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Transgene Affen
"Wir verändern sie genetisch, nur um zu forschen"

Ein Buch lesen mitten im lauten Zug - ein gesundes Gehirn kann seine Aufmerksamkeit auf das bündeln, was gerade wichtig ist. Um diese Meisterleistung zu verstehen, wollen amerikanische und chinesische Affenforscher Primaten genetisch manipulieren und somit einzelne Nervenzellen untersuchen. Doch das ist umstritten.

Von Katrin Zöfel |
    Zwei Makaken in den "Gelben Bergen" in China
    In fünf Jahren wollen die Forscher unter anderem transgene Makaken für ihre Zwecke haben. (MAXPPP / dpa)
    Vom Dach pfeift eine Amsel, im Nachbarhaus läuft Musik, Kinder gehen am Fenster vorbei zur Schule. Ein gesundes Gehirn kann all das ausblenden und die Aufmerksamkeit bündeln, auf das, was gerade wichtig ist. John Reynolds forscht am Salk Institute in La Jolla, Kalifornien:
    "Bei Menschen, die an Autismus, Schizophrenie und Alzheimer leiden, klappt das nicht mehr. Um zu klären, was da schiefläuft, müssen wir verstehen, wie unser Gehirn diese Meisterleistung eigentlich hinbekommt."
    Nervenzellen und ihre Funktion
    Er arbeitet mit Weißbüschelaffen und untersucht, wie Gehirn und Augen zusammenarbeiten, wenn sich die Tiere auf etwas konzentrieren. Doch er ist frustriert, denn er stößt dabei an Grenzen: Er kann nicht sehen, welche Nervenzellen dabei welche Funktion übernehmen, und was passiert, wenn bestimmte Neuronen nicht mehr funktionieren. Mit Mäusen wäre das möglich. Es gibt transgene Nager, deren Nervenzellen grün aufleuchten, wenn sie aktiv werden oder sich mit Licht an und ausknipsen lassen. Transgene Primaten, bei denen das ginge, gibt es nicht. Noch nicht. John Reynolds hätte sie gern:
    "Das wirft natürlich ethische Fragen auf: Wir benutzen diese Tiere, wir verändern sie genetisch, nur um zu forschen. Und wir wissen nicht, ob wir wirklich etwas herausfinden. Wir können nichts versprechen."
    Die Institutes of Advanced Technologies liegen in Shenzhen, einer Stadt im Süden Chinas, ganz in der Nähe von Hongkong. Die Region boomt, ein Grund dafür ist die biomedizinische Forschung. Gerade entsteht hier ein neues Forschungsinstitut, das sich allein auf die Arbeit mit Affen stützen wird.
    Ende März brachte ein Workshop auf dem Institutscampus Forscher wie John Reynolds und chinesische Kollegen an einen Tisch.
    "Wir haben uns gefragt, welche technischen Hürden wir überwinden müssen, um diese neuartigen Affen zu machen. Sie würden genauso aussehen, wie ihre Artgenossen. Ihr Hirn würde ganz normal funktionieren."
    Nur manche Zellen in diesen Affengehirnen wären anders: So verändert, dass sie über Licht steuerbar wären, oder ihre Aktivität anzeigen, indem sie selbst leuchten.
    "Die technischen Mittel dafür sind da. Es ist also möglich. Ich denke, wir brauchen vielleicht noch fünf Jahre, dann müssten wir solche Weißbüschelaffen oder Makaken haben."
    Gemeinsamkeit von Menschen und Weißbüschelaffen
    John Reynolds würde als erstes gern sogenannte Interneurone manipulieren wollen. Das sind Zellen, die vermutlich den Takt vorgeben, wenn mehrere Bereiche im Gehirn zusammenarbeiten. Das ist notwendig, wenn es darum geht, einen klaren Gedanken zu fassen, Pläne für die Zukunft zu machen, oder die Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren. Weißbüschelaffen und Menschen haben dabei etwas gemeinsam:
    "Das läuft häufig über Wahrnehmung im Raum. Wir richten unsere Augen auf etwas, und das Gehirn konzentriert sich dann auf das, was wir im Zentrum des Gesichtsfelds sehen. Auch wenn wir denken oder Pläne machen, werden dieselben Hirnareale benutzt, wie beim Schauen auf Objekte im Raum."
    Genau das klappt nicht mehr, wenn ein Mensch an Schizophrenie, Autismus oder Alzheimer erkrankt. Alles stürmt auf sie oder ihn ein, alles scheint gleich wichtig, die Aufmerksamkeit ist zerstreut. Reynolds will verstehen, ob dabei tatsächlich, wie er vermutet, die Interneuronen versagen, und wenn ja, wie man das verhindern könnte.