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Tragische Figur oder gerissener Gauner?

Fast ein halbes Jahr lang stand Max Strauß, der Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, wegen Steuerhinterziehung vor dem Augsburger Landgericht. Morgen soll das Urteil fallen. Dreieinhalb Jahre Gefängnis fordert die Staatsanwaltschaft, Freispruch die Verteidigung. Max Strauß hat bisher immer geschwiegen, im Gerichtssaal und draußen bei den Journalisten.

Von Arne Wilsdorff und Armin Friz | 14.07.2004
    Zum Plädoyer der Staatsanwaltschaft will sich der 44-jährige ehemalige Rechtsanwalt deshalb auch nicht äußern.

    Donnerstag vor einer Woche: Es ist der letzte Verhandlungstag im Steuerstrafprozess gegen Max Strauß vor dem Augsburger Landgericht, der letzte von 28 langen Tagen im Sitzungssaal 101. Der im vergangenen Jahr psychisch erkrankte ehemalige Rechtsanwalt Strauß wurde während der letzten sechs Monate zusehends gesünder. Trotz der hohen Strafforderung, wegen 900.000 Euro hinterzogener Steuern, kann der korpulente Zwei-Meter-Mann schon wieder lachen. Lässig steht Max Strauß am Nachmittag in der Halle vor dem großen Schwurgerichtssaal, weißes Hemd mit Manschettenknöpfen, dunkelblaues Sakko, graue Hose, die Hände in den Taschen. Mit seinem Verteidiger, einem Reporter des Nachrichtenmagazins Focus und dem Gerichtsreporter der Bild-Zeitung redet er sich in Rage, gestikuliert ausladend und macht wegwerfende Handbewegungen Richtung Gerichtssaal.

    Sein Anwalt, Wolfgang Dingfelder, ein kleingewachsener, drahtiger Mann mit nackenlangen grauen Haaren, gilt als einer der besten Strafverteidiger Münchens. Abgeklärt kritisiert er das geforderte Strafmaß von dreieinhalb Jahren Gefängnis für seinen Mandanten als...

    ...Völlig unangemessen, selbst wenn man mal von der Überzeugung der Staatsanwaltschaft ausgeht, dass er bestraft gehört, ist die beantragte Gesamt-Freiheitsstrafe, a)in Anbetracht der Tatsache, dass er kein Geld erhalten hat, dass die Chose schon so lange zurückliegt, und vor allen Dingen er seit nunmehr acht Jahren einer Hatz ausgesetzt ist, völlig unangemessen. So was würde, wenn so was herauskäme, im Urteil auch nie halten.

    Da sind sie, die Anschuldigungen gegen die Öffentlichkeit, die Medien, die Justiz. Mit unverhältnismäßiger Wucht hätten sie den Rechtsanwalt, CSU-Politiker und Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten ins Visier genommen, und durch dieses Verfahren aus ihm erst einen Prominenten gemacht. Max Strauß habe wegen seiner Herkunft einen Malus erlitten, klagt Dingfelder in seinem Plädoyer. Bereits der Druck im Vorfeld habe ihn depressiv werden lassen. Strauß für jeden Prozesstag aus einer psychiatrischen Klinik in München nach Augsburg zu karren, sei makaber.

    Die äußeren Umstände des Prozesses waren also alles andere als normal. Aber schließlich saß Max Strauß in Augsburg auch irgendwie stellvertretend für seinen 1988 gestorbenen Vater Franz Josef Strauß und dessen Ära auf der Anklagebank. Eine Zeit in den 70er und 80er Jahren, als Strauß senior als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Partei-Chef ganz selbstverständlich die Flugbereitschaft von Messerschmidt-Bölkow-Blohm nutzte und als Aufsichtsrats-Chef von Airbus-Industries jeden Auslandsbesuch mit dem Ziel verband, die europäischen Passagierflugzeuge zu verkaufen.

