" Ich presse hier Kokosnuss-Milch und Kokosnuss-Wasser. Die Milch verwenden wir zum Kochen, zum Beispiel für poisson cru, rohen Fisch, das ist unser Nationalgericht. Kokos kommt bei uns in die meisten Gerichte. Die Kokosnuss-Palme ist eh unsere wichtigste Pflanze: mit den Blättern decken wir die Dächer, die Stämme sind Baumaterial, und die Nüsse essen wir. Trinken sollte man übrigens nur das Wasser der jungen Nüsse. Die Milch wird durch ein Tuch passiert und dann gekocht. "
Auf der oberen Etage des Marchee du Papeete wird Kunsthandwerk und auch so mancher Kitsch feilgeboten. Zwischen Holzmasken und Muschelvasen sitzt Mama Faudra. Sie ist die berühmteste Marktfrau von Tahiti, weil sie die Rechte der Marktleute vertritt. Und weil sie die Mutter des bekanntesten Models der Südsee ist:
" Alle Frauen sind schön, wenn sie nur lächeln. Auch eine gut aussehende Frau ist nur dann wirklich schön, wenn sie ein schönes Lächeln hat. Ich bin viel gereist und habe überall schöne Frauen gesehen, lächelnde Frauen! Und außerdem gibt es auch schöne polynesische Männer! Wir müssen nicht immer von den Frauen sprechen... "
Vom Zauber der Inseln waren schon die Seefahrer, Entdecker und Walfänger früherer Jahrhunderte fasziniert. Pioniere der Meere wie James Cook konnten sich von der Schönheit und den Schönheiten der Südsee nicht mehr losreißen und blieben. In ihren Berichten schwärmten die Seefahrer insbesondere von den nach Sandelholz duftenden Frauen.
Die frühere Miss Tahiti Ravanui Tuamihau, sieht denn auch aus wie im Bilderbuch, exotisch, erotisch, schön. Opa war Chinese, Oma Französin, die Eltern sind Tahitianer und Ravanui arbeitet jetzt für das Tourismusministerium: quasi als Botschafterin der Schönheiten Tahitis:
" Als ich bei der Miss World-Wahl war, verwechselten viele Tahiti mit Haiti, aber bei Frauen aus der Südsee sprachen alle über halbnackte Mädchen, die am Strand rumtanzen! Tatsächlich hat Tanz bei uns eine große Tradition, in der Schule lernen wir als erstes zu tanzen! Auch die Jungs haben übrigens dieses Talent in ihrem Herzen! Besonders wichtig ist aber das "Mana", das man hier überall auf den Inseln spürt. "
Mana, das ist ein bisschen wie Aura, Ausstrahlung. Von den Göttern Polynesiens an die Bewohner der Inseln verschenkt, vor allem an die weiblichen, heißt es. Flora Devantine, eine anerkannte Dichterin, schreibt in ihrer Poesie auch über die Tahitianerinnen und deren Mana. Der ideale Platz der Frau ist demzufolge an der linken Seite ihres Mannes:
" Die Frau sitzt im Kanu immer links vom Mann. Das war schon in den Kanus unserer Vorfahren so und die Kanus sind die Symbole unserer Gesellschaft. Links sitzen im Kanu heißt: Balance halten. Und um Gleichgewicht zu halten, muss die Frau Gewicht haben, darf aber nicht zu gewichtig sein! "
Flora dichtet auf polynesisch, das nur noch von den Alten gesprochen wird. Um das Aussterben dieser vokal-reichen Sprache zu verhindern, bietet Flora Devantine Seminare an. Bald will sie auch Jugendliche zu Oreros ausbilden. Oreros hießen früher die begabten Redner, die vor versammelter Menge Intelligentes, Kritisches, Witziges zum Besten gaben. Einige Teenager haben sich bereits angemeldet. Ganz langsam erwacht bei den jungen Polynesiern ein Interesse an ihrer eigenen Kultur.
