davon aber nur knapp ein Viertel in Deutschland. In einer reinen Kapitalgesellschaft kennen die Manager an der Spitze die Eigentümer nicht, meint er:

    "Ich glaube, das ist zunächst der ganz entscheidende Unterschied: diese persönliche Beziehung, die natürlich ganz zwangsläufig über die Zeit wächst, unabhängig davon, ob ein Unternehmen von einem Familienmanager oder einem Fremdmanager oder von einem Team aus beiden geführt ist. Diese Nähe mit den Eigentümern und die Verlässlichkeit dieser Beziehung über die Zeit, das ist der wesentliche Unterschied."

    Und doch hat diese Beständigkeit und Verlässlichkeit für manche jungen Bewerber keinen allzu großen Reiz. Das hat Heinz-Werner Utz, Vorstandschef und Eigentümer der Uzin Utz Ag festgestellt. Seine Firma fertigt Bodenbeläge und beschäftigt weltweit 650 Mitarbeiter:

    "In Bewerbungs- und Vorstellungsgesprächen habe ich immer wieder feststellen müssen, dass qualifizierte Bewerber - wir leben davon als expandierendes Unternehmen - sich bei sonst gleichen Bedingungen immer wieder für große Unternehmen wie BMW, BASF oder Porsche entscheiden und dass sie nicht zu uns kommen. Und das ist ein Imagenachteil, den die kleineren und mittleren Familienunternehmen immer noch haben. Und daran muss man arbeiten, zumal Humankapital in den nächsten Jahren immer wichtiger wird, bei der absehbaren demografischen Entwicklung in Deutschland."

    Doch nicht alle denken so. Mitarbeiter, die längere Zeit in börsennotierten Großunternehmen gearbeitet haben, sehnen sich geradezu nach einer langfristigen, verlässlichen Ausrichtung, berichtet Marbod Muff, Vorstand Finanzen und Personal bei Boehringer Ingelheim, dem noch größten deutschen Pharmakonzern. Und die Mitarbeiter schätzen auch die regionale Verwurzelung und damit Verantwortung der Familienunternehmer. Denn die engagieren sich in ihrem Umfeld, so wie Boehringer Ingelheim. Vorstand Marbod Muff:

    "Das, was man unter 'citizen corporateship' versteht, bürgerschaftliches Engagement, das steht auch im Leitbild, und zwar in allen Ländern, wo wir aktiv sind, nicht nur hier in Deutschland. Und wir machen hier in Rheinland-Pfalz, in der Gemeinde, im Land und im Bund viel. So mache ich zum Beispiel den Vorsitz der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz. Das sind Dinge, wo wir glauben, wir können hier nicht nur ein Geschäft machen, sondern dass wir uns wirklich sozial einbringen wollen in das gesamte Netzwerk. Und dazu gehören die Menschen, sie arbeiten hier, aber sie leben im Umfeld und wir wollen diesen Gemeinschaften ein wenig von dem zurückgeben, was wir von ihnen erhalten."

    Rein börsennotierte Gesellschaften haben die Bedeutung dieses bürgerschaftlichen Engagements in der Region inzwischen ebenfalls erkannt. Doch bei aller Beständigkeit und Traditionsverbundenheit: Gut geführte Familienunternehmen sind aber keine starren Gebilde. Sie müssen sich an die Veränderungen des Wettbewerbs genauso anpassen wie andere Unternehmen. Sie tun dies aber nicht vorschnell, sagt Peter Bettermann:

    "In ganz grundsätzlichen Fragen tun sich Familienunternehmen viel schwerer, einen grundlegenden Kurswechsel durchzuführen. Das ist eben die andere Seite der Verlässlichkeit. Aber wenn es um operative Tages- oder Monatsfragen geht, dann sind wir ausgesprochen pragmatische Kaufleute, alle miteinander."