    Dass Franz Josef Strauß damals selbst Provisionen kassiert haben könnte, gehört zu den Gerüchten, die sich in Bayern hartnäckig halten. Beweise wurden aber bisher weder von investigativen Journalisten noch von der Opposition geliefert. Franz Maget, SPD-Fraktionschef im Bayerischen Landtag:

    Max Strauß ist ein Nachbeben der Ära Franz Josef Strauß, also seines Vaters. Es herrschte damals ein Politikstil, wo vieles im Dunklen passierte, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Beispiele von Herrn Schreiber und anderen zeigen das ja deutlich, was man hinter vorgehaltener Hand auch an privaten Geschäften mit den politischen verbunden hat. Und dafür steht für mich Franz Strauß, für ein System, wo man privaten Vorteil auch aus seiner politischen Position heraus zieht, und da gehört die Familie Strauß in besonderer Weise dazu.

    Auch Wolfgang Dingfelder, der Anwalt von Max Strauß, sieht in diesem größeren Zusammenhang den Grund für das besondere Interesse am Fall Max Strauß:

    Ich weiß nicht, was der Herr Strauß gemacht hat, Herr Strauß senior. Dass er auf jeden Fall für irgendein Phänomen Strauß senior hier büßen muss und hier auf der Anklagebank sitzt, ist für mich vollkommen klar.

    Seinen ältesten Sohn Max nahm Franz Josef Strauß auf viele Reisen mit, etwa in den Nahen Osten. Mit den dabei erworbenen Kontakten diente Strauß junior später dem Waffenlobbyisten Karl-Heinz Schreiber immerhin als Türöffner für Airbusgeschäfte mit Kanada und Thailand. Vor allem darauf fußt die Anklage der Staatsanwaltschaft. Provisionen in Höhe von 2,6 Millionen Euro, soll Max Strauß erhalten, nicht versteuert haben. Deshalb musste er sich seit dem 20. Januar vor dem Augsburger Landgericht verantworten. Die Augsburger Wirtschaftsstrafkammer hatte für den ersten Tag verschärfte Sicherheitskontrollen angeordnet.

    Den Weg vom Haupteingang mit seiner großen Drehtüre zum Schwurgerichtssaal mit Platz für 100 Zuhörer versperrt ein Eisengitter. Alle Besucher werden kontrolliert. Die Polizisten durchsuchen Taschen und Jacken, ihre Metallsonden gleiten über Rücken und Beine.
    Dann betritt der massige Max Strauß das Gericht, begleitet von seinen deutlich kleineren Anwälten. Die Photographen und Kameraleute halten drauf.

    Sein aufgedunsenes Gesicht ist – wie so oft – vom hohen Blutdruck gerötet. Schnell hastet die Gruppe vorbei an den Reportern und bringt sich in einem Nebenraum in Sicherheit. Der einstige Multimillionär und Rechtsanwalt stand schon bei Prozessbeginn vor dem Ruin: beruflich, familiär und gesundheitlich. Seit November verbringt Max Strauß als Patient die Nächte in einer psychiatrischen Universitäts-Klinik in München. Außerdem hat das Finanzamt seine Konten und Immobilien gepfändet. Darunter sogar die Familiengruft im Oberbayerischen Rott am Inn, wo Vater Franz Josef und Mutter Marianne begraben liegen. In München wird Max Strauß in einem zweiten, dem so genannten Wabag-Prozess, wegen Beihilfe zum Anlage-Betrug in fünf Fällen zu 300.000 Euro Strafe verurteilt. Seine Ehefrau hat den gemeinsamen Haushalt verlassen und ist mit den Kindern in eine eigene Wohnung gezogen. Seine Zulassung als Rechtsanwalt hat Max Strauß bereits im letzten Jahr zurückgegeben. Vor allem seine Depressionen und der Klinikaufenthalt bedeuteten für den einst selbstherrlich auftretenden Max Strauß einen enormen Einschnitt. Sein jüngerer Bruder Franz Georg glaubte noch kurz vor Weihnachten 2003, dass er einen Prozess auf keinen Fall durchstehen könnte.

    Ich für meine Person würde sagen, dass er derzeit, allein schon wegen des Medienrummels, der um ihn herum ist und wieder alte Wunden aufreißt, sicherlich nicht prozessfähig ist.