In der Nähe des Marktes trommeln und tanzen einige junge Tahitianer. Für ein Festival studieren sie traditionelle Tänze zum Rhythmus der Pahu-Trommeln ein. Der ganze Körper ist in Bewegung, vollführt akrobatische Figuren. Einer der Tänzer heißt Temarama:
" Wir gehören alle zu einer Familie. Mit dem Tanz werden die Jungen von den Älteren auf die Zukunft vorbereitet. Zu dieser Musik muss man einfach Körper und Kopf bewegen. Das ist der "Tanz der Krieger", mit dem früher dem König gehuldigt wurde. Außerdem üben wir heute noch den "Tanz der Familie" und den "Tanz der Verliebten". "
Auch auf dem Markt wird musiziert. Auf einer kleinen Bühne sitzen drei Männer und entlocken ihren Instrumenten genau die Klänge, die Besucher vom Südsee-Paradies erwarten, allerdings singen die drei Musiker nachdenkliche Texte:
" Die Touristen sprechen immer nur vom Paradies! Aber sie sehen nicht, dass wir auch im Paradies unser Leben finanzieren müssen und das wird immer schwieriger. Das Familienleben wurde früher viel intensiver gepflegt, heute sind die jungen Leute lieber bei ihren "coolen" Freunden. Und auch die Natur wurde bei uns mehr respektiert als heute. Über all diese Dinge singen wir und hoffentlich kann unsere Musik die Einstellung der Menschen zu ihrer Heimat verändern! "
Tuhiva, sein jüngerer Bruder und sein Vater leben von der bescheidenen Gage und den paar Münzen im Gitarrenkoffer. Der Vater ist nostalgisch:
" Früher war es schon schöner! Ich war Fischer, verbrachte den ganzen Tag auf dem Meer. Die Menschen brauchten keine Computer und Fernseher, heute geht's nicht mehr ohne! Immerhin ist uns die Musik geblieben. Und unsere Sprache: in der französischen Kolonialzeit durften unsere Kinder in der Schule nicht tahitianisch reden, sonst wurden sie hart bestraft. Heute haben wir Probleme, Lehrer für unsere eigene Sprache zu finden, weil nur noch wir Alte sie beherrschen. Um tahitianisch zu sprechen, braucht man eine gewisse Leichtigkeit und die ist vielen verloren gegangen! "
Auf dem Markt ist Papeete so tropisch-exotisch wie man es sich vorstellt. In den Nebenstrassen freilich machen Fastfood-Lokale, Klamotten-Discounter und Handyshops die Hauptstadt der Südsee zu einer ganz normalen Großstadt. Die Deutsche Isa Weber lebt seit 20 Jahren in Französisch-Polynesien:
" In den letzten Jahren findet wieder eine Suche nach Identität statt. Viele Menschen hier sehen noch die Schönheit, Sonnenuntergänge. Auch Umweltschutz ist wieder ins Bewusstsein gekommen. Aber das Paradies hat nie existiert, es beruhte auf falschen Berichten der Entdecker. Dennoch kommt dieser Platz dem Paradies näher als sonst ein Ort auf der Welt. "
Dazu passen die klingenden Namen der Inseln: Takapoto, Fatu Huku, Nukutepipi oder natürlich das berühmte Bora Bora.
Mit kleinen Propeller-Flugzeugen kann man von Tahiti aus auf die Nachbarinseln fliegen. Aus der Luft hat man einen herrlichen Blick auf die Atolle, Korallenriffe, Sandkleckse. Was gemeinhin als "Tahiti" bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein Staat aus 118 Inseln, die sich über 2000 Kilometer hinstrecken.
Französisch-Polynesien besteht aus 5 Archipelen: den Gesellschaftsinseln mit der Hauptstadt Papeete auf Tahiti, dann das Tuamotu-Archipel, die Marquesas, die Gambier- und die Austral-Inseln. Der Inselstaat ist weit entfernt vom nächsten Festland: 5700 Kilometer von Australien, 6000 Kilometer von Kalifornien. Manche Atolle ragen nur einige Zentimeter aus dem Meer hervor.
Auf dem Tuamotu-Archipel scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Auf der Insel Manihi gibt es nur einen Tante Emma-Laden, eine Bäckerei, einen Metzger, eine Post, eine Schule, aber etliche Perlenfarmen. Die Insel Manihi gilt Perlensammlern in aller Welt als das Zentrum der Perlenzucht.
