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Trauerkoffer für Lehrer und Schüler
Der Tod und die Schule

Steinherzen, eine CD mit ruhiger Musik, ein Stofftier: Diese Gegenstände finden sich in einem sogenannten Trauerkoffer, der Schülern und Lehrern bei einem Todesfall helfen soll. Seelsorger haben bei der Zusammenstellung des Koffers geholfen. Je nach Alter der Schüler, wird der Koffer anders bestückt.

Von Uschi Götz | 26.10.2018
    Wenn die Nachricht vom Tod einer Schülerin oder eines Schülers kommt, brauchen Lehrer Unterstützung bei der Trauerarbeit
    Ein Trauerfall versetzt eine Schule immer in einen Ausnahmezustand (picture alliance / dpa / Guido Kirchner/dpa)
    Über 40 Koffer stehen zum Abholen bereit, an jedem hängt ein Zettel, darauf der Name einer Schule. Normalerweise werden in diesen etwa ein Meter hohen Koffern, Werkzeuge, Kabel oder im Theater Schminkutensilien verstaut.
    Ilona Duffner vom Kreismedienzentrum hat sich bewusst für dieses Modell entschieden, weil es so viele stapelbare Fächer hat. Der Koffer hat es in sich - kommt er zum Einsatz, ist jemand gestorben.
    "In dem ersten Fach ist das Kreuz, das zweigeteilt ist, was hier auch noch drin ist, ist eine Kerze mit dem Spruch "Spuren im Sand", es ist auch ein LED- Licht dabei, weil man in den Schulen keine Kerzen anbrennen darf."
    Ein Trauerkoffer - heute händigt die Tübinger evangelische Schulseelsorge 41 Schulen im Landkreis Tübingen jeweils einen eigenen aus. Der Inhalt wurde dabei vom Schulseelsorger Team und dem Kreismedienzentrum Tübingen zusammengestellt.
    Eine geborgene Atmosphäre soll hergestellt werden
    Gabi von Kutzschenbach ist Schulleiterin der Grundschule "Hechinger Eck" und in Tübingen geschäftsführend für alle Grundschulen zuständig. Sie weiß, was es für Lehrerinnen und Lehrer, für die ganze Schule bedeutet, wenn die Nachricht vom Tod einer Schülerin oder eines Schülers kommt:
    "Ich erinnere mich an einen Fall sehr eindrücklich, das war ein zehnjähriger Junge, der im Urlaub bei einem Bombenattentat getötet wurde."
    Ein Platz bleibt leer. Die Klasse muss betreut werden, je nach Fall steht auch häufig schon die Presse vor der Tür, sagt die Schulleiterin. Dabei sind die Schülerinnen und Schüler gerade in dieser Situation auf ihre vertrauten Lehrerinnen und Lehrer, auf eine geborgene Atmosphäre angewiesen:
    "Dann haben sie so viele Baustellen gleichzeitig, dass sich da niemand mehr so ganz schnell um Bücher kümmern kann. Und wenn ein Kondolenzbuch gleich ausgelegt werden kann statt erst noch eins zu kaufen, das entlastet enorm."
    In dem Trauerkoffer, der wahlweise auch Trostkoffer genannt wird, findet sich viel zum Lesen und Vorlesen. Grundschulen bekommen deshalb einen Koffer mit anderen Büchern als etwa weiterführende Schulen. Zur Grundausstattung der Jüngeren gehört etwa das vierfarbiges Bilderbuch "Für immer" von Kai Lüftner mit Illustrationen von Katja Gehrmann. "Vom Umgang mit Tod und Trauer", dieses Buch von Uta Martina Hauf und Jürgen Karasch liegt in dem Koffer für ältere Schülerinnen und Schüler, darin finden sich praktische Beispiele für die Trauerzeit der Klasse, zum Beispiel für meditative Übungen.
    "Der Markt für Bilderbücher zum Thema Sterben und Tod, der ist unermesslich. Dann habe ich in meinem Unterricht bei den Erzieher und Erzieher die Bücher auch teilweise ausprobiert, mit denen diskutiert und besprochen, wie sieht das aus, wenn man das bei Kindern einsetzt."
    Kreuz oder nicht?
    Dabei geht es auch um dem Umgang mit Schülerinnen und Schülern, die Schwester oder Bruder verloren haben, ein Elternteil, ja auch das geliebte Haustier. Schulseelsorger Martin Kraft hat bei der Zusammenstellung des Koffers vor allem auf den Rat von Menschen anderer Glaubensrichtungen gehört.
    So liegt neben dem Kreuz im ersten Fach des Koffers auch ein schlichter Holzengel: "Ein Kreuz geht für Muslime gar nicht, haben wir uns beraten lassen von muslimischen Schülerinnen und Experten, und die sagten dann, eine Engelsfigur, das wäre eine mögliche Alternative."
    Ilona Duffner hat mittlerweile das zweite Fach des Koffers geöffnet. Eine Klangschale kommt zum Vorschein.
    "Dann hat es hier Herzen aus Stein, als Symbolik der Liebe."
    Eine beigelegte Broschüre gibt Hinweise auf die mögliche Verwendung. Und doch: Jeder Tod ist anders. Reden, schweigen, zeichnen, weinen, es liegt an den Lehrern, einen Rahmen zu finden.
    Steinherzen zum Beschriften, eine CD mit ruhiger Musik, ein Stofftier finden sich in dem Koffer, ebenso ein leerer Bilderrahmen für das Porträt des Verstobenen sowie ein Kondolenzbuch und verschiedenfarbige Tücher.
    Die Schulen im Landkreis Tübingen haben den rund 300 Euro teuren Koffer kostenlos bekommen. Längst haben auch schon Schulen aus den Nachbarkreisen angefragt.