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Traditionelles Saatgut in Sambia

Die Ernährungssituation in den Ländern im südlichen Afrika ist unsicher. Im letzten Jahrzehnt wechselten Dürreperioden und Überschwemmungen in der Region einander ab, so dass Unter- und Mangelernährung ständige Begleiter der Menschen wurden. Auch gegenwärtig droht in vielen Ländern der "südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft" eine Hungersnot. In Sambia streiten Wissenschaftler und Politiker darüber, ob in dieser bedrohlichen Situation gentechnisch veränderter Mais als Nahrungsmittelhilfe ins Land gelassen werden sollen. Ganz anders der Ansatz eines Saatgutprojekts der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Es will den Zugang der sambischen Bauern zu Saatgut - traditionellen wie verbesserten Sorten - sichern helfen und damit auch zum Erhalt der Agrobiodiversität beitragen.

Von Yvonne Mabille | 06.08.2002
    Eine Saatgutausstellung am Rande von Lusaka, der Hauptstadt Sambias: Zwei Dutzend Bäuerinnen und Bauern präsentieren hier ihr bestes Saatgut. Samenkörner in allen Farben und Formen füllen Körbe und Schalen an den Marktständen. Alles Sorten, die die Bauern selber vermehren und im eigenen Gemüsegarten und auf dem Feld nutzen. Vielfalt ist Trumpf. Denn jede Sorte erfüllt ihren besonderen Zweck. Zum Beispiel beim Mais: Die eine Sorte liefert sehr feines Mehl, eine andere eignet sich zum Bierbrauen. Die nächste lässt sich besonders gut lagern. Mit den Saatgutausstellungen, die von Bauernkomitees organisiert werden, soll das Interesse der Kleinbauern an Saatgutfragen geweckt werden. Das Mittel habe sich sehr bewährt, sagt Ortwin Neuendorf von der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, kurz gtz

    Die haben also in ganz kurzer Zeit so ein großes Interesse gefunden. Vor drei Jahren, als wir in dieser Gegend das anfingen, hatten wir vielleicht 5 Aussteller und heute haben wir bei solch einer Gelegenheit um die 100 Aussteller bereits.

    Nur mit einer breiten Palette von Getreide- und Gemüse-Arten und -Sorten können die Kleinbauern das Überleben ihrer Familien sichern. In den 14 Ländern, die sich zur "Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft" zusammengeschlossen haben, hängen über 80 Prozent der Dorfgemeinschaften von der landwirtschaftlichen Vielfalt ab. Auf Anfrage aus der südafrikanischen Region hat das gtz-Projekt begonnen, ein Konzept zu entwickeln, das Bauern den Erhalt traditioneller Sorten und den Zugang zu neuen sichern soll.

    Es geht darum, herauszufinden, ob es Möglichkeiten für die Farmer gibt, an Pflanz- und Saatgutmaterial zu kommen, dass nicht jetzt kommerziell hergestellt wird. Wir haben sehr oft Probleme, weil die kommerziellen und privaten Unternehmungen jede Menge hochertragreicher Sorten produzieren, die aber für das Umfeld, in dem die Farmer leben, die keinen Dünger haben und keine künstliche Bewässerung usw., einfach nicht tauglich sind. Die wenigen Erträge, die man mit diesen Sorten herausbringen kann, eine halbe Tonne oder eine Tonne rechtfertigen nicht den Preis, den es kostet.

    Wie können auch Kleinbauern sich Informationen beschaffen über vorhandene verbesserte Sorten? Und zwar solche, die sie selber nachbauen können. Wie können sie also am internationalen Züchtungsfortschritt teilhaben, der z.B. in den Internationalen Agrarforschungszentren in der Region erzielt wird? Unsere bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass da ne ganze Reihe Material vorhanden ist. Die Bauern gucken sich das in sogenannten Beobachtungsversuchen an und beobachten, wie die Pflanze sich entwickelt, zu welcher Zeit, was passiert. Dann entscheiden sie in der Gruppe oder auch individuell und sagen: Ja, die Sorte würde ich gerne weiter vermehren. Ja, die Sorte ist etwas für uns, und was ist dann zu tun?

    Praktische Fragen müssen geklärt werden: Wie kann eine Sorte rein erhalten, ein Vermischen mit anderen vermieden werden. Wann ist der richtige Zeitpunkt für Aussaat und Ernte der jeweiligen Sorten. Wenn der Eigenbedarf gedeckt ist, entsteht bei manchem Bauern der Wunsch, die erfolgreich erprobte Sorte auch zu vermarkten oder wenigstens mit dem Nachbarn zu tauschen. Und da beginnen die rechtlichen Probleme. Denn die meisten Sorten sind nicht offiziell zugelassen. Darum gehört es zu den Aufgaben des gtz-Projektes, sich zusammen mit anderen Institutionen für eine Harmonisierung der Saatgutgesetzgebung in den Ländern im südafrikanischen Raums stark zu machen.

    Das ist im gesamten südlichen Afrikaraum eine Bewegung, könnte man beinahe sagen, die von verschiedenen anderen Institutionen mitgetragen wird. Wir sind da also ein kleines Rädchen im Gesamtansatz..., der darauf abzielt, eine Harmonisierung der Saatgutgesetzgebung zu finden, die also auch erlaubt, solche im Kleinen durchgeführten Vermehrungen zu sanktionieren, dass das geschehen kann.

    Aber noch ist der Interessenausgleich nicht gefunden. Die Saatgutgesetzgebung in den südafrikanischen Ländern ist uneinheitlich. Hinzukommt, dass die kommerziellen Saatgutproduzenten die alleinigen Sortenrechte beanspruchen. Der Staat hat kein Geld, die Sorten weiterzuenetwickeln. Den kleinen Bauern fehlt das Know-how. So lange keine Einigung erzielt ist, wird das vorhandene Sorten-Material nicht gepflegt und weiterentwickelt. Obwohl es so dringend zur Bekämpfung des Hungers in der Region gebraucht wird.