Im seichten warmen Lagunen-Wasser haben die Perlenmuscheln ideale Bedingungen. Normalerweise setzen sie sich an Korallen fest. Aber auch an Körbe, die der Perlenzüchter ins Wasser legt. Dann beginnt die präzise Arbeit des Züchters. Henry Taura arbeitet seit 20 Jahren auf einer Perlenfarm:
" Erst muss ich eine möglichst schöne Muschel opfern. Mit meinem Skalpell öffne ich die Schale und schneide kleine Stücke aus dem Muschelfleisch. Zusammen mit einem Kern aus Perlmutt pflanze ich dieses Fleischstück in eine andere Muschel ein. Und zwar ganz vorsichtig in deren Geschlechtsteil. Das ist eine Arbeit von Millimetern! Dann kommt die operierte Muschel wieder ins Wasser. Wenn ich dann nach 5 Jahren eine große runde Perle ernten kann, ist das ein großartiges Gefühl! "
Die Perlenmuschel heißt "Pinctada margaritifera". Der Fremdkörper, der in die Muschel eingesetzt wurde, regt die Produktion von Perlmutt an. Dieses wächst als Schutzschicht um den Fremdkörper herum und bildet so die Perle. Das Perlmutt nimmt pro Jahr nur einen Millimeter zu, weshalb die Muscheln im Wasser mehrere Jahre gepflegt werden müssen. Die Perlen aus der Südsee sind anthrazitfarben, aubergine, goldbraun oder dunkelblau. Je nach Farbe, Form, Glanz, Transparenz und vor allem Größe variieren die Preise: eine perfekte Perle kann mehrere Tausend Euro kosten! Henry Taura verdient als Perlenzüchter gutes Geld. Neben dem Tourismus ist die Perlenzucht das einzige lukrative Geschäft in Französisch-Polynesien. Henry hat aber auch eine große Familie zu ernähren: 7 Kinder mit 3 verschiedenen Frauen!
Zurück auf den Gesellschaftsinseln. Wer bei Tahiti nur an verträumte Sand-Strände und Lagunen denkt, wird überrascht sein, wenn er in Richtung Mount Aorai fährt. Es geht durch dichten Dschungel. Dann beginnt ein steiler Wanderweg, der bald zum Klettersteig wird. Den Gipfel auf 2068 Metern erklimmen nur geübte Bergsteiger.
Der Guide heißt Wilfried, er spricht aber kein Wort deutsch. Er ist ein echter Tahitianer. Sein Urgroßvater war ein deutscher Auswanderer. Wilfried pflückt erst mal ein paar violette Blüten:
" Das hier ist Auti, unsere heilige Pflanze. Früher legten die Priester sie auf die Asche, über die sie betend liefen. Auch unsere traditionellen Girlanden sind daraus gemacht. Und noch heute stecken wir uns beim Wandern kleine Blütenbänder in den Gürtel, die Auti beschützt dich den ganzen Tag! "
Der Wanderweg führt an Mango - und Guaven-Bäumen vorbei, dann durch ein Waldstück mit enormen Eukalyptus-Bäumen. Wilfried deutet auf verlockend aussehende rote Beeren und erzählt, dass man innerhalb einer Stunde stirbt, wenn man sie isst!
Je höher man kommt, umso schöner wird die Aussicht. Von einem Grat auf 1500 Metern blickt man in die Tiefe, wo ein riesiger runder Felsklotz liegt. Wilfried kennt die Sage dazu:
" Es war einmal eine Familie mit zwei Kindern. Sie fanden ein großes Ei. Eines Tages schlüpfte eine Eidechse daraus. In einer Hungerperiode gingen die Eltern ein paar Tage zum Essen suchen weg. Als sie wiederkamen, waren ihre Kinder verschwunden. Sie dachten, die Eidechse hätte sie gefressen. Also schleppten sie das Tier auf den Mount Aorai und warfen es ins Tal. Und da liegt die Eidechse noch heute! "
Nach 4 Stunden anstrengender Wanderung packt Wilfried selbstgemixten Nonosaft aus. Und der Zaubertrunk hilft. Die letzten Schritte zum Gipfel sind ein echter Genuss. Unten die türkisfarbene Südsee, palmenbewachsene Sand-Buchten, grün leuchtende Nachbarinseln, kleine Korallen-Atolle. Wilfried bedankt sich bei einem seiner polynesischen Götter:
Die Inseln in Französisch-Polynesien sind ziemlich unterschiedlich geformt: manche bergig, mit tiefen Canyons und üppig bewachsen, manche flach und karg mit schwarzen Basalt-Stränden. Einige bestehen nur aus Sand und Palmen.