    Damit sie erfolgreich sind, müssen Familienunternehmen also den Mut zum Wandel haben und nicht in eine strategische Starre verfallen, meint Peter May von der Beratungsgesellschaft INTES:

    "Familienunternehmen, die da hängen bleiben, die sich über diese Denkweise nicht hinwegsetzen, die nicht begreifen, dass man sich mindestens einmal pro Generation neu erfinden muss, dass das, was vererbt wird, nicht ein bestimmtes Geschäft ist, sondern das, was vererbt wird unternehmerische Denkweise, Handeln, Potenzial ist, das immer wieder angepasst wird, die verschwinden. Das sind die schlechten Familienunternehmen. Die guten passen sich permanent an Wechsel an."

    Das Unternehmen bildet den zentralen Mittelpunkt der Familie. Und selbst wenn die Familie nicht mehr im operativen Geschäft aktiv ist, sondern nur über die Gesellschafterversammlungen und andere Gremien Einfluss nimmt, benötigen die Familienmitglieder das Unternehmen ebenso wie umgekehrt die Firma die Familie - so auch beim Mischkonzern Freudenberg aus Weinheim, hat Konzernchef Peter Bettermann beobachtet:

    "Die würden sich untereinander gar nicht mehr kennen, wenn sie nicht die Gesellschafterstellung hätten, wo sie sich mindestens einmal im Jahr für einige Tage alle wieder sehen, wo über das Jahr eine Familienzeitung und die Firmenzeitung ihnen regelmäßig ins Haus stehen, wo ein Chatroom im Intranet zur Verfügung steht und Ähnliches. In der heutigen Welt eine Großfamilie zusammenzuhalten, ist ohne eine gemeinsame Firma gar nicht vorstellbar."

    Diesen Zusammenhalt müssen Familienunternehmen pflegen und Regeln aufstellen, etwa wie man sich verhält, wenn ein Familienmitglied sich vielleicht doch von seinen Anteilen trennen möchte oder welche Kriterien an den operativen Chef des Unternehmens zu stellen sind, sei er Familienmitglied oder ein Manager von außen. Für Streit unter den Eigentümern gibt es zwar auch genügend Beispiele in der Wirtschaftsgeschichte. Dann aber sind diese Unternehmen oder zumindest ihre Unabhängigkeit meist kaum noch zu retten. Denn grundsätzlich gilt: Das Unternehmen geht vor. Wenn die persönlichen, individuellen Entscheidungen der einzelnen Familienmitglieder Vorrang gewinnen vor den unternehmerischen, dann wird das Unternehmen keine Zukunft haben, meint Unternehmensberater Peter May:

    "Wir müssen dafür sorgen, dass wir erstens immer die Besten in die Führung bekommen, dass wir zweitens die Governancestrukturen so aufbauen, dass diese Führung wirksam im Interesse des Unternehmens kontrolliert werden kann und drittens, dass die Familie sich bei den entscheidenden Fragestellungen, zum Beispiel wenn es um die Höhe von Entnahmen, Ausschüttungen geht oder um die Frage "Kann ich meine Anteile verkaufen?", dass die Familie sich dabei Zurückhaltung auferlegt und für einen Zusammenhalt sorgt, so dass sie kein zerstrittener Gesellschafterkreis, sondern eine Gruppe von Menschen ist, die a auch weiß, dass sie eine gemeinsame Herkunft hat und b ein gemeinsames Projekt, für das es sich zu kämpfen und zu arbeiten lohnt."

    Das muss sich vor allem in Krisenzeiten zeigen, weiß Andreas Pieroth. Als Mitte der 80er Jahre die Weinfirma seines Vaters und Onkels untrennbar mit dem Glykolskandal verbunden war, machten die beiden Senioren einen klaren Schnitt und zogen sich zurück:

    "Ich denke, dass es schon geholfen hat, dass die Familie insgesamt loyal weiterhin zu diesem Unternehmen stand. Das war nicht nur Not gehorchend, weil man konnte es schlicht und ergreifend nicht verkaufen, allerdings ein Schnäppchenjäger hätte dieses Unternehmen gerne schon genommen, und wahrscheinlich wäre die Familie ein Sarg voller Probleme losgeworden. Aber die Familie stand weiterhin voll als Eigentümer zu dem Unternehmen und hat die Sanierung mehr oder weniger auch aktiv mit begleitet."

