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Transit-Nostalgie
Unterwegs auf der alten F5

Kaffee, Schnitzel und Kalaschnikows: Über die Transitstrecke F5 erfolgte zu DDR-Zeiten ein großer Teil der Versorgung West-Berlins. Noch heute finden sich auf der ehemaligen Strecke zwischen Berlin und Hamburg zahlreiche Spuren der Vergangenheit.

Von Dieter Bub | 26.06.2016
    Historische Straßenausschilderung über die Fernverkehrsstraße 5 in die Richtungen "Berlin und Kyritz",
    Die alte Transitstrecke nach Berlin glich stellenweise einer Dorfstraße. (picture-alliance/ dpa/ Jens Wolf)
    Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre war ich, wie Hunderttausende immer wieder auf der alten F5 zwischen Hamburg, Berlin und umgekehrt unterwegs. Wir standen nicht selten über eine Stunde an den Kontrollstellen der DDR und zuckelten danach über die holprige Transitstrecke.
    Es dauert, ehe ich Spuren der Vergangenheit finde. Keine Hinweise auf den alten Grenzübergang oder auf die alte Tankstelle. Erst als ich weiter in Richtung Osten unterwegs bin, führt die Schnellstraße zweispurig quer durch den großen Kasernenkomplex der ehemaligen Roten Armee, deren Panzer zuweilen nachts auf der alten Fernstraße unbeleuchtet unterwegs waren. Tagsüber standen Soldaten an der Straße. Wer anhielt und nicht dabei erwischt wurde, konnte bei ihnen billigen Wodka aber auch mal eine Makarow-Pistole oder Kalaschnikow erwerben. Auf der Strecke von 238 Kilometern waren damals Trabis, Wartburgs, Barka – Kleinbusse, russische SIM – Lkws und die Wessi – Autos vom VW-Käfer bis Mercedes auf der Strecke.
    Meine Reise auf der alten F5 beginnt eigentlich erst einspurig ab Lietzow - mit unerwarteter Tücke in Form von Blitzern in kurzer Reihenfolge hintereinander. Sie erinnern mich an die Beutelschneider der DDR, bei denen die Volkspolizisten es vor allem auf die D-Mark Devisen der Wessis abgesehen hatten. Die Brandenburger Nachfolger sind heute technisch perfekter ausgestattet und Meister im Abzocken.
    Ich habe es ohnehin nicht eilig und will entdecken. Zum Beispiel die Geschichte vom Birnbaum:
    Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
    Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
    Und kam die goldene Herbsteszeit,
    Und die Birnen leuchteten weit und breit,
    Da stopfte, wenn’s Mittag vom Thurme scholl,
    Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
    Und kam in Pantinen ein Junge daher,
    So rief er: "Junge, wist’ ne Beer?"
    Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
    Kumm man röwer, ick hebb’ ne Birn."
    Die Kirche in Ribbeck im Havelland. Hier stand der berühmte Birnenbaum, den Theodor Fontane in seinem Gedicht verewigt hat.
    Die Kirche in Ribbeck im Havelland. Hier stand der berühmte Birnenbaum, den Theodor Fontane in seinem Gedicht verewigt hat. (picture-alliance/ ZB /Michael Hanschke)
    Ribbeck: kurz nach dem Theodor-Café geht es rechts zum Schloss derer von Ribbeck, prachtvoll in ockerfarbenem Ton, wie auch die Dorfkirche daneben. Im Schloss werden Konzerte der Havelländischen Musiktage und ein eigenes Musikprogramm mit Kulinarik veranstaltet. Friedrich von Ribbeck, der Nachfahre des alten Adelsgeschlechts lebt im ehemaligen Kutscherhaus. Er ist nach der Einheit und einem Berufsleben als erfolgreicher Manager zurückgekehrt. Er weiß, was der Ort und das Schloss dem märkischen Dichter zu verdanken hat.