Auf der Insel Raiatea bietet Alain Plantier "Botanische Touren" durchs Hinterland an:
" Die Inseln sind so weit weg vom Festland, dass es nur wenige nicht-einheimische Pflanzen gibt, nämlich 950: 50 Pflanzenarten hat der Wind hergetragen, z.B. Orchideen, 200 kamen mit der Meeresströmung wie etwa die Kokosnuss, die Vögel brachten 700 Pflanzen hierher. Später haben die Seefahrer noch ein paar eingeführt. Die ersten Bewohner aus Südostasien nahmen einige ihrer Nutzpflanzen mit wie Brotfrucht, Yams oder Bananen. Anfangs bauten sie nur an der Küste an, aber die Menschen vermehrten sich so schnell, dass sie in die Berge ausweichen mussten. Die Bevölkerung war vor der Ankunft der Europäer fünf mal so groß wie heute! Und so findet man in den Bergen alle möglichen Früchte. Die Europäer brachten leider auch Krankheiten mit, was die Zahl der Einheimischen ziemlich senkte. "
Alain Plantier zeigt Touristen, wie die Polynesier früher aus wildem Basilikum Zahnpasta machten und aus anderen Kräutern Mittel gegen Moskitostiche oder Fieber. Und natürlich bringt er ihnen bei, wie man eine Kokosnuss richtig öffnet:
" Ich lerne sehr viel von den älteren Menschen, sie wissen noch Bescheid, was die Natur alles bietet. Einmal sah ich Kinder, die irgendwo Wurzeln ausgruben. Dann fragte ich, was sie damit machen. Sie sagten, ihr Großvater hätte es ihnen aufgetragen. Also ging ich zu dem alten Mann und er erklärte mir viele Naturheilmittel, z.B. ein Gemisch aus Kokosnusswasser, Zuckerrohrsaft und einem Wurzelextrakt, das sehr gut für das Wohlbefinden ist! "
Eine Frucht aus Tahiti wird als "Wunderfrucht" weltweit vermarktet: Nono. Sie ist grün-gelblich, hat eine raue, unebene Schale, ähnelt der Ananas und schmeckt roh ziemlich bitter. In vielen Drogeriemärkten werden Nono-Produkte, Säfte, Cremes, Shampoos, Öle verkauft. Die Geschichte der Nono ist symptomatisch für die polynesische Kultur. Danielle Tuairau arbeitet auf Tahitis größter Nono-Plantage:
" Unsere Vorfahren wussten ganz genau, wie gesund die Nono ist. Sie senkt Bluthochdruck, hilft bei Diabetes, ist einfach gut für das Immunsystem. Aber seit zwei, drei Generationen verwenden wir die Frucht kaum noch. Stattdessen lassen wir uns in der Apotheke teuere Medikamente verschreiben. Und so haben wir mit der Zeit unser wichtigstes Heilmittel vergessen! "
Heilmittel, Kinderlieder, Lebensweisen - die polynesische Kultur droht verloren zu gehen. Viele junge Tahitianer verlassen die Inseln, studieren in Europa oder Amerika, anstatt sich um tahitianische Traditionen zu kümmern. Dabei ist das Potential groß: jeder zweite Polynesier ist unter 25 Jahre. Menschen wie die Dichterin Flora Devantine, der Botaniker Alain Plantier oder der Musiker Fenua versuchen alles, die Jüngeren für die eigene reichhaltige Kultur zu begeistern. Doch Internet und Satellitenfernsehen sind hartnäckige Gegner. Fenua, das heißt Heimat. Fenua, der Musiker, hat eine Gruppe junger Leute zusammen gebracht, die alte polynesische Lieder mit modernem Sound mixen:
" Als Junge hat mir meine Oma das traditionelle Trommeln beigebracht. Wir haben auch zusammen getanzt. Und in der Kirche haben wir mit den anderen gesungen. Das gefiel mir alles so gut, dass ich eine CD daraus machte. Als die Leute hier auf der Insel diese Musik hörten, meinten die meisten, dass das bestimmt von einem Produzenten aus Frankreich stamme. Dabei haben wir das ausschließlich mit unseren Verwandten und Freunden aufgenommen. An die 40 Menschen waren beteiligt: meine Cousins, ihre Großväter, Schwestern, junge Typen, dicke Mamas, die ganze Groß-Familie! Und plötzlich kaufte jeder die CD! "
Fenua hat gerade sein Holzhaus bunt angestrichen: blau, grün und gelb. Er sitzt im Garten hinter dem Haus. Der Rasen geht direkt in den weißen Sand über, dann kommt die Südsee, dann der Horizont. Draußen zeigen ein paar Wellenreiter ihre Künste - die ersten hölzernen Surfboards der Welt wurden auch in Tahiti gefunden, sie sind Hunderte Jahre alt! Den Surf-Kids wird das egal sein. Sie genießen ihre Welt um Papeete, die für uns aussieht wie eine Panorama-Tapete! Goldene Palmenstrände, türkisfarbene Lagunen, lila Sonnenuntergänge - eine polynesische Weisheit sagt: "Mea puva puva to ora raa", "das Leben ist bunt"!
