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Transatlantischer Strafzoll-Disput
Drohungen mit vager Korrektur

Ob wegen angekündigter Gegenmaßnahmen der EU oder innenpolitischen Gegendrucks: Die USA wollen möglicherweise einige Länder von den angekündigten Strafzöllen ausnehmen. Warnungen vor einem Handelskrieg stammen auch aus den Reihen der Republikaner - doch viele der Kritiker verlassen das Weiße Haus.

Von Thilo Kößler | 08.03.2018
    Neue Sprecherin des Weißen Hauses wird Sarah Huckabee Sanders - sie war bisher Stellvertreterin des Sprechers. Hier ein Archivbild vom 18.7.2017.
    Regierungssprecherin Sarah Huckabee Sanders verkündete zwar, die USA wolle am strikten protektionistischen Kurs festhalten - deutete dann aber Ausnahmen an (dpa-Bildfunk / AP / Alex Brandon)
    Nichts als Ärger für den Präsidenten. Eine mutmaßliche Affäre mit einer Pornodarstellerin holt ihn ein. Der personelle Aderlass im Weißen Haus geht weiter. Und die EU-Kommission droht Trump im Handelsstreit mit massiven Gegenreaktionen. Und doch gibt sich Regierungssprecherin Sanders zunächst äußerst entschlossen, am angedrohten protektionistischen Kurs strikt festzuhalten. So oft, wie der Präsident angekündigt habe, gegen unlautere Handelspraktiken vorzugehen, sollte jetzt niemand überrascht sein, wenn er nun Ernst mache, sagte Sarah Huckabee Sanders.
    Um dann eher kryptisch anzudeuten: Ja, Kanada, Mexiko und vielleicht auch noch andere Länder könnten von den angekündigten Strafzöllen ausgenommen werden, wenn es die nationalen Interessen des Landes zuließen.
    Vage angedeutete Korrektur
    Ob sie damit konkret auch die Länder der Europäischen Union meinte, ließ die Regierungssprecherin offen. Die Frage stand jedoch sofort im Raum, ob der in Brüssel angedrohte Katalog an Gegenmaßnahmen möglicherweise Wirkung gezeigt haben könnte, den die EU-Kommission am Mittwoch als denkbare Antwort präsentiert hatte. Oder ob der innenpolitische Gegenwind zu dieser zunächst nur vage angedeuteten Korrektur beigetragen hat. Denn nicht nur Industrieverbände hatten vor den möglichen Folgen der drastischen handelspolitischen Kehrtwende gewarnt, die Donald Trump durchsetzen möchte. Auch im Führungszirkel der republikanischen Partei hatten sich kritische Stimmen geäußert. Der Mehrheitsführer Im Senat, Mitch McConnell, hatte vor einem möglichen internationalen Handelskrieg gewarnt.
    Handelskrieg hätte verheerende Folgen
    Schon zuvor hatte auch der republikanische Speaker im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, eher chirurgische Schritte angemahnt als einen handelspolitischen Hau-den-Lukas mit dem Vorschlaghammer. Das könnte unabsehbare Kollateralschäden zur Folge haben, warnte er.
    Mehr noch: Auch ausgesprochen konservative Wirtschaftswissenschaftler schätzten die Folgen eines Handelskrieges als verheerend ein. Stephen Moore von der republikanernahen Heritage-Foundation etwa stellte klar: In einem Handelskrieg gibt es für niemanden etwas zu gewinnen.
    Damit widersprach Moore im Radiosender National Public Radio direkt dem Präsidenten, der tags zuvor noch erklärt hatte, Handelskriege seien gar nicht so schlecht - sie gingen nicht zu Lasten der USA, sondern nur auf Kosten der anderen, der internationalen Handelspartner nämlich.
    Nicht endender personeller Aderlass im Weißen Haus
    Nicht endender personeller Aderlass im Weißen Haus
    Der Präsident sieht sich indes auch wachsender Kritik ausgesetzt, weil der personelle Aderlass im Weißen Haus so gar nicht enden will. Im Streit um die protektionistische Wende in der Handelspolitik hatte Trumps engster Wirtschaftsberater Gary Cohn am Dienstag seinen Rücktritt erklärt - sehr zum Bedauern führender Republikaner, die in ihm einen der wenigen noch verbliebenen zuverlässigen und berechenbaren sogenannten "Erwachsenen" sahen. Handelspolitisch umgibt sich Trump im Weißen Haus nur noch mit protektionistischen Falken wie Peter Navarro oder Robert Lighthizer. Doch Trump wiegelte ab: Das, was seine Gegner chaotische Zustände nennen, sei vielmehr Ausdruck seines Führungsstils, sich vor einer Entscheidung mit konträren Ansichten auseinanderzusetzen.
    De facto scheint der Präsident aber eher zunehmend Probleme zu haben, geeignetes Personal für hochrangige Posten zu bekommen. Immer lauter wird die Vermutung geäußert, dass es für qualifiziertes Personal kaum noch erstrebenswert sein dürfte, einem derart unberechenbaren und impulsiven Präsidenten zu dienen. Tatsächlich hat seit Trumps Amtsantritt vor 13 Monaten mehr als ein Drittel des ursprünglichen Personals entweder das Weite gesucht oder es ist gefeuert worden.