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Transatlantische Kultur
Frido Mann - Botschafter für das Haus des Großvaters

Im Juni 2018 eröffnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Thomas Mann Haus in Kalifornien als Ort für transatlantische Debattenkultur. Sein Lieblingsenkel Frido Mann taucht als Stipendiat zurück in die Vergangenheit mit dem Großvater und bildet Dialog-Brücken für die Zukunft.

Von Kerstin Zilm | 06.05.2019
Frido Mann führt durch den ersten Stock des frisch renovierten Hauses. Wo jetzt Räume für Stipendiaten sind, haben vor fünfundsiebzig Jahren Thomas und Katja Mann geschlafen, ihre Kinder, und Enkel Frido.
Frido Mann: "Und das war mein Kinderzimmer."
Es ist am Ende des Flurs. Ein Eckzimmer. Auf dem Schreibtisch ein Laptop, Papiere, ein Schoko-Riegel und eine Tasse Tee. Blick über Garten und Pool. Den Pool haben Manns Nachfolger eingebaut. Fridos Tisch war damals auf der anderen Seite des Zimmers.
"Mein damaliger Schreibtisch, der stand hier. Da hab ich immer Comic Strips gezeichnet und so."
Optimismus als Kampfansage
Monate hat er hier verbracht. Mit neun Jahren war er zum letzten Mal im Haus. Jetzt ist er 78 und schreibt in seinem ehemaligen Kinderzimmer einen Vortrag. Er wird ihn im Herbst an US-Universitäten und Bildungsinstituten halten, um Diskussionen anzuregen.
"Zum Thema "Democracy will win". Ein Zitat von Thomas Mann ist das ja auch."
Dass Demokratie gewinnen wird, sagte Thomas Mann schon auf seiner Vortragsreise 1938 durch die USA.
Thomas Mann: "And democracy will win, if it only becomes strong."
Es ist für Frido Mann weniger Ausdruck von Optimismus als eine Kampfansage. Er hat die US-Staatsbürgerschaft und fühlt sich deshalb verantwortlich für den Zustand der US-Demokratie. Er bezeichnet ihn als kritisch auf Grund der Trump-Regierung und will Brücken bilden.
Frido Mann: "Das Wesentliche zur Förderung der Demokratie ist der Dialog. Das heisst, dass Menschen, die sich einander entfremden, die sich nicht kennen, die Vorurteile haben, die sich voneinander abgrenzen, dass die in ein Gespräch miteinander eintreten, um die Welt des anderen verstehen zu lernen, Vorurteile abzubauen, Gemeinsamkeiten zu erkennen, am selben Strang zu ziehen. Nur so funktioniert das Ganze."
Politische Botschaften verpackt in konstruktive Dialoge
Frido Mann selbst sucht schon jetzt den Dialog und spricht bei mehreren Veranstaltungen. Für das Thomas Mann Haus ist er dadurch ein wertvoller Botschafter. Die Institution ist noch nicht sehr bekannt in den USA. Frido Mann will helfen, landesweit Grundlagen für konstruktive Dialoge zu schaffen, sagt der Direktor des Hauses, Nikolai Blaumer.
"Interessant ist, dass mit der Kultur und der Geschichte unseres Hauses oftmals auch Themen angesprochen werden, die gar nicht unmittelbar politisch wirken, aber das sind alles Themen, über die dann auch andere politische Themen und auch kontroverse Punkte angesprochen werden können."
Bei Frido Mann kommen bei der Führung Erinnerungen auf. An Tante Erika, die von ihrer Arbeit als Kriegs-Korrespondentin erzählte.
"Mit der Royal Airforce, wo sie mitflog, als die Angriffe machten gegen die Stukas, Nürnberger Prozesse, alles hat sie mir erzählt. In Warschau, wo man mit dem Jeep nur Schritttempo fahren durfte, weil sonst die Ruinen eingestürzt wären, solche Geschichten."
An das Badezimmer, in dem Großmutter Katja ihn gewaschen hat. An den Durchgang zu Thomas Manns Schlafzimmer, wo der seinen Morgen-Mocca trank. An das Grammophon, auf dem jeden Abend deutsche Musik und europäische Klassik gespielt wurden. An das Arbeitszimmer, in dem der Großvater seine Reden an die Deutschen schrieb.
Thomas Mann: "Deutsche Hörer, dem der heute wieder zu Euch spricht, war es vergönnt, im Lauf seines nun schon langen Lebens für das geistige Ansehen Deutschlands einiges zu tun …"
Einmal im Monat sendete die BBC diese Ansprachen. Thomas Mann forderte darin das deutsche Volk auf, sich dem Nazi-Regime entgegenzustellen.
"Zur Hölle mit ihnen und all ihren Spießgesellen. Dann kann Euch immer noch Rettung, kann Euch Freiheit und Friede werden."
Flügel als Verbindung von Vergangenheit und Zukunft
Es war auch das Zimmer, in dem die Familie an Weihnachten zusammenkam, bevor im Wohnzimmer die Glocke zum Eintreten geläutet wurde. Das Zimmer, in dem der Großvater ihm nachmittags vorlas.
"Das kann man im Tagebuch nachlesen, dass er mir fast alle paar Tage auf dem weissen Sofa, was jetzt im Zürcher Archiv steht, dass er da Märchen vorgelesen hat."
Als Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft schenkt Frido Mann der Bundesregierung den Flügel, der damals im Wohnzimmer stand. Er hofft, dass bald Stipendiaten und Gäste darauf spielen.
"Der hat für mich natürlich schon eine Bedeutung, aber ich spiele auch gar nicht mehr jetzt. Meine Interessen gehen in eine andere Richtung und hier ist er genau richtig aufgehoben."