Auf der oberen Etage des Marchee du Papeete wird Kunsthandwerk und auch so mancher Kitsch feilgeboten. Zwischen Holzmasken und Muschelvasen sitzt Mama Faudra. Sie ist die berühmteste Marktfrau von Tahiti, weil sie die Rechte der Marktleute vertritt. Und weil sie die Mutter des bekanntesten Models der Südsee ist:
" Alle Frauen sind schön, wenn sie nur lächeln. Auch eine gut aussehende Frau ist nur dann wirklich schön, wenn sie ein schönes Lächeln hat. Ich bin viel gereist und habe überall schöne Frauen gesehen, lächelnde Frauen! Und außerdem gibt es auch schöne polynesische Männer! Wir müssen nicht immer von den Frauen sprechen... "
Vom Zauber der Inseln waren schon die Seefahrer, Entdecker und Walfänger früherer Jahrhunderte fasziniert. Pioniere der Meere wie James Cook konnten sich von der Schönheit und den Schönheiten der Südsee nicht mehr losreißen und blieben. In ihren Berichten schwärmten die Seefahrer insbesondere von den nach Sandelholz duftenden Frauen.
Die frühere Miss Tahiti Ravanui Tuamihau, sieht denn auch aus wie im Bilderbuch, exotisch, erotisch, schön. Opa war Chinese, Oma Französin, die Eltern sind Tahitianer und Ravanui arbeitet jetzt für das Tourismusministerium: quasi als Botschafterin der Schönheiten Tahitis:
" Als ich bei der Miss World-Wahl war, verwechselten viele Tahiti mit Haiti, aber bei Frauen aus der Südsee sprachen alle über halbnackte Mädchen, die am Strand rumtanzen! Tatsächlich hat Tanz bei uns eine große Tradition, in der Schule lernen wir als erstes zu tanzen! Auch die Jungs haben übrigens dieses Talent in ihrem Herzen! Besonders wichtig ist aber das "Mana", das man hier überall auf den Inseln spürt. "
Mana, das ist ein bisschen wie Aura, Ausstrahlung. Von den Göttern Polynesiens an die Bewohner der Inseln verschenkt, vor allem an die weiblichen, heißt es. Flora Devantine, eine anerkannte Dichterin, schreibt in ihrer Poesie auch über die Tahitianerinnen und deren Mana. Der ideale Platz der Frau ist demzufolge an der linken Seite ihres Mannes:
" Die Frau sitzt im Kanu immer links vom Mann. Das war schon in den Kanus unserer Vorfahren so und die Kanus sind die Symbole unserer Gesellschaft. Links sitzen im Kanu heißt: Balance halten. Und um Gleichgewicht zu halten, muss die Frau Gewicht haben, darf aber nicht zu gewichtig sein! "
Flora dichtet auf polynesisch, das nur noch von den Alten gesprochen wird. Um das Aussterben dieser vokal-reichen Sprache zu verhindern, bietet Flora Devantine Seminare an. Bald will sie auch Jugendliche zu Oreros ausbilden. Oreros hießen früher die begabten Redner, die vor versammelter Menge Intelligentes, Kritisches, Witziges zum Besten gaben. Einige Teenager haben sich bereits angemeldet. Ganz langsam erwacht bei den jungen Polynesiern ein Interesse an ihrer eigenen Kultur.
