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Trauer um Lorca

Kurz und heftig war das Künstlerleben des spanischen Lyrikers, Dramatikers und Theatermachers Federico García Lorca. An das Andenken García Lorcas heftete sich ein Libretto von David Henry Hwang und eine Komposition des 1960 geborenen argentinischen Komponisten Osvaldo Golijov. Jetzt hat das Staatstheater Darmstadt "Ainadamar" als Europäische Erstaufführung ins Programm genommen.

Von Frieder Reininghaus | 25.11.2007
    Gattungsspezifisch gesehen mag es sich bei "Ainadamar" um so etwas wie die Anknüpfung an die Kunstform Opéra-ballet des späten 17. Jahrhunderts handeln - um eine Verknüpfung von Tragédie lyrique mit Gesang und Tanz, die sich in einen thematisch lockeren Rahmen fügte. Osvaldo Golijovs Kreation befasst sich in eben einem solchen Passepartout zugleich mit zwei Künstler-Biographien: Zum einen, so der Plot von David Henry Hwang, erinnert sich eine katalanische Schauspielerin 1969 an ihre Mitwirkung bei der Uraufführung von Federico Garciá Lorcas Schauspiel Mariana Pineda 42 Jahre zuvor in Barcelona, bei der sie die Titelrolle bestritt. Schier überwältigen sie die Erinnerungen an die schöne Zeit mit dem jungen García Lorca. Und auch dem heutigen Theaterpublikum werden schemenhaft einige Erinnerungen an den Dichter und Theatermacher präsentiert - angekurbelt von einem gelegentlich an Carl Orffs Rhythmik erinnernden Impuls und übergossen mit einer nostalgischen Musik-Sauce, die nach dem fettig-klebrigsten Rezept reetablierter Tonalität angerührt wurde. Dieser Menü riecht nicht nur ein bisschen angebrannt.
    In Anlehnung an provinzielles Kunstgewerbe der 60er Jahre schuf der Bühnenbildner Thomas Gruber einen Vorhang, auf dem Auge und Verstrickung, Hand und Stierhorn auf das historische Andalusien und die Mystifizierung einiger seiner Motive durch Künstler der Moderne anspielen. Indem der Vorhang sich einen Spalt breit hebt, zeigt Mei Hong Lin ein ansprechendes Prélude der Beine. Doch indem sie dann des weiteren Handlungs-Ballett-Episoden anbietet, deren Gestik und Motorik aus Resten des klassischen "Ausdruckstanzes" und des volkschinesischen "Roten Frauenbataillons" genommen wurde, zeigen sich heftige, zackige Begehrensgesten und sportive Drehungen zu Lande, in der Luft und am Wasserlauf. Der hört nicht auf zu rinnen: In Erinnerung an die vielen Tränen, die der Tod an dem Brunnquell Ainadamar zum Fließen brachte. Und zu den Schüssen, die wohl dem Dichter gegolten haben mochten, wird lustig gehüpft.

    Konsequent wird von der neuen Produktion in Darmstadt der grässliche Mord beschönigt und begütigt, die Täter und ihre Hintermänner nicht beim Namen genannt (offensichtlich unterstellen die Hersteller, dass das Publikum schon irgendwie Bescheid wisse oder sich mit dem Begleitheft sachkundig mache). Doch weniger die möglicherweise strafrechtlich relevante Verherrlichung von falangistischen Greueltaten erscheint mir das Problem, sondern die theaterpolitische Problematik: dass ein Hessisches Staatstheater ein solches Produkt subventioniert und pusht. Es besteht ja weder Notwendigkeit noch gar der Zwang, die Zweitverwertung der Ausflüsse nordamerikanischer Kunstlimonadehersteller hierzulande zu organisieren. Gerade bei der Ausbeutung auratischer und heroischer Künstlerbiographien müsste es wenigstens ein Mäßigungsgebot geben, das sich auf die Hemmungslosigkeit bei der Ausdehnung der Kitschzone bezieht.