Ganz so einfach ist die Sache indes nicht, denn zunächst müssen entsprechende Ausgangszellen eines Gewebes am betroffenen Patienten gewonnen werden, um Abstoßungen zu vermeiden. Gewebe müssen dann aber im Bedarfsfall eigens langwierig produziert werden, eine Vorratshaltung ist nicht möglich. Und auch dieser Vorgang ist einfacher gesagt als getan, denn die Zellen müssen auf eine genaue Passform getrimmt werden. Dazu dient eine Art Weg weisendes Gerüst, um das sich die Ersatzzellen ranken: "Wir streuen menschlichen Ausgangszellen der Patienten in ein Gel aus der ursprünglichen, langen Fadenform von Kollagen-Bindegewebe. Dort reifen die Zellen heran und beginnen, ihre eigene Matrix-Umhüllung zu bilden", so Banes. Auf diese Weise konnte der US-Wissenschaftler bereits künstliche Sehnen von bis zu 3,5 Zentimeter Länge wachsen lassen, doch auch größere Längen seien problemlos herzustellen. Grundvoraussetzung sei allerdings ein angenehmes Ambiente für den Zellnachwuchs, denn die empfindlichen Zellen gedeihen nur unter optimaler Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Zwar bilden die Zellen unter solcher Anleitung tatsächlich eine künstliche Sehne, doch ist sie keineswegs so belastbar wie die von Geburt an geforderten Originale. Daher schicken die Gewebeingenieure das junge Bio-Tau quasi erst einmal ins Trainingslager: "Wenn Sie eine Faust machen, können Sie die angespannten Sehnen unter der Haut sehen. Wir haben nun ein System entwickelt, mit dem wir eine solche mechanische Belastung auf ein künstliches System ausüben und die Zellen wie Athleten trainieren können. Dabei wärmen sich die Zellen auf, ''laufen'' eine Runde und legen dann eine Verschnaufpause ein." Dazu wird die junge Sehne an einer Membran befestigt und ein Vakuum erzeugt. So entsteht wie im Körper ein Zug auf der Sehne, dem sich die Struktur anpasst und so lernt zu widerstehen. Ist die Ersatzsehne schließlich austrainiert und kräftig genug, kann sie in den Patienten transplantiert werden. Zwar haben die Forscher bisher noch keinen menschlichen Patienten mit einer künstlichen Sehne behandelt, doch erste Tierversuche an Hühnern seien bereits vielversprechend verlaufen.
[Quelle: Verena von Keitz]