    Am ersten Prozesstag, Dienstag den 20. Januar 2004, wendet sich der Vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister direkt an den Angeklagten. "Über ihre Gesundheit wird öffentlich viel spekuliert, aber vertrauen Sie diesem Gericht", sagt er. Die zehnte Strafkammer werde gegen niemanden verhandeln, der krank ist, verspricht der Richter. Der Gerichtsarzt erklärt Max Strauß für verhandlungsfähig. Im Zeugenstand geht der Mediziner die Medikamentenliste des Angeklagten durch. Demnach leidet Strauß an Depressionen, Bluthochdruck und Brechdurchfall. Während der Verhandlung soll man von letzterem allerdings nichts bemerken, da schweigt der Angeklagte konsequent. An jedem Verhandlungstag wird der Vorsitzende Richter den Angeklagten nach seinem Befinden fragen. Der sagt dann: Nicht so gut, geht schon, so lala oder den Umständen entsprechend. Und jedes Mal wird Richter Hofmeister die entsprechenden Antworten ins Protokoll diktieren. Für den Fall der Fälle, falls sich die Verteidigung doch noch eines Tages beschweren sollte, in Augsburg wurde gegen einen Kranken verhandelt.

    Die Verlesung der Anklage lässt Max Strauß ohne Regung über sich ergehen, manchmal scheint er wegzudämmern. Strauß soll in den Jahren 1988 bis 1993 insgesamt 5,2 Millionen Mark vom Lobbyisten Karlheinz Schreiber für seine Leistungen bei Panzer- und Airbusgeschäften in Saudi Arabien, Kanada und Thailand bekommen haben. Schreiber habe das Geld für Strauß treuhänderisch auf dem Rubrikkonto Maxwell beim Schweizer Bankverein angelegt. Strafbar habe sich Strauß gemacht, indem er das Geld nicht in Deutschland versteuert hat.

    Die Verteidigung macht es kurz, Max Strauß habe bis zur Erhebung der Vorwürfe gegen ihn nie etwas von "Maxwell" gehört. Strauß-Anwalt Wolfgang Dingfelder stellt nochmals fest.
    Dass wir keine Fakten haben, die ein Treuhandverhältnis begründen könnten, keinen Vertrag, keine Verfügungsmöglichkeit, keine tatsächliche Verfügung des Herrn Strauß.

    Am fünften Prozesstag tritt Franz Georg Strauß als Zeuge auf. Der glaubt fest an die Unschuld seines Bruders. In Liechtenstein hatte Franz Georg Strauß auf eigene Faust recherchiert und herausgefunden, dass Karlheinz Schreiber letztendlich die Maxwell-Millionen wieder seinem eigenen Konto einverleibt hat:

    Es geht ja immer in der ganzen Angelegenheit nur darum, wem das Geld zugestanden ist. Und ich will einfach wissen, wer es gekriegt hat, das finde ich hoch spannend. Und ich bedaure es sehr, dass man neun Jahre nicht entsprechende Untersuchungen angestellt hat. Ich will wissen, wer es gekriegt hat, und wer es bekommen hat, der wird es wohl dann auch versteuern müssen.

    Auch die Airbus-Verkäufe seines Vaters Franz Josef Strauß in den 80er Jahren mit Hilfe einer Rehbockjagd kamen zur Sprache.

    Die haben da Rehböcke gejagt, und die haben morgens um fünf dann das Geschäft abgeschlossen, so war mein Vater. Ein anderer hätte da 50 Anwälte beauftragt, und die würden heute noch darauf warten und Airbus wäre pleite. Er hat halt mit dem solange geredet, den überzeugt bis morgens um fünf, bis nach einigen Flaschen Rotwein das Geschäft durch war, so war er.

    Nach der Verhandlung wehrte sich Franz Georg Strauß auch gegen die Darstellung, der Lobbyist Schreiber sei für seinen Bruder Max eine Art Vaterfigur gewesen.

