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Träume nach Maß

Wenn wir schlafen, dann verlangsamen sich unsere hirnelektrischen Wellen. Während dieser Zeit laufen wichtige Regenerations- und Aufbauvorgänge ab. Doch nicht alle Menschen stehen morgens erholt auf. Viele können nur schwer einschlafen, andere wachen ständig auf oder sie werden mit Albträumen konfrontiert. Meistens sind es psychische Ursachen, die zu Albträumen führen: Probleme in den zwischenmenschlichen Beziehungen, am Arbeitsplatz - aber auch Verlustangst, Prüfungsangst und sogar Angst vor Albträumen können sich traumatisch auswirken. Auf dem Schlafkongress der "Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin" vergangene Woche in Göttingen, wurde das Thema Schlafstörung ausgiebig behandelt.

Michael Engel |
    Moderne Schlafdiagnostik rückt den Patienten mit einem ganzen Bündel aus Kabeln, Steckern und Sonden zu Leibe, und viele der Patienten fragen sich, wie sie – den Verkabelungen zum Trotz – überhaupt einschlafen sollen. Dr. Josef Wirth – Schlafmediziner in Alfeld – lässt sich davon nicht beirren

    Dann haben wir die Elektroden, die speziell für die Augenmuskelbewegungen angebracht werden, also hier in dem Falle das EEG (Elektroden klicken) dann aufzeichnen kann, ob Augenmuskelbewegungen da sind. Das dient dann der Zuordnung der Traumphasen – also dieses Rem-Schlafes.

    Bei organischen Ursachen wie Schlafaponoe, die zu Atemaussetzern führen, können solche Messungen wichtige Hinweise liefern. Die "subjektive Schlafwahrnehmung" der Betroffenen hingegen – der "Erholungswert" des Schlafes - lässt sich dagegen noch nicht mit Hilfe von Instrumenten erfassen. Dabei haben Millionen von Menschen das Gefühl, außerordentlich schlecht zu schlafen, ausgelöst zum Beispiel durch Stress am Arbeitsplatz:

    Es können auch psychosoziale Probleme sein: Mobbing am Arbeitsplatz ist ein sehr großer Aspekt, der zur Zeit immer mehr zunimmt. Auch da kann jemand nicht genügend Ventil schaffen oder Kommunikation schaffen mit anderen, so dass er diese Probleme mit ins Schlafzimmer nimmt und im Bett, wenn er darüber nachgrübelt, und letztlich daraus diese Schlafstörungen - als psychische und körperliche Schlafstörungen zusammengefasst - dann entsteht.

    Überschuldung, Arbeitslosigkeit, Zukunftsangst – das ist der Stoff – aus dem heute viele Träume sind. Betroffene wachen Schweiß gebadet auf, wälzen sich, aus Furcht davor, wieder einzuschlafen: Albträume können unerbittlich sein. Schlafmediziner wissen: psychisch verursachte Schlafstörungen sind heute ein Massenphänomen. Eine völlig neue Methode, diesen Patienten zu helfen, haben jetzt Psychotherapeuten entwickelt: die Traumhygiene:

    Traumhygiene heißt, dass ich mich abends darauf vorbereiten kann – wenn ich das gelernt habe – in der Nacht einen vernünftigen und nicht so sehr belastenden Traum zu haben. Oder sich mit bestimmten Träumen, mit bestimmten Inhalten so zu beschäftigen, dass ich nicht davon zu stark erregt werde. Darum geht es mir. Das ist bei schlafgestörten Patienten, bei depressiven Patienten, gestört. Und da können wir schlafhygienisch eingreifen.

    ....... sagt Prof. Eckart Rüther von der Universität Göttingen - Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Traumhygienische Therapieverfahren zeigen allerdings nicht von heute auf morgen Erfolg. In der Regel vergehen Wochen und Monate, bis Patienten die Angst einflößenden Träume "verscheuchen" können. So müssen sie vor allem lernen, die Probleme – in Familie und Beruf – konstruktiv anzugehen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die Dinge einfach beiseite zu legen, ist in jedem Fall der falsche Weg, denn dann erscheinen die Dissonanzen umso bedrohlicher zu nächtlicher Stunde. Ratschlag des Schlafmediziners: Probleme kurz vor dem Zubettgehen noch einmal aufgreifen und Bewältigungsstrategien entwickeln .....

    Man kann auch so sagen: man kann sich vornehmen, in einem Traum etwas Bestimmtes zu machen. Zum Beispiel rate ich Patienten, wenn sie ganz bestimmte schwere Albträume oder Angstträume haben, dass sie sich dann in der Nacht – im Traum – eine Kamera aus der Tasche ziehen und das Problem oder diese Schwierigkeit oder das schreckliche Ereignis dann fotografieren. Das machen einige Patienten dann und sind dann ganz erstaunt, dass diese Objektivierung des Problems gar nicht mehr so schlimm ist, und dass man den eigentlichen Affekt, die Ängstlichkeit, gar nicht mehr so erlebt.

    Nachteil der psychotherapeutischen Strategien: sie sind langwierig und erfordern Durchhaltevermögen. Doch es lohnt sich: herkömmliche Schlafmittel wie Benzodiazipine und Barbiturate führen relativ schnell in eine Abhängigkeit. Außerdem werden die so wichtigen Traumphasen pharmazeutisch unterdrückt. Menschen, die diese Präparate nehmen, fühlen sich selbst nach stundenlangem Schlaf bleiern, matt und benommen. Seit neuestem verordnen Schlafmediziner "Antidepressiva" als Schlafmittel: sie unterdrücken Ängste und versperren so den Weg in die gefürchtete Welt der Albträume. Auch Melatonin entwickelt eine angenehme Wirkung:

    Nebenwirkungen gibt es eigentlich keine bei dieser niedrigen Dosierung, die wir anwenden. Wir wissen aber, dass man das sehr lange, einige Monate, anwenden muss, um zu wissen, ob das eine Wirkung hat oder nicht. Wir haben festgestellt, dass das Melatonin in Gehirn oder im Blut vermindert ist bei schwer schlafgestörten Patienten, und diesen Mangel versuchen wir auszugleichen mit zugeführtem, oralen Melatonin. Es gibt jetzt eine Substanz, die auch Melatonin ist, die aber in einer etwas anderen Form dargereicht wird, so dass immer zum richtigen Zeitpunkt, während der Nacht, wo wir Melatonin haben wollen, im Blut auftritt und im Gehirn wirken kann.

    "Dem Schlaf wird die Tür geöffnet" – so formulieren Wissenschaftler die Wirkung des Melatonins. Steht sie erst einmal offen – die Tür - fällt das endgültige Einschlafen wesentlich leichter. Bei ausgeprägten Angstzuständen oder tiefen Depressionen versagt allerdings auch Melatonin als Schlafmittel.

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