    "Wir müssten also froh sein und könnten Herrn Theodor Fontane heute noch die Füße küssen, dass er dieses Gedicht so geschrieben hat, wie er es geschrieben hat, denn sonst würde sich kein Mensch nach uns umdrehen. Aber heute ist es nun mal so, dass wir Gegenstand eigentlich des schönsten deutschen Gedichts geworden sind und das genießen wir und müssen uns ja auch danach verhalten. Naja, es gibt ja in diesem Gedicht den Guten und den Geizigen und da können wir uns überlegen, wo wir uns einnorden. Aber ich finde, dass man in vertretbarem Maße durchaus gutherzig und freigebig sein kann."
    Friedrich von Ribbeck erinnert sich sehr gut daran, wie sein Leben von einem zu anderen Tag eine unerwartete Wende nahm.
    "Und dann war es plötzlich soweit. Ich sitze in Frankfurt auf dem Sofa und dann sagen sie die Mauer ist gefallen und dann hab ich meine Stiefelspitzen direkt nach Nordosten gerichtet und hab gesagt 'go east' und das wars dann."
    Zu DDR Zeiten ein Altersheim befand sich das Schloss in einem desolaten Zustand. Die Ribbecks kehrten 1998 in die Heimat ihrer Vorfahren zurück. Das Schloss wurde für sechs Millionen Euro restauriert.
    Mit Puhdys übers Land
    Mit siebzig bis neunzig, in den Orten fünfzig auf neuer Fahrbahn unterwegs zu sein ist angenehm. Dazu Musik von den Puhdys, er DDR-Kultband, die in diesem Jahr, wie die Stones, wieder einmal auf Abschiedstournee unterwegs sind.
    Ein Stück weiter, ein Abstecher von Bückwitz auf der Landstraße 102 geht es nach Kampehl zu einer, wie es heißt, Kulturscheune mit DDR-Nostalgie. Vor Gustavs Speise- und Bierstube Hinweise auf Ampelmännchen und eine alte Speisekarte. Damals wurde das Vollbier für 43 Pfennig, das Kotelett mit Bratkartoffeln für 2,10 Mark der DDR angeboten.
    Ich verzichte auf die Nostalgie. Stattdessen interessiert mich die mittelalterliche Backsteinkirche. Draußen wird auf einem verwitterten Grabstein an den Prediger Johann Christian Schnee aus Spandow erinnert.
    Doch daneben heißt es:
    "Halt, besichtigt Ritter Kahlebutz. Das biologische Rätsel. Über 300 Jahre alt und bis heute wissenschaftlich ungelöst."
    Vier Stufen geht es in die Gruft zu diesem Kahlbutz der Jahrhunderte überdauert hat. Bärbel Jäger, eine der Gralshüterinnen, kennt seine Geschichte:
    "Besonders an unserem Kahlbutz ist, das er ein biologisches Rätsel, das er hier schon seit über 300 Jahren liegt, das aber die Wissenschaftler nicht sagen können, warum er mumifiziert ist. Man hat ihn nach 100 Jahren als man die Gruft hier abreißen wollte und die Kirche in den Originalzustand versetzen, weil die Kahlbutzfamilie, das Schloss und das Gut verkauft haben, hat man ihn gefunden, durch Zufall.
    Hier standen drei Särge, die sollten beerdigt werden und als man sie öffnete, fand man zwei Tote verwest und in dem dritten lag diese Mumie. Das war 1784."
    Der böse oder der gute Ritter liegt noch in seinem Originalsarg. Er ist nicht wie die ägyptischen Pharaonen oder Lenin und Stalin einst auf dem Roten Platz in Moskau mumifiziert. Er hat unversehrt die Jahrhunderte überstanden – selbst die Organe sind, wenn auch geschrumpft, noch vorhanden. Den berühmten Ärzten der Charité, Rudolf Virchow 1895, danach Sauerbruch gab er sein Geheimnis nicht preis und auch eine CT – also Computer- Untersuchung blieb ohne Ergebnis.