    Wer FJS zum Vater hat, für den ist die Rolle zu 100 Prozent besetzt, mit dem besten Darsteller, da braucht man keinen Vater-Ersatz.

    Für die Staatsanwaltschaft bleiben die Recherchen des Bruders aber unbedeutend. Was tatsächlich mit dem Geld nach 1995 passiert ist, nachdem sich Schreiber selbst bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hatte, sei unerheblich, so der leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz. Deshalb treffe auch Franz Georgs Vorwurf nicht, die Staatsanwaltschaft habe nicht recherchiert, wo die Maxwell-Gelder tatsächlich geblieben seien.

    Es ist neben der Sache dieser Vorwurf, a) spielt er für unseren Tatvorwurf keine Rolle, was mit den Geldern weiter passiert ist, nachdem Herr Schreiber bei der Staatsanwaltschaft Augsburg war und dort Strafanzeige erstattet hatte. Da war klar, dass er für sich alles unternehmen wird und ihm nahe stehende Personen, versteht sich, um weitere Schwierigkeiten zu vermeiden. Denn klar war ihm auch, dass er mit seinem Erscheinen bei uns, für uns eine Schleuse öffnet für unsere Ermittlungen.

    Nach diversen Hausdurchsuchungen und dem Fund des Tischkalenders von Karl-Heinz Schreiber flog das Provisions-System des Rüstungslobbyisten auf. Für den Vorwurf der Steuerhinterziehung sind nur die entscheidenden Jahre 1990 bis 1993 relevant. Und da hätte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Max Strauß auf das Maxwell-Konto jederzeit zugreifen können.

    Am 12. Februar 2004 kommt mit dem ehemaligen CDU-Schatzmeister Walther-Leisler Kiep, im Schreiber-Kalender – so die Ermittlungen - als "Waldherr" geführt, wieder ein prominenter Zeuge.

    CDU-Schatzmeister Kiep hatte diverse Verfahren am Hals, seit er zusammen mit Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch von Karlheinz Schreiber am 26. August 1991 eine Million Mark in bar als Parteispende für die CDU angenommen hat. Ort der Übergabe: das schweizerische Sankt Margarethen im Dreiländereck am Bodensee.

    Ja, er hat mich angerufen und gesagt, er hätte etwas, das er mir geben möchte. Dann sagte ich, ich bin leider hier in der Schweiz und fahre jetzt weg nach Deutschland und dann weiter nach Amerika und bin dann nicht da. Dann sagt er, können Sie das nicht auf dem Rückweg machen. Und da hat es dann stattgefunden.

    Statt filmreif im Koffer auf einem Parkplatz will Kiep die Million von Schreiber jedoch in einem schlichten braunen Umschlag erhalten haben. Von der Höhe der Summe will Kiep ebenfalls nichts geahnt haben. Als Leisler-Kiep schon 1999 all dies gegenüber der Staatsanwaltschaft gesteht, deckt er damit den CDU-Parteispendenskandal auf und löst damit die schwerste Krise der CDU in der Geschichte der Bundesrepublik aus.

    Die erneute Aussage Kieps bedeutet für die Verhandlung vor allem, dass Steuerfahnder und Staatsanwaltschaft die Notizen und Abkürzungen Karl-Heinz Schreibers in dessen Kalender richtig interpretiert haben.

    Bei der Frage, ob Maxwell tatsächlich ein gebräuchlicher Spitzname für Max Strauß war, steht jedoch Aussage gegen Aussage. Etwa wenn der einstige Geschäftsführer der Schreiber-Firma "Bayerische Bitumen Chemie" schwört, dass Schreiber mit "Maxwell" immer Max Strauß meinte. Die Sekretärin aber Karl-Heinz Schreiber stützt, der mit "Maxwell" stets den verstorbenen CSU-Schatzmeister Franz Dannecker gemeint haben will.

    Am 29. März war Dieter Holzer als Zeuge geladen. Der international tätige Geschäftsmann, der in Frankreich wegen der Leuna-Elf-Aquitaine-Bestechungsaffäre verurteilt wurde, gab dem Gericht bereitwillig Auskunft - den Journalisten aber nicht:

    Ich hab die Wahrheit gesagt, damit basta ... lassen Sie mich durch.

