Donnerstag, 28. März 2024

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Traumberufe im Test
"Der Job ist ein Teil der Selbstverwirklichung"

Praktika in verschiedenen Berufen machen viele Menschen. Jannike Stöhr hat gleich 30 Berufe in einem Jahr ausprobiert und darüber ein Buch geschrieben. Dabei habe sie herausgefunden, was ihre Talente seien und was ihr nicht so liege, sagte Stöhr im DLF. Bei einem Beruf brauchte sie mehrere Tage, um zu verstehen, was daran Spaß machen kann.

Jannike Stöhr im Gespräch mit Benedikt Schulz | 11.02.2016
    Eine Verkäuferin zeigt ihrer Kundin eine Auswahl an Hochzeitskleidern
    Schmerzender Rücken und Füße: "Mich hat am meisten der Job der Verkäuferin herausgefordert", erzählt Jannike Stöhr im Interview mit dem Deutschlandfunk. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Benedikt Schulz: Wie finde ich meinen Traumjob? Das ist für viele Menschen eine existenzielle Frage, eine, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Klar, es gibt diejenigen, die sagen, ich wollte ja schon als Achtjähriger in die Politik, aber die meisten lavieren herum, suchen Beratungsangebote, lassen sich vielleicht von ihren Eltern beeinflussen, machen Praktika. Aber so extrem wie Jannike Stöhr sind wohl die wenigsten bislang vorgegangen: Sie hat 30 Jobs hintereinander ausprobiert, in einem Jahr, von Architektin bis Tanzlehrerin. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben, "Das Traumjob-Experiment". Mit ihr habe ich gesprochen und sie gefragt: Haben Sie ihn denn gefunden, Ihren Traumjob?
    Jannike Stöhr: Das ist eine gute Frage. Eigentlich müsste ich darauf mit Nein antworten, den einen Traumjob habe ich wirklich nicht gefunden, aber ich habe herausgefunden, was mir wichtig ist, was mir Spaß macht, was meine Talente sind, und daraus ergeben sich jetzt mehrere Möglichkeiten.
    Schulz: Welcher hat Ihnen denn am besten gefallen von den 30 Jobs?
    Stöhr: Das werde ich auch öfter gefragt. Es gab viele interessante Jobs. Mir persönlich hat am besten der Job der Journalistin gefallen.
    Schulz: Warum?
    Stöhr: Weil ich meine Liebe zum Schreiben entdeckt habe.
    Schulz: Und natürlich, die Gegenfrage liegt auch nahe: Was war denn so gar nicht Ihr Ding, und warum?
    Herausforderung als Verkäuferin
    Stöhr: Das ist ebenfalls schwierig zu beantworten. Ich habe ja für meine Praktika immer Menschen gesucht, die mit Leidenschaft dabei sind. Und wenn Sie solche Menschen finden, dann haben Sie auch immer einen positiven Blick auf die Jobs, die Sie testen. Von daher war erst mal grundsätzlich jeder Job gut. Mich hat am meisten der Job der Verkäuferin herausgefordert, da war der erste Tag wirklich super-anstrengend. Meine Füße taten weh, mein Rücken tat weh, und ich dachte nur, was finden die Verkäufer an diesem Job? Ich habe es herausgefunden am dritten Tag, als ich dann selber beraten durfte, an einer Kabine stehen durfte und die erste Kundin glücklich mit einer vollgepackten Tüte aus dem Laden gegangen ist, und da dachte ich, okay, alles klar, jetzt verstehe ich das.
    Schulz: Nach drei Tagen. Die Frage ist natürlich auch, wie viel bekommt man überhaupt mit von einem Job, wenn man nur etwa eine Woche im Beruf ist?
