Die beiden Jungen stehen im Schatten eines großen Mangobaumes und schlagen sich mit ihren Macheten zwei kräftige Äste zurecht. Die legen sie dann an beiden Enden in die Gabeln von zwei kleineren Ästen, die sie in den Lehmboden eingegraben - fertig ist die Schulbank. Auf genau demselben Mobiliar sitzen auch die anderen Schüler dieser Grundschulklasse in der Stadt Mundri im Südsudan. Als Klassenzimmer dient der Schatten unter einem Mangobaum. Die Sitzäste sind das einzige Mobiliar bis auf die Tafel, die der Lehrer auf dem Markt gekauft hat. Tische gibt es nicht, aber weil die Kinder auch keine Hefte oder Stifte haben, brauchen sie tatsächlich auch keinen Tisch.
Die meisten anderen Klassen sind ebenfalls unter Bäumen versammelt. Nur die Klassen sechs bis acht haben so etwas wie eine Hütte als Klassenraum mit einer Plastikplane als Dach. Unter dieser Plane unterrichtet Baraka Wilson die achte Klasse gerade in Mathe, es geht um das Parallelogramm. Wilson ist 22 Jahre alt, hat während des Krieges als Flüchtling in Uganda einige Klassen einer weiterführenden Schule besucht und sich dadurch zum Lehrer qualifiziert. Er hat sich einige Lehrbücher beschaffen können, aber die Schüler haben natürlich keine. Selbst an Hefte zu kommen ist schwierig.
"Als ich zum Beispiel am letzten Donnerstag in die achte Klasse kam, haben sieben Schüler gesagt ihre Hefte seien voll. Im Lehrerzimmer waren auch keine mehr, da bin ich auf den Markt gegangen und habe von meinem Geld welche gekauft."
Dabei ist das fehlende Material noch nicht einmal Wilsons größtes Problem - sondern der Regen.
"Der setzt uns wirklich zu, vor allem jetzt, in der Regenzeit. Wir schicken die Kinder immer nach Hause, wenn wir sehen, dass gleich der nächste Guss kommt. Noch schlimmer ist es, wenn wir davon überrascht werden. Sie sehen ja, unser Lehrerzimmer hat auch nur einen Lehmboden, der weicht dann auf. Unsere Bücher, Papiere, alles wird nass. Und im Moment regnet es fast jeden Tag."
Ein schwieriger Schulalltag also. Aber immerhin lernen die Kinder wenigstens etwas: Rechnen, Schreiben und Lesen, Grundlagen in Naturwissenschaften, Geschichte. Das ist keine Selbstverständlichkeit in einer Region, die mehr als 20 Jahre Bürgerkrieg hinter sich hat und ein eigener Staat erst noch wird, nämlich am 9. Juli, wenn der Süd- vom Nordsudan offiziell unabhängig wird. Für diese Unabhängigkeit haben die Südsudanesen in zwei Kriegen jahrzehntelang gekämpft. Allein der zweite Krieg dauerte mehr als 20 Jahre, von Anfang der 80er bis Januar 2005. Die Idee mit der Schule hatte Apaya Morris Apaya. Der 31-Jährige war während des langen Bürgerkrieges mit seinen Eltern nach Uganda geflohen.
"Wir hatten das Glück, das wir in Uganda etwas lernen konnten. Als ich 2005 nach Mundri zurückkam, stellte ich fest, dass die meisten Kinder nicht in die Schule gehen. Ich fühlte mich geradezu verpflichtet, hier zu unterrichten. Ich fing also einfach an, und immer mehr Kinder kamen."
Denn ansonsten gab es in der Gegend kaum Schulen. Die amtierende Regierung, die aus der Rebellenarmee SPLA hervorgegangen ist, übernimmt die Geschäfte erst am kommenden Samstag voll, wenn der Südsudan unabhängig und als neuer Staat anerkannt wird. Weil sie aus dem Nichts heraus staatliche Strukturen aufbauen muss, investiert sie sie in das Bildungswesen vorerst kaum Geld. Was den Aufbau von Schulen und Gesundheitszentren angeht, verlässt sie sich auf nationale und internationale Hilfsorganisationen - und Freiwillige wie Apaya Morris Apaya.
"Die politischen Organisationen im Südsudan fordern 'Bildung für alle', und zwar gute Bildung. Aber das werden leere Worte bleiben, wenn in den Klassen 150 oder 200 Schülerinnen und Schüler sitzen. Und das ist bei uns oft die Realität. Also dachte ich mir: Warum gründe ich nicht eine Primarschule und entlaste dadurch die anderen?"
