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Tragfähige Fliegengewichte dank Carbon

Technik. - Vor 150 Jahren ärgerte sich der französische Gärtner Joseph Monier über schwere und überdies durch Wurzeln gesprengte Blumenkübel aus Ton - so erfand er den Stahlbeton. Forscher der Universität Dresden begeben sich auf seine Spuren und bauen sehr leichte und dennoch stabile Objekte bis hin zu Brücken.

Von William Vorsatz | 28.08.2007
    Da steht die Brücke - mitten auf der Wiese des Campusgeländes. Eine Konstruktion aus Textilbeton. Professor Manfred Curbach vom Institut für Massivbau der Technischen Universität Dresden:

    "Das Besondere ist, dass die einzelnen Wanddicken nur drei Zentimeter betragen. Das heißt also, auch die Fläche, auf der man geht, hat eine Dicke von drei Zentimetern, und wäre sogar in der Lage, ein Fahrzeug auszuhalten."

    Und das, obwohl diese Fußgängerbrücke neun Meter lang ist. Sie ist so stabil, weil sich im inneren statt fingerdicker Stahlgitter ein grobmaschiges textiles Netzgewebe befindet. Darauf haben die Wissenschaftler den Beton gespritzt. Das gibt ihm die Festigkeit. Belastungstests in den Labors des Instituts haben gezeigt: Textilbeton kann bis zu neunmal so viel Kraft aushalten wie Stahlbeton. Die Brücke hat etwa erst bei einer Belastung von etwa 40 Tonnen erste Bruchstellen gezeigt. Manfred Curbach demonstriert weitere Stücke aus dem leichten Material. Wellplatten, Fassadenelemente, auf den Fluren stehen sogar Boote:

    "Beim textilbewehrten Beton geht es jetzt nicht darum, dass wir unsere Hemden ausziehen und in den Beton schmeißen, sondern es sind Materialien wie Glas und Karbon, die auf Maschinen, auf Textilmaschinen verarbeitet werden, und das ist zum Beispiel eine Glasfaser, die zu einer festen Struktur jetzt verarbeitet wurde, ein anderes Beispiel ist das hier, da haben Sie Karbonfasern, das sind auch so ganz dünne Filamente, hier sieht man die so am Ende, die Festigkeit von Karbon ist noch höher als die von Glas. Glas ist schon besser als Stahl, und Karbon ist noch mal besser als Glas."

    Mit Blumenkübeln fing vor 150 Jahren alles an. Der Pariser Gärtner Joseph Monier ärgerte sich darüber, dass die üblichen Blumentöpfe aus Ton zu schwer waren und oft zerbrachen. Beton allein war jedoch auch nicht stabil genug. Deshalb hat Monier Stahldrähte genommen und mit dem Beton umgossen. Stahlbeton hat jedoch zwei entscheidende Nachteile. Er ist recht schwer und der Stahl kann rosten, wenn er nicht ausreichend von Beton umschlossen wird. So müssen Stahlbetonteile immer eine bestimmte Mindeststärke haben und sie bringen einiges auf die Waage. Nicht so der Textilbeton:

    "Wir haben jetzt einen Blumenkübel aus textilbewehrtem Beton, der den Vorteil hat, dass er nur noch einen Bruchteil dessen wiegt, wie damals die Betonkübel von dem Herrn Monier. Back to the Roots."

    Die Dresdner experimentieren schon lange mit Textilbeton. Vor zehn Jahren haben sie mit Fensterstürzen begonnen. Der Beton über den Fenstern sollte Wärme isolierend, aber auch dünn genug sein, um Rollladen Platz zu bieten. Das hat damals noch nicht so geklappt. Der Textilbeton ließ sich noch nicht so passgenau gießen. Heute sind die Wissenschaftler weiter. Ihre textilen Gitternetze sind steifer und lassen sich so exakter in die Formen legen, in die dann der Beton gespritzt oder gespachtelt wird. Glasfasern werden mit den Jahren etwas spröde, nach 80 Jahren haben sie ein Fünftel ihrer Haltbarkeit eingebüßt. Karbon dagegen ist absolut beständig. Noch ist es teurer, aber der Preis sinkt beständig. Textilbeton lässt sich breit einsetzen. Für Fassadenelemente beispielsweise, die jetzt nur noch zwei Zentimeter stark sein müssen, wo vorher sechs Zentimeter nötig waren. Oder unter der Erde, bei Abflussrohren in der Kanalisation. Aber der künftige Einsatz erstreckt sich nicht nur auf Neubauten. Alte Gebäude oder Stahlbetonträger lassen sich verstärken, in dem beispielsweise auf der Außenfläche schichtweise wenige Millimeter Beton aufgespachtelt und dort die Textilgitter hereingedrückt werden. Schon ein Zentimeter Textilbeton verdoppelt oft die Tragfähigkeit. Ein angenehmer optischer Nebeneffekt: Textilbeton könnte dem einheitlichen Betongrau ein Ende machen. Der Ingenieur Silvio Weiland:

    "Jetzt mit dem textilbewehrten Beton haben wir auch weniger Beton zum Einsetzen und können auch das entsprechend kostengünstiger einfärben."

    Die Brücke vor dem Institutsgebäude ist jedoch klassisch grau. Trotzdem haben sich schon zwei Ortschaften dafür interessiert. Ein Model steht bereits auf der Landesgartenschau im sächsischen Oschatz, ein zweites wird gerade in Kempten im Allgäu aufgestellt.