Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Transparenz bei Rüstungsexporten
Wenn "Leo" nach Saudi-Arabien soll

Im Juli 2011 kommt es im Bundestag zu einer Posse: Staatssekretär Otto verweigert die Aussage zu einer möglichen Panzer-Lieferung nach Saudi-Arabien. Der Grünen-Politiker Ströbele zieht daraufhin vor das Bundesverfassungsgericht. Jetzt sollen die Richter über mehr Transparenz bei Rüstungsexporten verhandeln.

Von Klaus Remme | 10.04.2014
    Einige Menschen protestieren am 26.02.2014 vor dem Reichstag in Berlin mit Transparenten in Form eines Panzers und einem Plakat mit der Aufschrift "Merkel: den Leo an die Kette" bei einer Kundgebung gegen die deutschen Rüstungsexporte.
    Demonstranten fordern bei einer Kundgebung in Berlin, Exporte des Panzers "Leopard" nach Saudi-Arabien zu stoppen. (dpa picture alliance / Daniel Naupold)
    Gut Hundert Friedensaktivisten demonstrierten unlängst vor dem Reichstag, sie hatten mehr als 95.000 Unterschriften für ein umfassendes Rüstungsexportverbot gesammelt. "Legt den Leo an die Kette", mit diesem Slogan wehrt sich die Aktion Aufschrei gegen deutsche Panzerexporte:
    "So und jetzt: Christian Ströbele, darf ich dich einladen, ein Grußwort an uns zu richten."
    Der grüne Bundestagsabgeordnete zögert nicht lang. Er prangert deutsche Panzerlieferungen an und wirft der Bundesregierung vor, entsprechende Pläne für Saudi-Arabien geheimhalten zu wollen:
    "Das können wir nicht hinnehmen, da müssen wir alles dagegen tun. Die Bevölkerung muss wissen, der Bundestag muss eingreifen können, wenn solche gefährliche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien stattfinden müssen."
    Exportgenehmigungen werden geheim beschlossen
    Ströbele sieht seine Rechte und Pflichten, als Abgeordneter die Regierung zu kontrollieren, durch die geltende Rüstungsexportpraxis verletzt. Tatsache ist: Exportgenehmigungen werden im geheim tagenden Bundessicherheitsrat erteilt; ein Ausschuss, in dem neben der Bundeskanzlerin noch sieben weitere Minister sitzen. Wollen Parlamentarier etwas über diese Entscheidungen wissen, beißen sie in der Regel auf Granit. So auch im Bundestag am 6. Juli 2011:
    "Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5, Fragestunden..."
    Die dann folgenden zwei Stunden gerieten zur Posse. In den Medien wurde intensiv über eine mögliche Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien berichtet. Im Parlament sagte Staatssekretär Hans Joachim Otto ein ums andere Mal:
    "Sie sprechen immer von einer Entscheidung, ich kann nur sagen, von einer angeblichen Entscheidung, ich kann das weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."
    Vor allem Oppositionspolitiker wie Ströbele zeigten sich genervt, Otto gab mit gleicher Münze zurück:
    "Herr Staatssekretär, ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über dieses Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich sondern verfassungswidrig. // Herr Kollege Ströbele, der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Niemand von ihnen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn sie in meiner Situation wären, niemand!"
    Ströbele geht nach Karlsruhe
    Hans-Christian Ströbele zog daraufhin vors Bundesverfassungsgericht. Die Richter werden sich in der kommenden Woche mit dem Dissens beschäftigen. Schon in den Koalitionsverhandlungen hat die SPD versucht, größere Transparenz durchzusetzen. Jetzt, wenige Tage vor der Verhandlung in Karlsruhe, kommt Bewegung in die Sache. Rolf Mützenich, stellvertretender Fraktionschef der SPD:
    "Ich bin ganz froh, dass wir innerhalb der Koalition relativ schnell etwas umgesetzt haben, wo ja einige nicht erwartet haben, dass sich die Union darauf einlassen wird."
    Der jährliche Rüstungsexportbericht soll nun früher veröffentlicht und durch einen Zwischenbericht für die ersten sechs Monate eines laufenden Jahres ergänzt werden. Über abschließende Genehmigungen soll nun unverzüglich - spätestens zwei Wochen nach Tagung des Bundessicherheitsrats - über die Art des Exportguts, die Anzahl der genehmigten Güter und das Empfängerland informiert werden. Für den Sozialdemokraten Mützenich ist das Ziel klar. Man habe sich gegenseitig versprochen:
    "...die Rüstungsexportrichtlinien sehr eng auszulegen und insbesondere auch zu einer Verhaltensänderung zu kommen, jetzt führt mehr Transparenz hoffentlich auch zu einer Einschränkung der Rüstungsexporte generell, das wird sich nicht am Anfang zeigen, sondern im Laufe der Legislaturperiode."
    In der Koalition herrschen gegensätzliche Meinungen
    Da ist koalitionsinterner Streit programmiert. Die aktuellen Leitlinien für Rüstungsexporte stammen aus dem Jahr 2000, sie wurden in rot-grüner Regierungsverantwortung formuliert, haben aber schon bisher Lieferungen in Krisenregionen und an Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen offenkundig sind, nicht verhindert. Zwar trägt die Union jetzt das beschriebene neue Verfahren mit, doch in der Zielsetzung ist der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU, Joachim Pfeiffer, geradezu gegensätzlicher Meinung. Wenn Deutschland global gesehen Platz drei oder vier der rüstungsexportierenden Länder einnimmt, sagt Pfeiffer:
    "Wenn wir Kriterien haben und die Kriterien werden erfüllt, dann hab ich überhaupt kein Problem damit, wenn wir exportieren, ganz im Gegenteil, dann sollten wir eigentlich anstreben noch viel mehr zu exportieren. Dann wäre ich eigentlich froh, wenn wir den Spitzenplatz einnehmen würden, aber wenn wir die USA sehen und Russland, dann sind wir weit davon entfernt."
    Mehr Transparenz? Die Opposition schüttelt den Kopf. Für den außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Jan van Aken, ist das alles viel, viel zu wenig:
    "Es ist eigentlich erbärmlich, was die Große Koalition jetzt vorgelegt hat, überhaupt gar keine Veränderung bei der Kontrolle der Waffenexporte selbst. Die einzige Veränderung betrifft die Transparenz, und auch das ist hauchdünn, das allermeiste bleibt ein bis eineinhalb Jahre im Dunkeln."
    Beschlüsse der Staatssekretäre sollen transparenter werden
    Die SPD widerspricht, denn nicht nur die Entscheidungen im Bundessicherheitsrat auch die zahlreichen Beschlüsse auf Ebene der Staatssekretäre sollen nun öffentlich gemacht werden.
    In der Tat wird aber vieles gleichzeitig weiterhin verschwiegen: Der Name des exportierenden Unternehmens zum Beispiel oder der Wert des Auftrags und auch alles, was den Bundessicherheitsrat an Voranfragen im frühen Stadium eines Rüstungsdeals erreicht. Auch deshalb hat sich die Klage in Karlsruhe durch die Initiative der Koalition nicht erledigt. Im Gegenteil, Jan van Aken sagt, sie ist dringlicher denn je, als zuständiger Wirtschaftsminister rede Sigmar Gabriel zwar viel über "mehr Transparenz", tatsächlich erfahre er als Abgeordneter jedoch seit Jahresbeginn weit weniger als noch unter Gabriels Vorgänger im Amt, Philipp Rösler. Die Befugnisse des Parlaments und die Legitimität des Bundessicherheitsrats, beides kommt in der nächsten Woche in Karlsruhe auf den Prüfstand.