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Transport verzögert sich

Raumfahrt. - Vor einem Jahr war die amerikanische Raumfähre Columbia bei ihrem Landeanflug über Texas verglüht. Alle sieben Astronauten kamen ums Leben. Seitdem hat kein Space Shuttle das Kennedy Space Center mehr verlassen: Die übrigen drei Fähren erhielten Startverbot und werden auf Schwachstellen untersucht. Der Aufbau der Internationalen Raumstation ISS gerät somit ins stocken. Gestern nun hat sich die US-Raumfahrtbehörde NASA noch mehr Zeit gegeben: Nicht im Herbst, sondern erst im Frühjahr 2005 soll der nächste Start erfolgen.

Von Guido Meyer |
    We will return to flight when we have determined that we are fit to fly and not one day before.

    Der Chef hatte es schon immer gesagt: Die Flüge werden erst wieder aufgenommen, wenn die NASA soweit sei - so Sean O'Keefe, der Chef der amerikanischen Raumfahrtbehörde. Kein Druck, keine Vorgaben und kein Terminplan sollen die NASA drängeln, auch nicht der Aufbau der Internationalen Raumstation, der seit dem Columbia-Unglück nicht mehr vorankommt. Und nun hat Sean O'Keefe Worten Taten folgen lassen: Zunächst war von diesem Frühjahr die Rede als Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Flüge, dann von Herbst, jetzt heißt es frühestens März 2005.

    Wir werden ein Startfenster nutzen, das sich vom sechsten März bis zum achtzehnten April nächsten Jahres erstreckt. Dies ist die erste Gelegenheit, die die neuen, verschärften Sicherheitsvorschriften bei Starts berücksichtigen, die unter anderem einen Lift off und eine Trennung des Außentanks bei Tageslicht vorschreiben. Ob es nun März wird oder April oder Juni oder Juli - man wird es sehen.

    so Bill Readdy, Vize-Chef der Abteilung Bemannter Raumflug bei der NASA. Die NASA traut ihrem neuen Starttermin selbst wohl nicht so ganz, hat sie doch parallel Verhandlungen mit den Russen aufgenommen, um im April 2005 - wenn die Fähren also eigentlich schon wieder fliegen sollten - erneut einen Amerikaner mit einer Sojus-Kapsel zur ISS zu bringen. Und die Zeit zwischen Herbst und Frühjahr scheidet seit neuestem praktisch völlig aus für einen Start, weil das "Columbia Accident Investigation Board" die Vorschriften dafür verschärft hat. Abgesehen davon, dass durch die Umlaufbahn der ISS schon enge Zeitfenster vorgegeben waren, innerhalb derer das Ziel im All überhaupt nur zu treffen ist, muss dies alles jetzt auch noch im Hellen von Kameras auf der Erde beobachtet werden können. Nachtstarts scheiden daher aus. Außerdem darf der Winkel des Sonneneinfalls auf das Startfahrzeug nicht größer als sechzig Grad sein.

    Im November und Januar gebe es deswegen nur noch zwei bis fünf Tage, an denen eine Fähre starten könnte, so Greg Oliver, Chef der Abteilung Start und Landung bei der NASA. Und das ist für den ersten Flug nach einem Unglück zu wenig. Aber auch die Inspektion im All macht noch Schwierigkeiten.

    Zunächst haben wir überprüft, ob wir mit den Roboterarmen von Raumfähren und Raumstation die Unterseite der Fähren inspizieren können. Der hintere Teil der Shuttles lässt sich damit jedoch nicht komplett abdecken. Auch nach Hinzunahme der Kameras an der Außenseite der ISS bleiben immer noch Lücken. Sie entstehen genau an den kritischen Stellen, den äußeren Flügelkanten. Um auch diese beobachten zu können, haben wir eine Verlängerung des Arms konstruiert, an deren Ende eine Kamera sitzt, die mögliche Schäden aufnehmen kann.

    Da Kameras aber nicht hochauflösend genug sind, um winzige Risse in oder zwischen den Kacheln aufzuspüren, soll ein Laser diese jetzt erkennen. Er wird ebenfalls auf den Roboterarm der Fähre montiert, muss aber erst neu entwickelt werden. Außerdem sollen die Orbiter in Zukunft vom Roboterarm der Raumstation eingefangen werden und eine Art Pirouette drehen, bevor sie andocken. Die Crew an Bord der ISS könnte so ebenfalls die Unterseite der Fähren inspizieren.

    Die ISS wird bei den nächsten Flügen außerdem als Safe Haven funktionieren, als sicherer Hafen für den Notfall. Bei künftigen Starts werden jeweils zwei Shuttles für einen Start vorbereitet werden. Für die nächste Mission STS-114 sind dies Discovery und Atlantis. Endeavour wird gerade generalüberholt. Sollte es beim Start der Discovery Schwierigkeiten geben oder die Mannschaft nicht zurückkehren können, würde eine siebenköpfige Shuttle-Crew maximal dreißig Tage an Bord der ISS ausharren können. So lange würden Treibstoff, Nahrung, Sauerstoff und sonstige Vorräte ausreichen. Binnen dieser vier Wochen würde die zweite Fähre starten, ebenfalls zur ISS fliegen, auf der gegenüberliegenden Seite andocken, die Astronauten aufnehmen und zurück zur Erde fliegen.

    so Michael Kostelnik, Vize-Chef der Abteilung Raumfähren und Raumstation. Ihrer nunmehr ältesten Fähre Discovery traut die NASA wohl am meisten zu, wurden doch mit ihr schon 1988 - nach dem Unglück mit Challenger - die Flüge wieder aufgenommen. Nach STS-114 ist mit der folgenden Atlantis-Mission STS-121 bereits ein zweiter Flug für 2005 geplant ist, der sich ebenfalls primär den neuen Sicherstandards im All widmen soll und weniger der ISS. Damit dürfte deren Aufbau auch nächsten Jahr nicht voran kommen, sich der Start des europäischen Columbus-Moduls wohl auf frühestens 2007 verschieben und die von George Bush vorgegebene Deadline von 2010 als Ende des Shuttle-Zeitalters ebenfalls in Wanken geraten.