    In seiner Aussage nimmt der Lobbyist Holzer seinen Bekannten Max Strauß in Schutz. Ein Kredit für Curt Niklas, den Münchner CSU-Spezl von Max Strauß, sei von ihm über seine Firma "Delta International" gekommen und nicht vom Maxwell-Konto. Zwar habe er Niklas bei Strauß einmal getroffen, und der habe ihn auch um Hilfe gebeten, doch weiter habe Max Strauß mit der Sache nichts zu tun. Für den leitenden Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz ist es jedoch nicht weiter schlimm, dass über den Zeugen Holzer der Zugriff von Max Strauß auf das Maxwell-Konto nicht eindeutig bewiesen werden konnte.

    Sie wäre in unserer Indizienkette ein weiterer Beleg gewesen. Es ist aber nicht so, dass wir auf eine entsprechende Aussage des Herrn Holzer angewiesen gewesen wären. Wenn dem so gewesen wäre, hätten wir natürlich nicht Anklage erhoben und hätte das Gericht auch nicht unsere Anklage zugelassen. Ich muss sagen, nochmals, Herr Holzer hat nichts neues erzählt, wir haben diese Aussage erwartet, sie spielt für unsere Beweiswürdigung, so wie sie gefallen ist, keine Rolle.

    Dem zwielichtigen Geschäftsmann Holzer konnte die Augsburger Staatsanwaltschaft also nicht beikommen. Holzer - der seinen Wohnsitz in Beirut hat, die Hauptfirma in Liechtenstein firmieren lässt, die aber von Monaco aus steuert, und der seine Buchführung in Luxemburg erledigen lässt.

    Für die politische Großwetterlage ist Dieter Holzer dafür um so interessanter, schließlich verbrachte auch Edmund Stoiber einst mehrere Urlaube bei Holzers Familie in Monaco. Und Holzers libanesische Ehefrau ist die Taufpatin der jüngsten Tochter von Max Strauß. Ein Umfeld, das auch dessen Schwester Monika Hohlmeier, Bayerns Kultusministerin und Münchner CSU-Chefin immer wieder einholt.

    Die Gefahr, dass die CSU als Gesamtpartei Schaden nimmt, weil sie in eine Partei-Spenden-Affäre hineingezogen wird, diese Gefahr hat der Prozess allerdings abgewendet, meinen Prozessbeobachter. Denn die Aussage von Karl-Heinz Schreiber, das Schweizer Konto Maxwell sei gar nicht für Max Strauß sondern als Geheim-Fonds für die CSU bestimmt gewesen, konnte in Augsburg nicht erhärtet werden.

    Richter Maximilian Hofmeister hatte eigens alle ehemaligen CSU-Generalsekretäre, Schatzmeister und deren Stellvertreter in den Jahren 1985 bis 1996 als Zeugen vorgeladen. So erklärten etwa Adolf Dinglreiter, Bernd Protzner, Christian Seidl und Gerold Tandler:

    Collage: Zu Schreiber habe ich nie persönlich Kontakt gehabt / zu meiner Zeit ist jedenfalls kein Geld angekommen / ich hätte nicht müssen, nicht sollen aber ich habe nichts gewusst oder weiß nichts / ich habe dem Gericht gesagt was wahr ist, dass ich davon nie etwas gehört habe.

    Keiner hatte je etwas von einem Spendenfonds Maxwell gewusst, auch nicht Ministerpräsident Edmund Stoiber und seine Minister Kurt Faltlhauser, Otto Wiesheu und Erwin Huber, die ebenfalls in Augsburg aussagen mussten. Stoiber bezeichnet die Darstellung Schreibers zweimal wörtlich als "absurd". Kein einziges Kabinettsmitglied stellte sich den Journalisten. Stellvertretend für alle zieht Strauß-Verteidiger Wolfgang Dingfelder Bilanz.