    Zurück auf die F5: auf der Strecke Hinweise auf ein Truckertreffen in Friesack, auf einen japanischen Garten in Dreetz und links und rechts der Straße Windparks. In Kyritz wurde in der Vergangenheit Energie durch Windmühlen erzeugt, die einen solchen Lärm erzeugten, dass der Ort schließlich als Kyritz an der Knatter bekannt wurde. Die kleine Stadt lohnt den Besuch biegt man rechts zu den Seen ab. Hier bieten sich Möglichkeiten zu Paddeltouren und Bootsrundfahrten. Ich erinnere mich vor vielen Jahren an vorzüglichen Fisch im Haus eines Anglervereins direkt am Wasser.
    Auch mein nächstes Ziel liegt abseits der alten F5. Über historisches Kopfsteinpflaster in Wittstock erreiche ich die alte Burganlage der einstigen Bischöfe von Havelberg, heute ein Schulhof und das Museum des Dreißigjährigen Krieges. Über sieben Ebenen Geschichte modern gestaltet, präsentiert von Antje Zeiger, die mich aus dem multimedialen Zeitalter mit dem Mechanismus einer Einzeigeruhr in die frühe Neuzeit zurückführt.
    "Mit dem letzten Schlag sind wir praktisch in das Jahr 1618 versetzt zum Prager Fenstersturz, der allgemein als das auslösende Ereignis für den Dreißigjährigen Krieg gilt. Am 24. September, beziehungsweise 4. Oktober 1636 stand ein Bündnis aus kaiserlichen und sächsischen Truppen der schwedischen Armee hier gegenüber. Es war eine überaus blutige Schlacht. Man geht davon aus, dass auf jeder Seite ungefähr 20.000 Soldaten gekämpft haben."
    Schlachtenlärm in Wittstock. Das große Spektakel wurde zum letzten Mal 2011 zum 375. Jahrestag nachgestellt. Das Moderne an der alten Burganlage ist Anziehungspunkt auch vieler Besucher aus Schweden, schließlich haben ihre Vorfahren damals gesiegt. Das Spektakel wird 2017 wiederholt.
    "Durch eine unglaublich halsbrecherische Taktik der schwedischen Armee hat die schwedische Armee gesiegt aber es hat nicht viel gefehlt und sie hätten mit einer horrenden Niederlage rechnen müssen wie in Nördlingen zwei Jahre zuvor. Der Sieg der Schweden hatte vor allem die Folge, dass sich damals der Dreißigjährige Krieg um 12 Jahre verlängert hat, denn eigentlich sah es nach Friedensverhandlungen aus."
    Leipzig (Sachsen): Die ostdeutsche Rockband "Die Puhdys" am 04.09.1997 nach einer Tigertaufe im Leipziger Zoo. Die Altrocker Dieter Hertrampf, Dieter Birr, Peter Meyer, Harry Jeske und Klaus Scharfschwerdt (v.l.n.r.) treten letztmalig in dieser Formation am 14. September 1997 in Dresden und am 3. Oktober 1997 in Rostock, derHeimat von Harry Jeske, auf. Der dann 60jährige Bassist und Mitbegründer der Band Harry Jeske will aus gesundheitlichen Gründen nach 28 Jahren aussteigen.
    Die Phudys im Jahr 1997: Dieter Hertrampf, Dieter Birr, Peter Meyer, Harry Jeske und Klaus Scharfschwerdt (v.l.n.r.) (picture alliance / dpa)
    Zurück in die Siebzigerjahre. "Wenn ein Mensch lebt" – einer der Hits der Puhdys aus der DDR. In der DDR, in Ostberlin am Käthe-Kollwitz-Platz, dem Zentrum des Prenzlauer Bergs war Josefine Edle von Krekel zu Hause. Sie unterhielt die erste Boutique im Osten Deutschlands, ein ungewöhnliches Geschäft für historische Kleidung und Mode aus der Zeit zwischen 1900 und 1970, aus dem Kaiserreich, dem Berlin der wilden Zwanzigerjahre bis in die Nachkriegszeit. Sie hatte schon damals den Traum von einem eigenen Modemuseum, den sie sich nach der Einheit auf Schloss Meyenburg erfüllen konnte. Die Sammlung mit einer Fülle von tausenden Objekten, allein 1.500 Kleidern, ist ein bunter Mix von extravaganten Schuhen, Hüten, Schmuck, Taschen, Schirmen und Accessoires – ein amüsanter Spaziergang - und für mich Erinnerung. In den Siebzigerjahren habe ich bei Josefine von Krekel eine Haube für eine Hochzeit erworben.