    Doch die junge Generation ist inzwischen wieder in das aktive Management des Unternehmens eingestiegen. Das firmiert zwar jetzt unter WIV, ist aber zum weltweit größten Direktvertrieb für Wein geworden mit 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 470 Millionen Euro.

    Neben Andreas Pieroth arbeitet auch sein Cousin Johannes im Vorstand, das dritte Vorstandsmitglied gehört nicht der Familie an. Leicht ist Andreas Pieroth der Schritt zurück ins väterliche Unternehmen nicht gefallen, eigentlich habe das nicht zu seiner Lebensplanung gehört:

    "Aber dann kam irgendwann die Frage in der Familie: Was machen wir mit diesem Unternehmen in der Zukunft? Und da war schnell der Konsens da, dass wir nicht nur eine Eigentümerrolle als Familie wahrnehmen und dann auf Hauptversammlungen dafür abstimmen, dass die Dividende größer wird. Sondern wenn das in dem Familienbesitz bleibt, dann sollen auch Pieroths in dem Unternehmen aktiv tätig sein, dann auch logischerweise an führender Position."

    Der Generationenwechsel klappt nicht immer so reibungslos. Häufig ist er sogar der Anfang vom Ende, etwa weil die Kinder das Lebenswerk der Eltern und Großeltern nicht weiterführen möchten oder es auch nicht können. Dann muss entweder ein Fremdmanager gesucht werden oder das Unternehmen wird verkauft. Der Übergang auf die nächste Generation ist auch unter finanziellen Aspekten schwierig.

    Eine Neuregelung der Erbschaftssteuer ist deshalb für Familienunternehmen so wichtig. Nach den jetzigen Plänen soll die bei Unternehmensnachfolge nach zehn Jahren erlassen werden. Denn das Geld der Eigentümer ist meist im Unternehmen gebunden, die Steuerzahlung schadet also der Firma und damit auch den Mitarbeitern. Auch Andreas Pieroth hat diese Steuer als herbe Belastung empfunden:

    "Die Anteile, die ich bisher schon im Wege einer Schenkung von meinem Vater übertragen bekommen habe, das waren solche Beträge, die da sofort an Erbschaftssteuer fällig waren, die man nicht auf dem Konto herumliegen hat. Wenn jeder Euro, den die Familie besitzt, als Stammkapital im Unternehmen ist, dann ist das schwierig, da sehe ich für kleinere Betriebe eine ganz starke Entlastung."

    Ohnehin spielt das Kapital in einem Familienunternehmen eine andere Rolle als in rein fremd finanzierten Kapitalgesellschaften. Denn es ist meist knapp. Und vor allem kleinere Unternehmen tun sich schwer damit, ihre Bücher offen zu legen, sagt Emmerich Müller, Gesellschafter des Bankhauses Metzler:

    "Die Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der publikumsnotierten Aktiengesellschaft bringt von vornherein gewisse Transparenzanforderungen mit sich. Die sind schon erfüllt und sind eine Grundlage auch für eine Kreditentscheidung, während bei vielen familiengeführten Unternehmen, die nicht Publikumsgesellschaften sind, da liegen die Informationen gar nicht vor, die für die Transparenz der Information bei der Kreditvergabe erforderlich sind."

    Gerade die größeren unter den Familienunternehmen können es sich aber gar nicht mehr leisten, diese Transparenzanforderungen nicht zu erfüllen, auch wenn sie zu 100 Prozent in Familienbesitz sind. Das Umdenken ist dabei auch von den Basel-II-Richtlinien für die Vergabe von Krediten angestoßen worden: Ohne einen ausreichenden Einblick in die Bücher ihrer Kunden sind die Banken äußerst zögerlich geworden bei der Kreditvergabe.

    Andererseits haben die großen reinen Familienkonzerne bis auf die Eigenkapitalbeschaffung an der Börse auch andere Wege, um Expansion zu finanzieren, sagt Freudenberg-Chef Peter Bettermann:

    "Viele Instrumente der Kapitalmärkte stehen den Familienunternehmen dann offen, wenn sie ausreichend transparent sind und dementsprechend auf Grund dieser Transparenz auch entsprechendes Rating bei Banken und bei den Rating-Agenturen haben."