    Stöhr: Die Frage habe ich mir vor dem Projekt auch gestellt, ob das realistisch ist. Letztendlich hat es aber immer funktioniert, zumindest habe ich das als Feedback bekommen, wenn ich meine Blogbeiträge den Arbeitgebern vorgelegt habe. Da haben die gesagt, das ist eigentlich schon das, was den Job für uns ausmacht. Das Gute war, dass ich eben diese leidenschaftlichen Menschen begleitet habe und die immer bereit waren, mich ganz nahe heranzulassen und mich mitzunehmen und teilhaben zu lassen. Und vieles ist nicht nur im Mitmachen passiert oder habe ich im Mitmachen verstanden, sondern durch Fragen. Und ich habe die Leute interviewt und dadurch auch noch mal viel erfahren.
    Schulz: Hat denn Geld bei Ihnen eine Rolle gespielt.
    "Der Job sollte in erster Linie Spaß machen"
    Stöhr: Das habe ich ausgeklammert. Ich habe gedacht, meine Chance, einen Job auszuprobieren, ist bei kleinen Unternehmen oder bei selbstständigen Menschen höher, und deswegen habe ich gesagt, ich mache alles unentgeltlich, habe aber vorher natürlich gespart, meine Wohnung aufgegeben, meine Kosten so gering wie möglich gehalten, meinen Besitz verkauft, sodass ich mir das überhaupt finanzieren konnte und sozusagen, für das Jahr hatte ich vorgeplant und deswegen keine Einkommen einkalkuliert.
    Schulz: Und für die Zukunft? Würde Geld bei Ihnen eine Rolle spielen bei der Berufsentscheidung?
    Stöhr: Weniger als früher. Vorher habe ich mich da schon dran orientiert, würde ich sagen. Heute, würde ich sagen, sollte mir der Job Spaß machen in erster Linie, ich sollte den Sinn darin sehen können. Gehalt ist definitiv zweitrangig geworden.
    Schulz: Früher war das vor allem eigentlich nur wichtig, dass man einen Job hat, der einen ernährt. Das hat sich so in den letzten zwei, vielleicht drei Jahrzehnten so sukzessive geändert. Job ist heute auch Teil der Selbstverwirklichung. Wie sehen Sie das nach einem Jahr, nach dieser Erfahrung?
    Stöhr: Das denke ich schon, dass der Job ein Teil der Selbstverwirklichung geworden ist, und das habe ich auch aus E-Mails, Zuschriften mitbekommen. Da haben sich viele Menschen gemeldet, die sagen, ich bin eigentlich nicht glücklich, und eigentlich möchte ich lieber was anderes machen. Und die eben auch auf der Suche waren. Von daher würde ich das schon so bestätigen.
    Schulz: Sie haben 30 Jobs ausprobiert. Würden Sie denn sagen, dass man grundsätzlich alles machen kann?
    Grundsätzlich kann man vieles machen
    Stöhr: Tanzlehrerin, da fehlte mir das Talent, würde ich sagen. Ich glaube, selbst da könnte man irgendwie rankommen. Aber ob das dann so Sinn macht, da so viel Arbeit und Training reinzustecken – der Spaß – wenn man etwas nicht so gut kann, dann macht es eben auch nicht so viel Spaß. Von daher würde ich sagen, man kann grundsätzlich schon vieles machen. Ob alles dann so sinnvoll ist, ist die andere Frage.
    Schulz: Jetzt zum Abschluss die Frage: Als was arbeiten Sie denn jetzt gerade?
    Stöhr: Im Moment mache ich gerade ein Praktikum im EU-Parlament. Das ist eigentlich eine Verlängerung meines Jobs 29. Da war ich bei einem Politiker oder Europaabgeordneten, und da bin ich gerade wieder, gucke mir das noch mal genauer an, warte darauf, dass mein Buch am Freitag veröffentlicht wird, und dann sehe ich, wie es weitergeht.
    Schulz: 30 Jobs in einem Jahr hintereinander. "Das Traumjob-Experiment", ein Projekt und das dazugehörige Buch, geschrieben von Jannike Stöhr. Frau Stöhr, ganz herzlichen Dank!
    Stöhr: Vielen Dank für das nette Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.