    Es war also für die Katz' von vorneherein, ein schöner, spektakulärer Auftritt prominenter Herren, aber das war's auch.

    Die entscheidenden Zeugen der Anklage sind aber sowieso die Augsburger Steuerfahnder Winfried Kindler und Peter Winkler. Sie haben Schreibers Kalender entziffert und es damit ermöglicht, aus einem Puzzle mit tausend Teilen, das Bild der Anklage zusammenzufügen. Für Staatsanwalt Christoph Wiesner ist damit stimmig, dass Reisebelege, Passeinträge, Faxe, Geldüberweisungen, Terminvereinbarungen und Telefonunterlagen zusammenpassen und Max Strauß als Türöffner bei Flugzeug- und Panzergeschäften für Karl-Heinz Schreiber überführen. Die 2,6 Millionen Euro habe Strauß aufgrund eines genauen Verteilungsschlüssels auf das Konto Maxwell erhalten und somit 900.000 Euro Steuern hinterzogen.

    Strauß habe vorsätzlich, raffiniert und mit hoher krimineller Energie gehandelt, indem er das System Schreibers für sich ausgenutzt habe. Während Staatsanwalt Wießner dafür dreieinhalb Jahre Haft fordert, senkt Max Strauß den Kopf, aber nur um die Strafforderung in sein Handy einzutippen und seinen Geschwistern per SMS zu schicken.

    Strauß-Verteidiger Wolfgang Dingfelder fordert für seinen Mandanten Freispruch, weil er nie von den Geldern gewusst habe und damit auf sie auch nicht hätte zugreifen können. Außerdem sei Strauß eine zutiefst bedauernswerte tragische Figur, die vom prominenten Vater und Hobby-Piloten Franz Josef Strauß nur das gewaltige Flattern gelernt habe, aber nicht das Fliegen, so Dingfelder. Er erwartet im Urteil eine Haftstrafe ganz im Sinne der geforderten dreieinhalb Jahre, kündigt aber bereits Rechtsmittel an.

    Um mal ganz klar zu sagen, die absolute Wahrheit werden wir in einem solchen Prozess, die absolute Wahrheit - nie erfahren. Es werden Legenden aufgebaut, die Staatsanwalt hat ihre Legende aufgebaut, sie hat viele Brücken geschlagen, die allein auf ein Credo, ein Glaubensbekenntnis, aber nicht auf einen Nachweis hinauslaufen. Letztendlich wird die Entscheidung, so meine Prognose, aus dem Bauch heraus fallen. Ob man glaubt, dass er von dem Konto gewusst hat.

    Dass gestern auch noch der flüchtige, ehemalige CSU-Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls in Frankreich gefasst wurde, könnte das Urteil noch einmal verzögern. Pfahls soll für seine Dienste beim Export von 36 Fuchs-Panzern nach Saudi-Arabien von Schreiber zwei Millionen Euro erhalten haben. Alles hängt nun davon ab, ob Richter Maximilian Hofmeister in dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten und Büroleiter von Franz-Josef Strauß einen Zeugen sieht, der Max Strauß noch entscheidend entlasten könnte. Chef-Ankläger Reinhard Nemetz glaubt daran aber nicht.

    Das Gericht wird natürlich entscheiden müssen, ob von dieser Festnahme irgendwelche Weiterungen für den Strauß-Prozess zu erwarten sind oder abzuleiten sind. Ich bin aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit Prozessen aus dem Schreiber-Komplex skeptisch, ob überhaupt etwas beigetragen wird von Dr. Pfahls. Und wenn dem so ist, ob es irgendwie zur Aufhellung der Historie beiträgt.

    Denn schließlich haben die bereits verurteilten Thyssen-Manager Winfried Haastert und Jürgen Maßmann, wie Max Strauß, vor Gericht eisern geschwiegen. Und Richter Hofmeister hat sich eigentlich noch nie von in letzter Sekunde aufgetauchten Zeugen beeindrucken lassen. Realistische Prognosen lauten deshalb: morgen wird Max Strauß wegen Steuerhinterziehung verurteilt.