In der Nähe des Marktes trommeln und tanzen einige junge Tahitianer. Für ein Festival studieren sie traditionelle Tänze zum Rhythmus der Pahu-Trommeln ein. Der ganze Körper ist in Bewegung, vollführt akrobatische Figuren. Einer der Tänzer heißt Temarama:
" Wir gehören alle zu einer Familie. Mit dem Tanz werden die Jungen von den Älteren auf die Zukunft vorbereitet. Zu dieser Musik muss man einfach Körper und Kopf bewegen. Das ist der "Tanz der Krieger", mit dem früher dem König gehuldigt wurde. Außerdem üben wir heute noch den "Tanz der Familie" und den "Tanz der Verliebten". "
Auch auf dem Markt wird musiziert. Auf einer kleinen Bühne sitzen drei Männer und entlocken ihren Instrumenten genau die Klänge, die Besucher vom Südsee-Paradies erwarten, allerdings singen die drei Musiker nachdenkliche Texte:
" Die Touristen sprechen immer nur vom Paradies! Aber sie sehen nicht, dass wir auch im Paradies unser Leben finanzieren müssen und das wird immer schwieriger. Das Familienleben wurde früher viel intensiver gepflegt, heute sind die jungen Leute lieber bei ihren "coolen" Freunden. Und auch die Natur wurde bei uns mehr respektiert als heute. Über all diese Dinge singen wir und hoffentlich kann unsere Musik die Einstellung der Menschen zu ihrer Heimat verändern! "
Tuhiva, sein jüngerer Bruder und sein Vater leben von der bescheidenen Gage und den paar Münzen im Gitarrenkoffer. Der Vater ist nostalgisch:
" Früher war es schon schöner! Ich war Fischer, verbrachte den ganzen Tag auf dem Meer. Die Menschen brauchten keine Computer und Fernseher, heute geht's nicht mehr ohne! Immerhin ist uns die Musik geblieben. Und unsere Sprache: in der französischen Kolonialzeit durften unsere Kinder in der Schule nicht tahitianisch reden, sonst wurden sie hart bestraft. Heute haben wir Probleme, Lehrer für unsere eigene Sprache zu finden, weil nur noch wir Alte sie beherrschen. Um tahitianisch zu sprechen, braucht man eine gewisse Leichtigkeit und die ist vielen verloren gegangen! "
Auf dem Markt ist Papeete so tropisch-exotisch wie man es sich vorstellt. In den Nebenstrassen freilich machen Fastfood-Lokale, Klamotten-Discounter und Handyshops die Hauptstadt der Südsee zu einer ganz normalen Großstadt. Die Deutsche Isa Weber lebt seit 20 Jahren in Französisch-Polynesien:
" In den letzten Jahren findet wieder eine Suche nach Identität statt. Viele Menschen hier sehen noch die Schönheit, Sonnenuntergänge. Auch Umweltschutz ist wieder ins Bewusstsein gekommen. Aber das Paradies hat nie existiert, es beruhte auf falschen Berichten der Entdecker. Dennoch kommt dieser Platz dem Paradies näher als sonst ein Ort auf der Welt. "
Dazu passen die klingenden Namen der Inseln: Takapoto, Fatu Huku, Nukutepipi oder natürlich das berühmte Bora Bora.
Mit kleinen Propeller-Flugzeugen kann man von Tahiti aus auf die Nachbarinseln fliegen. Aus der Luft hat man einen herrlichen Blick auf die Atolle, Korallenriffe, Sandkleckse. Was gemeinhin als "Tahiti" bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein Staat aus 118 Inseln, die sich über 2000 Kilometer hinstrecken.
Französisch-Polynesien besteht aus 5 Archipelen: den Gesellschaftsinseln mit der Hauptstadt Papeete auf Tahiti, dann das Tuamotu-Archipel, die Marquesas, die Gambier- und die Austral-Inseln. Der Inselstaat ist weit entfernt vom nächsten Festland: 5700 Kilometer von Australien, 6000 Kilometer von Kalifornien. Manche Atolle ragen nur einige Zentimeter aus dem Meer hervor.
Auf dem Tuamotu-Archipel scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Auf der Insel Manihi gibt es nur einen Tante Emma-Laden, eine Bäckerei, einen Metzger, eine Post, eine Schule, aber etliche Perlenfarmen. Die Insel Manihi gilt Perlensammlern in aller Welt als das Zentrum der Perlenzucht.