    Zu Gast im Klosterstift Heiligengrabe
    Mittagsgeläut im Klosterstift Heiligengrabe, dem einzigen Kloster der Zisterzienserinnen im Norden, das 1287 gegründet worden ist. Eine Idylle abseits der Gemeinde, architektonisch mit einem Ensemble aus Klausur, Klosterkirche, Blutskapelle, Kreuzgang und Kreuzgarten beeindruckend. Hier finden Ruhesuchende Entspannung, Andacht und Einkehr.
    In seiner großen Zeit um 1500 verfügte das Gut über 65.000 Morgen Land, die 70 Zisterzienserinnen und über 100 Beschäftigte ernährten. Nach 1945 wurde das Kloster zu einem Pflegeheim für Waisenkinder, Behinderte und ältere Schwestern des Ordens. Mit der Einheit ein Neuanfang. 1996 wurde wieder ein Konvent gegründet, mit dem das Kloster zu einem religiösen und kulturellen Zentrum geworden ist. Dazu gehören Seminare in Yoga, Qi Gong, Tanz, Malerei, eine Schreibwerkstatt und die Einführung in alternative Ernährung und Brotbacken, Vorträge und Konzerte.
    Im Zentrum die Andachten für Besucher. Zur Geschichte der Zisterzienserinnen gehört gregorianische Musik. Zum Angebot in Heiligengrabe gehören günstige Übernachtungen für Einzelreisende und Gruppen direkt in der Klosteranlage, komfortabel im Klosterhof nebenan.
    Wieder auf der F5 und erreiche Glövzin, ein unscheinbares Kaff mit einer bemerkenswerten Adresse: Der Kuhstall, ein Bauernhof der besonderen Art. Die Gebrüder Dietmar und Dagobert Dahse haben aus der Landwirtschaft ihrer Vorfahren ein Landhotel und Gasthaus zum Futtern, Feiern und Übernachten gemacht mit Restaurant, Kaminzimmer, Scheune und Wirtshaussaal, in dem sie bis zu 250 Gäste bewirten können. Dazu eine Kegelbahn und gelegentlich Folklore. Der heute 57-jährige Dietmar Dahse kann sich an die alte F5 noch gut erinnern, die Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut wurde. Als Transitstrecke wurde sie zum großen Schaufenster in den Westen.
    "Wir sahen eben Pkws, wir sahen Lkws mit der entsprechenden Werbung drauf, besonders ist mir noch Sartotti – Mohr in Erinnerung mit dieser tollen Werbung. Wir kannten schon die Typen der Autos. Ich bin hier in Glövzin eingeschult worden und der Schulhof war parallel der B5, der F5 damals und wir machten uns als Kinder natürlich einen Spaß daraus und zählten und vorher wurde ausgemacht, wer welche Type hat und dann zählten wir die Autos; einer hatte Mercedes, einer BMW, der dritte Opel usw. und wer dann in einer bestimmten Zeit die meisten Autos gezählt hatte, der war eben Sieger in der Sache."
    Kaffee, Schnitzel und Soljanka im Konsum
    In Quitzow konnten die Reisenden im Konsum, der Transitgaststätte, beobachtet von der Staatssicherheit, bei Kaffee, Soljanka und Schnitzel mit Sättigungsbeilagen entspannen. Im Intershop wurden Westwaren preiswert für D-Mark angeboten. Die Kinder aus Glövzin bekamen von den LKW – Fahrern Süßigkeiten und heimlich auch Zeitungen zugesteckt. Das größte Geschenk bekam Familie Dahse durch Zufall:
    "Unser schönster Unfall war als hier direkt genau vor unserem Haus ein LKW mit Kaffee umkippte. Die ersten Dosen rollten hier auf diese Auffahrt rauf. Der Rest hing in der Plane. Der LKW – Fahrer stieg aus, nahm sein Taschenmesser schnitt die Plane auf, sagte, Leute, ihr braucht nicht die kaputten Dosen nehmen, nehmt die aus dem LKW meins ist es ja auch nicht und dann haben wir die Kartons nach Hause getragen und hatten über Jahre Westkaffee zu trinken."
