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Tradition und Zeitgeist

Von Bord eines der leuchtend blaugelben Hafenbusse hat man einen ganz besonderen Blick auf die Sehenswürdigkeiten der dänischen Hauptstadt. Und schnell zeigt sich hier, dass Traditionsreiches und Ultramodernes in Kopenhagen meist ganz dicht beieinander liegt.

Von Sabine Loeprick |
    Zwar sind vom Schiff aus auch Schloss Christiansborg, Börse und Frederikskirche zu sehen, ins Auge allerdings fallen einige spektakuläre Bauwerke neueren Datums direkt am Ufer. Der sogenannte "Schwarze Diamant" zum Beispiel, der Neubau der Königlichen Bibliothek, oder auch die 2000 von Henning Larsen erbaute Oper . Führerin Anita:

    "Und hier diese alten Gebäude, das ist unser "Gammeldock". Da haben wir unseren Architektur-Center, da können Sie Ausstellungen von Architektur sehen. Wir haben ja eigentlich ziemlich viele junge Architekten, die auch in der Welt gut gebaut haben."

    Einer, der schon Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit kühner Architektur und konsequentem Design Aufsehen erregte, war Arne Jacobsen. Noch heute ist das 1960 eingeweihte SAS-Hotel, Kopenhagens erstes Hochhaus, untrennbar mit seinem Namen verbunden, auch wenn von der Original-Einrichtung nicht mehr viel vorhanden ist. Stolz ist man daher auf eine Suite, die noch das ursprüngliche Mobiliar hat. Echte Design-Fans aus aller Welt reisen an, um hier einmal Originale zu sehen, erzählt Lisa Nordlander. Und das , obwohl es günstige Nachahmungen der Jacobsen Klassiker wie dem "Swan-Stuhl" mittlerweile auch "made in China" gibt :

    "Diese Stühle haben ja die Eigenheit, dass sie sehr viele Formen haben. Sie sind sehr rund, deshalb sind sie kompliziert zu produzieren. In China findet man sehr viele Reproduktionen, aber sie bekommen sie nicht richtig hin.."

    Mit Sicherheit Originalen sieht man sich im Kopenhagener Industrie- und Designmuseum gegenüber. Das ehemalige Krankenhaus von 1750 dokumentiert gut 100 Jahre dänische Designgeschichte - und dabei ist natürlich auch Arne Jacobsen viel Platz gewidmet - Museumsführerin Sara Larsen:

    "Arne Jacobsen ist so bekannt, weil er bei seinem Design mit dem Funktionalismus gebrochen hat. Andererseits diesen Stil aber in seinen Bauprojekten weiter umgesetzt hat und in dem SAS-Hotel gelang es ihm, beides miteinander zu verbinden. Es entstand zwischen 1957 und 1960 und war als eine Art Gesamtkunstwerk konzipiert. Das gesamte Mobiliar, die gesamte Ausstattung war von Arne Jacobsen gestaltet."

    Ein Gesamtkunstwerk ganz anderer Art findet sich in der Strøget, Kopenhagens beliebter Fußgängerzone. Zwischen Boutiquen und Cafés residiert Royal Copenhagen - seit 1775 ein Markenzeichen für feinstes Porzellan - in einem Renaissance-Backsteinbau. Hinter den alten Mauern verbergen sich Verkaufs- und Ausstellungsräume auf drei Etagen - Elfriede führt eine Treppe hinauf in das kleine Museum, in dem zahlreiche Teile der berühmten "Flora-Danica"-Kollektion ausgestellt sind:

    "Der schwedische Botaniker Linné, der arme Mann ist ja fast blind geworden über dieser Malerei der einzelnen Blumenarten. Heutzutage gibt es noch etwa 800 verschiedene Blumenmotive, die zur Flora-Danica-Serie gehören, früher waren es 1800. Aber alle Motive stammten aus der dänischen Blumen- und Pflanzenwelt."

    Vergissmeinnicht , Schlüsselblumen und Efeu, filigranst aufgetragen und mit Goldrand verziert, verzieren Untertassen, Eierbecher und Suppenschüsseln. Wieviel Arbeit in der Herstellung nur eines Tellers steckt, das demonstriert Porzellanmalerin Herdis in der kleinen Schauwerkstatt:

    "Wir malen die Motive aus freier Hand, zunächst mit einem Bleistift, dann erst mit dem Pinsel. Danach wird das Stück zum ersten Mal gebrannt - bei 800 Grad, anschließend kommt es zurück zum Maler. Jetzt werden die dunkleren Farbtöne aufgetragen, damit erzeuge ich die Farbschattierungen auf den Blättern und Blüten. Ja, und danach wird noch einmal gebrannt. Also, es wird zweimal gemalt und zweimal gebrannt. Als nächster Schritt wird dann das Gold aufgetragen- und es wird ein drittes Mal gebrannt. Schließlich muss das Stück poliert werden, denn durch die Hitze im Ofen wird das Porzellan ganz matt. Man kann also sagen, dass an der Herstellung eines solchen Porzellantellers 30 Paar Hände beteiligt sind und das Stück wird insgesamt sechs mal gebrannt."

    Man könnte ehrfürchtig werden, doch auch bei "Royal Copenhagen" gehen Tradition und Zeitgeist Hand in Hand. Das merkt man auch im hauseigenen Café - weißlackierte Tische und Lehnstühle unter einem riesigen Leuchter sorgen für barockes Ambiente. Auf der Speisekarte schließlich ist das traditionelle Smoerebroed neu entdeckt worden - als Kombination mit Sushi heißt es hier neudänisch "Smushi".