Im seichten warmen Lagunen-Wasser haben die Perlenmuscheln ideale Bedingungen. Normalerweise setzen sie sich an Korallen fest. Aber auch an Körbe, die der Perlenzüchter ins Wasser legt. Dann beginnt die präzise Arbeit des Züchters. Henry Taura arbeitet seit 20 Jahren auf einer Perlenfarm:
" Erst muss ich eine möglichst schöne Muschel opfern. Mit meinem Skalpell öffne ich die Schale und schneide kleine Stücke aus dem Muschelfleisch. Zusammen mit einem Kern aus Perlmutt pflanze ich dieses Fleischstück in eine andere Muschel ein. Und zwar ganz vorsichtig in deren Geschlechtsteil. Das ist eine Arbeit von Millimetern! Dann kommt die operierte Muschel wieder ins Wasser. Wenn ich dann nach 5 Jahren eine große runde Perle ernten kann, ist das ein großartiges Gefühl! "
Die Perlenmuschel heißt "Pinctada margaritifera". Der Fremdkörper, der in die Muschel eingesetzt wurde, regt die Produktion von Perlmutt an. Dieses wächst als Schutzschicht um den Fremdkörper herum und bildet so die Perle. Das Perlmutt nimmt pro Jahr nur einen Millimeter zu, weshalb die Muscheln im Wasser mehrere Jahre gepflegt werden müssen. Die Perlen aus der Südsee sind anthrazitfarben, aubergine, goldbraun oder dunkelblau. Je nach Farbe, Form, Glanz, Transparenz und vor allem Größe variieren die Preise: eine perfekte Perle kann mehrere Tausend Euro kosten! Henry Taura verdient als Perlenzüchter gutes Geld. Neben dem Tourismus ist die Perlenzucht das einzige lukrative Geschäft in Französisch-Polynesien. Henry hat aber auch eine große Familie zu ernähren: 7 Kinder mit 3 verschiedenen Frauen!
Zurück auf den Gesellschaftsinseln. Wer bei Tahiti nur an verträumte Sand-Strände und Lagunen denkt, wird überrascht sein, wenn er in Richtung Mount Aorai fährt. Es geht durch dichten Dschungel. Dann beginnt ein steiler Wanderweg, der bald zum Klettersteig wird. Den Gipfel auf 2068 Metern erklimmen nur geübte Bergsteiger.
Der Guide heißt Wilfried, er spricht aber kein Wort deutsch. Er ist ein echter Tahitianer. Sein Urgroßvater war ein deutscher Auswanderer. Wilfried pflückt erst mal ein paar violette Blüten:
" Das hier ist Auti, unsere heilige Pflanze. Früher legten die Priester sie auf die Asche, über die sie betend liefen. Auch unsere traditionellen Girlanden sind daraus gemacht. Und noch heute stecken wir uns beim Wandern kleine Blütenbänder in den Gürtel, die Auti beschützt dich den ganzen Tag! "
Der Wanderweg führt an Mango - und Guaven-Bäumen vorbei, dann durch ein Waldstück mit enormen Eukalyptus-Bäumen. Wilfried deutet auf verlockend aussehende rote Beeren und erzählt, dass man innerhalb einer Stunde stirbt, wenn man sie isst!
Je höher man kommt, umso schöner wird die Aussicht. Von einem Grat auf 1500 Metern blickt man in die Tiefe, wo ein riesiger runder Felsklotz liegt. Wilfried kennt die Sage dazu:
" Es war einmal eine Familie mit zwei Kindern. Sie fanden ein großes Ei. Eines Tages schlüpfte eine Eidechse daraus. In einer Hungerperiode gingen die Eltern ein paar Tage zum Essen suchen weg. Als sie wiederkamen, waren ihre Kinder verschwunden. Sie dachten, die Eidechse hätte sie gefressen. Also schleppten sie das Tier auf den Mount Aorai und warfen es ins Tal. Und da liegt die Eidechse noch heute! "
Nach 4 Stunden anstrengender Wanderung packt Wilfried selbstgemixten Nonosaft aus. Und der Zaubertrunk hilft. Die letzten Schritte zum Gipfel sind ein echter Genuss. Unten die türkisfarbene Südsee, palmenbewachsene Sand-Buchten, grün leuchtende Nachbarinseln, kleine Korallen-Atolle. Wilfried bedankt sich bei einem seiner polynesischen Götter:
Die Inseln in Französisch-Polynesien sind ziemlich unterschiedlich geformt: manche bergig, mit tiefen Canyons und üppig bewachsen, manche flach und karg mit schwarzen Basalt-Stränden. Einige bestehen nur aus Sand und Palmen.