    So wie bei einem anderen Unfall Richtung Berlin bei Nauen, von dem ich 1981 erfuhr. Ein Viehtransporter war umgekippt. Die Schweine stürzten davon – und wurden nach einer wilden Hatz von Volkspolizei und der Dorfbevölkerung erlegt. In Berge landete ein Lastzug mit frisch geschlachteten Hühnern im Graben, bei Kunow war es ein Lkw mit Südfrüchten. Im Winter und bei Nebel wurde die Route F5 zur Risiko-Tour. Heilfroh war, wer die 238 Kilometer überstanden hatte.
    Bei meinen Fahrten zwischen Hamburg und Berlin gab es kurz hinter Glövzin auf einer Hauswand an einem Bahnübergang in großen Buchstaben einen Spruch, an den sich viele erinnern und der auch mir unvergesslich ist: "Hier arbeitet ein ausgezeichnetes Schrankenwärter-Kollektiv". Meist blieb genügend Zeit sich diese Worte immer wieder einzuprägen:
    "Da ist dieser berühmte Bahnübergang, der mehr geschlossen war als er offen war. Die Prignitz kennt man weniger, den Bahnübergang kennen alle. Man hat ja unter Umständen dort, bis eine Stunde, zwei Stunden zugebracht. Ich kann mich erinnern, in der Osterzeit war die Schlange vor Karstadt bis nach Perleberg. Das sind zwölf Kilometer haben die Leute angestanden um über diesen Bahnübergang rüber zukommen."
    Die ehemalige Transitgaststätte in Quitzow gibt es bis heute ohne Intershop, aber mit gutem Restaurant und Hotel.
    Vorbereitungen für die Eröffnung von Schloss Ludwigslust im Jahr 1776. Ausschnitt aus einer akustischen Collage für einen Prachtbau mit großem Garten, das gerne als das "Kleine Versailles des Nordens" bezeichnet wurde – eine, wie der heutige Herr des Hauses Peter Krohn meint, doch eher ein regionaler Bezug.
    "Naja man hat sicher im 18. Jahrhundert, Friedrich von Mecklenburg-Schwerin hier, der Residierender hat sicher mit einem Auge nach Versailles geguckt, was sicher das große Vorbild jedes Landesfürsten war, mit dem anderen Auge auch zu seinem Namensvetter Friedrich dem Großen, der dann ja Potsdam – Sanssouci, das Neuseeländische Palais und sofort bauen lässt."
    Das Bauwerk aus den Jahrhunderten der Fürsten und Junker wurde zu DDR-Zeiten für den Aufbau des real-existierenden Sozialismus genutzt.
    "Hier war die Kreisverwaltung drin, die erst 1991 wieder ausgezogen. Es waren also alles Büroräume und wir als Museum sind 1986 hier eingezogen und haben mit dreiviertel Räumen versucht, so ein kleines feudal-historisches Museum aufzubauen."
    Zwischen 2011 bis 2015 sind 18 Räume im Ostflügel restauriert und in diesem Frühjahr eröffnet worden. So wird heute ein Rundgang durch alte Repräsentations- und Privatgemächer und die große Galerie angeboten. Im Zentrum ist der Goldene Saal mit 170 Sitzplätzen für Konzerte, Festspiele und das Barockfest im und um das Schloss. 2020 soll dann auch der Ostflügel eröffnet werden. Schon heute geöffnet das Café und Restaurant im Schloss und Gaststätten entlang der gepflegten Schlossstraße.