Apaya Morris Apaya nannte seine Schule "Amalo Modern Primary School", wobei "Amalo" heißt: "Wir sind eins". In Uganda hat er sogar einige Semester lang Pädagogik studiert, bis ihm 2005 das Geld ausging. Und weil inzwischen im Südsudan Frieden war, kehrte er in seine alte Heimat zurück. Auch die anderen 14 Lehrer des Kollegiums sind Rückkehrer aus Uganda, allerdings nur bis zur weiterführenden Schule gekommen. Ohne Bezahlung und nur unterstützt durch gelegentliche Zuwendungen der Bevölkerung kämpfen sie sich durch den schulischen Alltag.
"Wie wir überleben? Das ist schwierig. Die Eltern müssen Gebühren zahlen, aber oft haben sie aber nichts. Was willst Du machen? Wir können es nicht erzwingen. Wir wissen ja, wie schwer es ist, hier an Geld zu kommen. Wir leben von der Unterstützung unserer Familien."
Natürlich sei er enttäuscht, dass es für ihn keinen richtigen Job gebe, für den er bezahlt werde. Trotzdem denkt Baraka Wilson nicht daran, den Unterricht hinzuschmeißen.
"Was uns in diesen Tagen antreibt, ist nicht der Wunsch nach Geld. Wir empfinden viel für unser Land. Deshalb macht es uns nicht viel aus, dass wir für unsere Arbeit nicht bezahlt werden. Worauf es uns ankommt, ist, dass wir unseren jüngeren Brüdern und Schwestern weitergeben, was immer wir anzubieten haben."
Auch Direktor Morris Apaya wird für sein Engagement und seine Arbeit nicht bezahlt. Das ist einerseits bitter, weil er sein Studium in Uganda unbedingt abschließen möchte und deshalb eigentlich sparen muss. Aber obwohl sein Schulprojekt den eigenen Zukunftsplänen zuwiderläuft, will er nicht aufgeben: Solange es keine Regierung gibt, die ihm die Verantwortung für die Bildung wieder abnimmt, bringt er es nicht über sich, die Schülerinnen und Schüler allein zu lassen. Baraka Wilson will auch nicht lange Lehrer bleiben, sondern selbst die Sekundarschule abschließen und dann, wie Morris Apaya, in Uganda studieren. Beide hoffen, dass sie sich bald wieder mehr um ihr eigenes Leben können: dann nämlich, wenn der Südsudan ab dem nächsten Samstag unabhängig ist und ihre Regierung eine richtige Regierung, die dann auch ein Budget vorlegen muss und dann womöglich auch Geld für die Bildung bereitstellt.
"Wir freuen uns so sehr darauf! Und wir hoffen, dass sich danach einiges zum Besseren verändert. Dass wir nicht länger unter diesen Bedingungen weiterleben müssen, wenn wir ein unabhängiges Land sind. Und, dass die Entwicklung unseres Landes dann vorangeht."
Die meisten anderen Klassen sind ebenfalls unter Bäumen versammelt. Nur die Klassen sechs bis acht haben so etwas wie eine Hütte als Klassenraum mit einer Plastikplane als Dach. Unter dieser Plane unterrichtet Baraka Wilson die achte Klasse gerade in Mathe, es geht um das Parallelogramm. Wilson ist 22 Jahre alt, hat während des Krieges als Flüchtling in Uganda einige Klassen einer weiterführenden Schule besucht und sich dadurch zum Lehrer qualifiziert. Er hat sich einige Lehrbücher beschaffen können, aber die Schüler haben natürlich keine. Selbst an Hefte zu kommen ist schwierig.
"Als ich zum Beispiel am letzten Donnerstag in die achte Klasse kam, haben sieben Schüler gesagt ihre Hefte seien voll. Im Lehrerzimmer waren auch keine mehr, da bin ich auf den Markt gegangen und habe von meinem Geld welche gekauft."
Dabei ist das fehlende Material noch nicht einmal Wilsons größtes Problem - sondern der Regen.
"Der setzt uns wirklich zu, vor allem jetzt, in der Regenzeit. Wir schicken die Kinder immer nach Hause, wenn wir sehen, dass gleich der nächste Guss kommt. Noch schlimmer ist es, wenn wir davon überrascht werden. Sie sehen ja, unser Lehrerzimmer hat auch nur einen Lehmboden, der weicht dann auf. Unsere Bücher, Papiere, alles wird nass. Und im Moment regnet es fast jeden Tag."