Auf der Insel Raiatea bietet Alain Plantier "Botanische Touren" durchs Hinterland an:
" Die Inseln sind so weit weg vom Festland, dass es nur wenige nicht-einheimische Pflanzen gibt, nämlich 950: 50 Pflanzenarten hat der Wind hergetragen, z.B. Orchideen, 200 kamen mit der Meeresströmung wie etwa die Kokosnuss, die Vögel brachten 700 Pflanzen hierher. Später haben die Seefahrer noch ein paar eingeführt. Die ersten Bewohner aus Südostasien nahmen einige ihrer Nutzpflanzen mit wie Brotfrucht, Yams oder Bananen. Anfangs bauten sie nur an der Küste an, aber die Menschen vermehrten sich so schnell, dass sie in die Berge ausweichen mussten. Die Bevölkerung war vor der Ankunft der Europäer fünf mal so groß wie heute! Und so findet man in den Bergen alle möglichen Früchte. Die Europäer brachten leider auch Krankheiten mit, was die Zahl der Einheimischen ziemlich senkte. "
Alain Plantier zeigt Touristen, wie die Polynesier früher aus wildem Basilikum Zahnpasta machten und aus anderen Kräutern Mittel gegen Moskitostiche oder Fieber. Und natürlich bringt er ihnen bei, wie man eine Kokosnuss richtig öffnet:
" Ich lerne sehr viel von den älteren Menschen, sie wissen noch Bescheid, was die Natur alles bietet. Einmal sah ich Kinder, die irgendwo Wurzeln ausgruben. Dann fragte ich, was sie damit machen. Sie sagten, ihr Großvater hätte es ihnen aufgetragen. Also ging ich zu dem alten Mann und er erklärte mir viele Naturheilmittel, z.B. ein Gemisch aus Kokosnusswasser, Zuckerrohrsaft und einem Wurzelextrakt, das sehr gut für das Wohlbefinden ist! "
Eine Frucht aus Tahiti wird als "Wunderfrucht" weltweit vermarktet: Nono. Sie ist grün-gelblich, hat eine raue, unebene Schale, ähnelt der Ananas und schmeckt roh ziemlich bitter. In vielen Drogeriemärkten werden Nono-Produkte, Säfte, Cremes, Shampoos, Öle verkauft. Die Geschichte der Nono ist symptomatisch für die polynesische Kultur. Danielle Tuairau arbeitet auf Tahitis größter Nono-Plantage:
" Unsere Vorfahren wussten ganz genau, wie gesund die Nono ist. Sie senkt Bluthochdruck, hilft bei Diabetes, ist einfach gut für das Immunsystem. Aber seit zwei, drei Generationen verwenden wir die Frucht kaum noch. Stattdessen lassen wir uns in der Apotheke teuere Medikamente verschreiben. Und so haben wir mit der Zeit unser wichtigstes Heilmittel vergessen! "
Heilmittel, Kinderlieder, Lebensweisen - die polynesische Kultur droht verloren zu gehen. Viele junge Tahitianer verlassen die Inseln, studieren in Europa oder Amerika, anstatt sich um tahitianische Traditionen zu kümmern. Dabei ist das Potential groß: jeder zweite Polynesier ist unter 25 Jahre. Menschen wie die Dichterin Flora Devantine, der Botaniker Alain Plantier oder der Musiker Fenua versuchen alles, die Jüngeren für die eigene reichhaltige Kultur zu begeistern. Doch Internet und Satellitenfernsehen sind hartnäckige Gegner. Fenua, das heißt Heimat. Fenua, der Musiker, hat eine Gruppe junger Leute zusammen gebracht, die alte polynesische Lieder mit modernem Sound mixen:
" Als Junge hat mir meine Oma das traditionelle Trommeln beigebracht. Wir haben auch zusammen getanzt. Und in der Kirche haben wir mit den anderen gesungen. Das gefiel mir alles so gut, dass ich eine CD daraus machte. Als die Leute hier auf der Insel diese Musik hörten, meinten die meisten, dass das bestimmt von einem Produzenten aus Frankreich stamme. Dabei haben wir das ausschließlich mit unseren Verwandten und Freunden aufgenommen. An die 40 Menschen waren beteiligt: meine Cousins, ihre Großväter, Schwestern, junge Typen, dicke Mamas, die ganze Groß-Familie! Und plötzlich kaufte jeder die CD! "
Fenua hat gerade sein Holzhaus bunt angestrichen: blau, grün und gelb. Er sitzt im Garten hinter dem Haus. Der Rasen geht direkt in den weißen Sand über, dann kommt die Südsee, dann der Horizont. Draußen zeigen ein paar Wellenreiter ihre Künste - die ersten hölzernen Surfboards der Welt wurden auch in Tahiti gefunden, sie sind Hunderte Jahre alt! Den Surf-Kids wird das egal sein. Sie genießen ihre Welt um Papeete, die für uns aussieht wie eine Panorama-Tapete! Goldene Palmenstrände, türkisfarbene Lagunen, lila Sonnenuntergänge - eine polynesische Weisheit sagt: "Mea puva puva to ora raa", "das Leben ist bunt"!