    Am Ende der alten Transitstrecke liegt Boizenburg
    Weiter in Richtung Hamburg eine erholsame entspannte Fahrt. Alleen wechseln mit Waldpartien, wenig Verkehr. Die ersten Hinweise auf ein Reitturnier in Redefin. Der Name ist mir seit Langem vertraut. Die Pferde aus dem Gestüt waren bereits zu DDR-Zeiten im Westen begehrt, preiswert und erstklassig. An der Qualität hat sich bis heute nichts geändert, wohl aber an der Anziehungskraft der Anlagen, deren Sanierung mit dem Reithallenportal im vergangenen Jahr beendet wurde. Am Ende des Ortes biege ich links ab, fahre durch eine alte Allee, auf der rechten Seite wird ein junges Pferd an ein Sulky gewöhnt. Besucher sind auf dem Gestüt, das 1812 gegründet wurde, jederzeit willkommen. Höhepunkte des Jahres sind Reitturniere und die Hengstparaden im Herbst mit tausenden Besuchern.
    Am Ende der alten Transitstrecke liegt Boizenburg. Auf der Einfahrtstraße erkenne ich links die alten Garagen für den Fuhrpark von Volkspolizei und Staatssicherheit und modernisierte Plattenbauten aus DDR-Zeiten. Unten auf der Elbe kontrollierten früher die Schnellboote der NVA, oben erreiche ich den einstigen KP4. Hier, in Richtung Lauenburg befindet sich der "Checkpoint Harry" mit dem Hinweis auf Partyservice und ein Restaurant. Ein Schild "Halt hier Zonengrenze". Hinter dem Tresen Harald Strehlow, der seit 1990, hier an die Vergangenheit erinnert.
    "Das war ein Kontrollgebäude der Deutschen Volkspolizei. Hier war die Vorkontrolle. Hier hat das Sperrgebiet begonnen und hier war direkt 24 Stunden am Tag die Polizei drin. Als ich das Gebäude übernommen habe, habe wir hier eine Arrestzelle gehabt, ne kleine Waffenkammer, Gitter vor die Fenster, der Wachturm ist noch da."
    Souvenirs sind eine Puppe mit einer Vopo-Uniform und Dienstfotos, die von Volkspolizisten heimlich aufgenommen worden sind. Strehlow erzählt, "dass hier das Sperrgebiet begonnen hat und eigentlich für den normalen Sterblichen DDR-Bürger hier oben Schluss war. Es durften nur noch Leute rein, die dort gewohnt hatten, die hatten einen Stempel im Ausweis gehabt. Ansonsten war da Transitstrecke und der kommerzielle Warenverkehr. Einreise, Ausreise. Der eigentliche Grenzübergang. Wäre Zollamt Horst gewesen vor Lauenburg. Der ist von hier aus etwas weiter entfernt, weil wir von hier aus parallel zur Elbe den Grenzverlauf hatten."
    Der Mann vom Checkpoint Harry ist zufrieden. Ehemalige Kraftfahrer schauen bei ihm rein und Touristen, die von hier aus auf dem Elbe-Radweg in Richtung Dresden unterwegs sind. Zur Stärkung gibt es Soljanka, Bocky, schmackhafte Currywurst und Pommes. Von Boizenburg aus geht es weiter über Lauenburg und Geesthacht nach Hamburg.
    Meine Tour auf der alten Transitstrecke endet hier an der alten innerdeutschen Grenze. Ich übernachte an der Elbe und kehre am nächsten Tag zurück. Für die Rückreise habe ich mich für einen Song der DDR-Band Karat entschieden: "Über sieben Brücken musst die gehen" – im Westen erfolgreich von Peter Maffay gecovert – ein Lied das längst eine besondere Bedeutung hat – nachdem die einst gesperrten Brücken zwischen Ost und West überwunden oder neu gebaut worden sind.

    Anm. d. Red.: Aus diesem Beitrag haben wir eine irreführende Illustration entfernt, auf der die Gemeinde Boitzenburger Land in Brandenburg zu sehen ist. Die im Beitrag vorgestellte Transitstrecke führt aber durch den Ort Boizenburg (ohne "t") in Mecklenburg-Vorpommern, dessen zunächst falsche Schreibweise im Manuskript wurde ebenfalls korrigiert.