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Trainer in Deutschland
Aushalten oder Auswandern?

Trainerinnen und Trainer sind die Schlüsselgröße im deutschen Sport. Ohne ihren Einsatz läuft in Deutschland nichts. Doch in Deutschland ist der Trainerberuf kein Traumjob. Kaum Anerkennung, schlechte Bezahlung und wenig Perspektive sind nur drei der Knackpunkte. Offenbar wandern deutsche Trainer deshalb vermehrt ins Ausland ab. Eine Arbeit zu einer Studie über den Trainerberuf hat gerade begonnen.

Von Andrea Schültke | 06.09.2014
    "Standortbedingungen von Trainerinnen und Trainern im Deutschen Sport." Das ist der Titel der neuen Untersuchung. Sie soll feststellen, ob die oft kritisierten Missstände mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Und vor allem, was die Gründe dafür sind. Also: sind die Trainer tatsächlich unterfinanziert, schlecht ausgebildet und haben keine berufliche Perspektive? Und wenn das so ist, warum? Geldgeber: das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium.

    Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im BMI erwartet von der Studie verlässliche Aussagen: "Es reicht nicht, Dinge zu glauben und zu vermuten, sondern zum vernünftigen und verantwortungsvollen Einsatz von Steuermitteln gehört eben, dass man das auch verantwortlich machen kann auf einer ordentlichen Rechtstatsachenbasis."
    Für diese Basis soll nun Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln sorgen. Sein Institut für Sportökonomie und Sportmanagement hat die Ausschreibung gewonnen und untersucht ab sofort: "Weswegen einzelne Trainer im Spitzensport ins Ausland abwandern und wie die Trainer besser gehalten werden können, dass mehr Menschen länger in diesem Beruf bleiben, bessere Perspektiven sehen und gleichzeitig der Trainerberuf in Deutschland für Spitzentrainer aus dem Ausland attraktiver wird."
    Seit der letzten Untersuchung ist viel Zeit vergangen
    Wie die Arbeitsbedingungen von Trainern und Trainerinnen in Deutschland überhaupt aussehen, haben Tübinger Wissenschaftler um Helmut Digel vor acht Jahren untersucht. Auf ihren Erkenntnissen soll die neue Studie laut Ausschreibung aufbauen. "Die damalige Studie der Tübinger Kollegen hat wichtige erste Erkenntnisse geliefert im Hinblick auf die Gehaltssituation, die häufig schwierige Vertragssituation. Nun muss man sagen, sind seit der Datenerhebung zehn und mehr Jahre vergangen, so dass es ohnehin an der Zeit wäre, eine neue Bestandsaufnahme durchzuführen."
    Neue Bestandsaufnahmen - aber was ist mit den Ergebnissen der alten? Laut Helmut Digel, dem Leiter der damaligen Tübinger Studie, ist von seinen Forschungsergebnissen nur wenig in der Praxis angekommen. Nach wie vor sei das größte Problem die Bezahlung. Immer noch gilt für viele Trainer und Trainerinnen offenbar das, was Beate Ludewig, Nachwuchsbundestrainerin Schwimmen, nach der EM in Berlin formuliert hat:
    "Bezahlen mit Bananen"
    "Wir haben Talente ohne Ende, bloß wir bekommen sie nicht hoch, weil wir keine gut ausgebildeten Trainer haben und vor allem, diese Trainer müssen auch noch bezahlt sein. Wenn man mit Bananen bezahlt, kann man nur Affen erwarten. So."
    Das Bundesinnenministerium sieht die Verantwortung für das "Bezahlen mit Bananen" bei den Sportorganisationen. Die würden aus dem Geld vom Bund für eine Trainerstelle mehrere Stellen finanzieren. Ergebnis: weniger Geld für den Einzelnen, kritisiert Gerhard Böhm: "Das ist eine Frage der Verantwortlichkeit des Umgangs mit seinem eigenen Personal und der Verantwortlichkeit des Umgangs mit der Autonomie des Sports. Wenn das nicht funktioniert, sehen wir uns eben gehalten, Gehaltsuntergrenzen einzuziehen um solche Verhältnisse zu verhindern."
    Mindestens 40.000 Euro im Jahr sollen hauptamtliche Trainerinnen und Trainer demnach verdienen. Bisher soll teilweise nur die Hälfte gezahlt worden sein - zu wenig, um eine Familie zu ernähren. Stimmt das wirklich - und wenn ja, was sind die Gründe dafür? Und wie sieht der deutsche Trainer-Arbeitsmarkt im Vergleich mit anderen europäischen Ländern - oder mit den USA, China, Australien oder Russland aus?
    Die letzte Traineroffensive ist versandet
    Das wollen Christoph Breuer und sein Team bis Ende kommenden Jahres erforscht haben. Unter anderem durch Befragung von Trainern, die ins Ausland gegangen sind, oder den Beruf komplett an den Nagel gehängt haben, durch einen Vergleich der Trainerausbildung in Deutschland mit der in anderen Nationen. "Wenn wir da einen genaueren Einblick haben, haben wir sehr gutes Material um die Politik und Verbände zu beraten um Situation der Spitzentrainer verbessern."
    Ob aus der Beratung tatsächlich konkrete Verbesserungen hervorgehen, darf bezweifelt werden. Vor knapp zehn Jahren hat die Sportpolitik eine Traineroffensive ausgerufen. Die sei so gut wie versandet, so die Ansicht von Hockey-Bundestrainer Markus Weise vor anderthalb Jahren im DLF-Sportgespräch: "Da hat man jetzt nicht das Gefühl, dass da eine nachhaltige Kraft entwickelt wird und die Perspektive für die Trainerschaft in Deutschland besser geworden ist."
    Für bessere Perspektiven sorgen. Das ist eines der Themen des Berufsverbandes der Trainerinnen und Trainer im deutschen Sport. Diese Interessenvertretung gibt es seit knapp zwei Jahren. Sie lebt allerdings nur von Mitgliedsbeiträgen und vom ehrenamtlichen Einsatz. Finanzielle Unterstützung aus dem organisierten Sport gibt es nicht und auch kein Mitspracherecht, wenn es um Trainerbelange geht. Auch Interessenvertretungen sollen in der neuen Studie untersucht werden. Dass die Forschungsergebnisse auch in der Praxis umgesetzt werden halten viele für eine Illusion.