Ein schwieriger Schulalltag also. Aber immerhin lernen die Kinder wenigstens etwas: Rechnen, Schreiben und Lesen, Grundlagen in Naturwissenschaften, Geschichte. Das ist keine Selbstverständlichkeit in einer Region, die mehr als 20 Jahre Bürgerkrieg hinter sich hat und ein eigener Staat erst noch wird, nämlich am 9. Juli, wenn der Süd- vom Nordsudan offiziell unabhängig wird. Für diese Unabhängigkeit haben die Südsudanesen in zwei Kriegen jahrzehntelang gekämpft. Allein der zweite Krieg dauerte mehr als 20 Jahre, von Anfang der 80er bis Januar 2005. Die Idee mit der Schule hatte Apaya Morris Apaya. Der 31-Jährige war während des langen Bürgerkrieges mit seinen Eltern nach Uganda geflohen.
"Wir hatten das Glück, das wir in Uganda etwas lernen konnten. Als ich 2005 nach Mundri zurückkam, stellte ich fest, dass die meisten Kinder nicht in die Schule gehen. Ich fühlte mich geradezu verpflichtet, hier zu unterrichten. Ich fing also einfach an, und immer mehr Kinder kamen."
Denn ansonsten gab es in der Gegend kaum Schulen. Die amtierende Regierung, die aus der Rebellenarmee SPLA hervorgegangen ist, übernimmt die Geschäfte erst am kommenden Samstag voll, wenn der Südsudan unabhängig und als neuer Staat anerkannt wird. Weil sie aus dem Nichts heraus staatliche Strukturen aufbauen muss, investiert sie sie in das Bildungswesen vorerst kaum Geld. Was den Aufbau von Schulen und Gesundheitszentren angeht, verlässt sie sich auf nationale und internationale Hilfsorganisationen - und Freiwillige wie Apaya Morris Apaya.
"Die politischen Organisationen im Südsudan fordern 'Bildung für alle', und zwar gute Bildung. Aber das werden leere Worte bleiben, wenn in den Klassen 150 oder 200 Schülerinnen und Schüler sitzen. Und das ist bei uns oft die Realität. Also dachte ich mir: Warum gründe ich nicht eine Primarschule und entlaste dadurch die anderen?"
Apaya Morris Apaya nannte seine Schule "Amalo Modern Primary School", wobei "Amalo" heißt: "Wir sind eins". In Uganda hat er sogar einige Semester lang Pädagogik studiert, bis ihm 2005 das Geld ausging. Und weil inzwischen im Südsudan Frieden war, kehrte er in seine alte Heimat zurück. Auch die anderen 14 Lehrer des Kollegiums sind Rückkehrer aus Uganda, allerdings nur bis zur weiterführenden Schule gekommen. Ohne Bezahlung und nur unterstützt durch gelegentliche Zuwendungen der Bevölkerung kämpfen sie sich durch den schulischen Alltag.
"Wie wir überleben? Das ist schwierig. Die Eltern müssen Gebühren zahlen, aber oft haben sie aber nichts. Was willst Du machen? Wir können es nicht erzwingen. Wir wissen ja, wie schwer es ist, hier an Geld zu kommen. Wir leben von der Unterstützung unserer Familien."
Natürlich sei er enttäuscht, dass es für ihn keinen richtigen Job gebe, für den er bezahlt werde. Trotzdem denkt Baraka Wilson nicht daran, den Unterricht hinzuschmeißen.
"Was uns in diesen Tagen antreibt, ist nicht der Wunsch nach Geld. Wir empfinden viel für unser Land. Deshalb macht es uns nicht viel aus, dass wir für unsere Arbeit nicht bezahlt werden. Worauf es uns ankommt, ist, dass wir unseren jüngeren Brüdern und Schwestern weitergeben, was immer wir anzubieten haben."
Auch Direktor Morris Apaya wird für sein Engagement und seine Arbeit nicht bezahlt. Das ist einerseits bitter, weil er sein Studium in Uganda unbedingt abschließen möchte und deshalb eigentlich sparen muss. Aber obwohl sein Schulprojekt den eigenen Zukunftsplänen zuwiderläuft, will er nicht aufgeben: Solange es keine Regierung gibt, die ihm die Verantwortung für die Bildung wieder abnimmt, bringt er es nicht über sich, die Schülerinnen und Schüler allein zu lassen. Baraka Wilson will auch nicht lange Lehrer bleiben, sondern selbst die Sekundarschule abschließen und dann, wie Morris Apaya, in Uganda studieren. Beide hoffen, dass sie sich bald wieder mehr um ihr eigenes Leben können: dann nämlich, wenn der Südsudan ab dem nächsten Samstag unabhängig ist und ihre Regierung eine richtige Regierung, die dann auch ein Budget vorlegen muss und dann womöglich auch Geld für die Bildung bereitstellt.
"Wir freuen uns so sehr darauf! Und wir hoffen, dass sich danach einiges zum Besseren verändert. Dass wir nicht länger unter diesen Bedingungen weiterleben müssen, wenn wir ein unabhängiges Land sind. Und, dass die Entwicklung unseres Landes dann vorangeht."