    Die gut geführten Familieunternehmen verfügen oft über Eigenkapitalquoten von 40, 50 Prozent. Boehringer Ingelheim etwa hat die Banken für Kreditnahmen kaum nötig, sagt Finanzvorstand Marbod Muff:

    "Das ist im Moment sehr begrenzt, aber wir bleiben im Gespräch, weil wir nie wissen, ob wir nicht mal was Mittelgroßes machen und dann nicht wissen, ob wir nicht doch mal ein paar Milliarden Kredit aufnehmen würden. Entspricht zwar nicht der Strategie, die wir haben, aber man soll es nicht ausschließen. Ich glaube, es ist doch einfacher, einen gutes Miteinander mit der Banken hilft immer."

    In einer solch komfortablen Lage aber sind natürlich nicht alle. Doch grundsätzlich haben die Familienunternehmer ein anderes Verhältnis zum Kapital, sie setzen es verantwortungsbewusster und vielleicht zunächst zurückhaltender ein. Diese Knappheit an Kapital eröffnet Chancen, sagt Peter May von Intes:

    "Auf diese Ressourcenknappheit antworte ich: Ich muss Marktführer werden, ich muss der beste werden, ich muss erfolgreich werden mit knappen Ressourcen, und das führt dazu, dass sie sich typischerweise auf Nischenmärkten spezialisieren. Denn wenn ich Marktführerschaft und Ressourcenknappheit miteinander verbinde, dann kann der Markt kein Massenmarkt sein, indem es auf unbegrenzte Ressourcen ankommt. Und das Ergebnis haben wir in Deutschland mit über 1200 "hidden champions", also Unternehmen, die europäische oder sogar Weltmarktführer sind, und das sind in der Regel solche Familienunternehmen, die das begriffen haben."

    Diese Märkte zu entdecken, ist die eigentliche Managementleistung. Nischenmarkt heißt aber nicht, sich nur auf Deutschland zu beschränken. Viele Familienunternehmen sind heute international aufgestellt, eben in ihren Nischenmärkten. Und dort sind sie sehr erfolgreich: Den Titel Exportweltmeister hätte Deutschland sicher nicht erworben ohne die aktive Mithilfe seiner Familienunternehmen.
    Doch in der globalisierten Wirtschaft bestimmen die angelsächsisch geprägten Fremdkapitalgesellschaften immer mehr Regeln, etwa bei der Bilanzierung, die vor allem auf Börsengesellschaften ausgerichtet ist. Die Basis für das unternehmerische Handeln der deutschen Familienunternehmen aber bleibt Deutschland. Und deshalb sind sie auch darauf angewiesen, dass die Politik sich stärker um ihre Belange kümmert. Und da liegt neben der Erbschaftsteuer einiges im Argen, das geändert werden müsste, meint Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen:

    "Erstens eine Deregulierung, das heißt eine Entstaubung vieler Genehmigungsverfahren, die wir in Deutschland haben, auch im Steuerrecht, Arbeitsrecht haben. Dann würde ich mir auf Dauer auch im Bereich der Besteuerung eine Anpassung an die Länder um uns herum wünschen."

    Wenn diese Wünsche der Familienunternehmen in Erfüllung gehen, die als meist mittelständische Unternehmen so häufig als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gepriesen werden, dann könnten sie ihren Beitrag nicht nur zur Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft leisten. Denn das Modell an sich ist in Deutschland viel akzeptierter als der reine Börsenkapitalismus angelsächsischer Prägung, meint Peter May:

    "Wenn wir es schaffen, ein familienkapitalistisches denkendes Land zu werden und gleichzeitig die Sozialstaatlichkeit nicht zu vernachlässigen, im Sinne von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, und zwar in dieser Reihenfolge, also nicht Umverteilungsmentalität, dann könnten wir deutlich besser werden und wahrscheinlich sogar besser als die Angelsachsen mit ihrem Modell, das zwar ungeheuer expansiv ist, aber auch natürlich gesellschaftliche Krisen heraufbeschwören kann, jedenfalls in Deutschland."