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Traumatisierte Kinder

Schlimme Erlebnisse können die Seele eines Kindes oder Jugendlichen belasten. Zu psychischen Störungen und körperlichen Schäden führen. Vor allem, wenn traumatisierte Kinder und Jugendliche nicht frühzeitig psychisch betreut werden und gemeinsam mit einem Therapeuten das Trauma verarbeiten können. Häufig aber werden erste Anzeichen für solch ein traumatisches Erlebnis übersehen. Um bessere Hilfe für traumatisierte Kinder ging es am Wochenende in Marl auf einem Kongress von Kinderärzten und Psychotherapeuten.

Peter Kolakowski | 05.11.2002
    Bis vor gar nicht langer Zeit galten traumatisierte Kinder für Eltern, Lehrer und auch für viele Ärzte lediglich als hysterisch. Erst seit 15 Jahren werden solche psychotraumatischen Symptome bei Kindern und Jugendlichen in der Fachliteratur überhaupt erwähnt und selbst von Ärzten auch heute noch immer nicht richtig erkannt. Meist sind es Misshandlungen oder sexueller Mißbrauch, die einem Kind oder Jugendlichen angetan wurden und zur Traumatisierung führen. So Professor Franz Resch Lehrstuhlinhaber für Kinder und Jugendpsychiatrie an der Universität Heidelberg.

    Wir können das bei einem sehr hohen Prozentsatz von Kindern und Jugendlichen erkennen, dass es zu sexuellen Übergriffen kam in einem sehr hohen Prozentsatz, in über 60 Prozent dieser Jugendlichen, dass es zu Gewaltübergriffen kam und dass eben eine emotionale Vernachlässigung der Kinder im Vorfeld nachweisbar war.

    Aber auch Unfälle oder Katastrophen wie die Terroranschläge des 11. September können traumatische Folgen haben. Die seelischen Verletzungen, die einem Kind oder Jugendlichen zugefügt werden und das Trauma verursachen, führen zunächst zu Desorientierung und Vergesslichkeit, dann häufig zu unkontrollierten Gefühlsausbrüchen und Schreckhaftigkeit, bis hin zu Angstzuständen und unkontrolliertem Zittern. Die Betroffenen können Reize und Informationen von außen nicht mehr richtig verarbeiten oder vergessen auch viele Dinge. Die mit dem Trauma verbundene Reizüberflutung führt dabei meist zur ständigen Ausschüttung von Stresshormonen. Traumatisierende Erlebnisse können dann nicht nur zu einer erheblichen psychischen Belastung sondern sogar zu körperlichen Schäden wie Veränderungen des Gehirns führen. Den immer wieder drängen in der Erinnerung plötzlich die schrecklichen Bilder hervor. Zum Beispiel in Alb- oder Tagträumen. Besonders bei jüngeren Kindern ist oft zu beobachten, dass belastende Szenen dann geradezu zwanghaft immer wieder nachgespielt werden. Gleichzeitig werden Dinge, Orte, Personen oder Gespräche, die an das Trauma erinnern, vermieden. Nicht selten verkriecht sich das Kind oder der Jugendliche vor seiner Umwelt und wird depressiv. So der Kinder- und Jugendpsychologe Dr. Rainer-Georg Siefen, leitender Arzt an der Westfälischen Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie in Marl.

    Es wird scheu werden, es wird nicht mehr so unbefangen den Kontakt zu Klassenkameraden und Lehrern und vielleicht sogar zu Eltern suchen, und im Unterricht kommt hinzu, dass der Junge oder das Mädchen sich ablenkt, und dafür kritisiert werden ,es wird hören, dass es faul ist, sich nicht genügend Mühe gibt und das führt zu einer derartigen Anspannung für die Kinder, dass sie sich dann in einem Verhalten Luft schaffen, was als sozial störend abgelehnt wird.

    Die Behandlung eines Traumas gehört immer in die Hand eines Kinder- und Jugendpsychologen oder Arztes. Gerade Eltern, Angehörige, Lehrer aber auch die Jugendhilfe sollten besonders sensibel sein, wenn sie meinen, Anzeichen einer Traumatisierung bei einem Kind oder Jugendlichen zu erkennen und diese länger als einen Monat andauern. Kinderpsychologen wie Dr. Rainer-Georg Siefen fordern daher, das sich schulpsychologische Beratungsstellen, Institutionen der Jugendhilfe und Einrichtungen der kinder- und Jugendpsychiatrie zukünftig stärker miteinander vernetzen, um den Betroffenen schneller und wirksamer helfen zu können.

    Weil wir Kinder und Jugendliche haben die viel Hilfe brauchen und für diese Hilfe steht nur begrenzt Geld zur Verfügung. Und die Sorge muss sein, dass wir die knapper werdenden Mittel durch gute Kooperation, durch Vernetzung, durch Zusammenwirken aller so einsetzen, dass wir ein Maximum an Hilfe für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen und ihre Familien erreichen. Diese enge und gemeinsame kooperative Orientierung an den Bedürfnissen des einzelnen Kindes, des einzelnen Patienten könnte noch verbessert werden.

    Kinder und Jugendliche, die unter einem Trauma leiden, können dabei je nach Schwere der Störung auch ambulant, das heißt ohne Klinikaufenthalt therapiert werden. Das Trauma wird dabei gemeinsam mit dem Therapeuten in mehreren Sitzungen aufgearbeitet. Schwerere Störungen hingegen werden am besten während eines Aufenthaltes in einer therapeutischen Einrichtung behandelt.

    Weitere Informationen:

    Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie www.dgkjp.de

    Beitrag als Real-Audio

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