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Traumjob Sportminister?

Wenn in Berlin über die Politik einer möglichen Große Koalition verhandelt wird, geht es um viele Themen. Über einen Sportminister wird nicht gesprochen. Ein Amt, dass es in vielen anderen europäischen Ländern gibt.

Von Jonas Reese | 17.11.2013
    "It feels absolutely marvellous. It`s a dreamjob."

    Einfach wunderbar. Für Helen Grant ist ihr Amt als Sportministerin ein absoluter Traumjob. Das ist verständlich. Denn Sport ist in Großbritannien fast so wichtig wie die Queen: Die lukrativste Fußball-Liga, das bedeutendste Tennisturnier, Reiten, Golf, Polo. Sport ist Prestige im Königreich. Und für das prestigeträchtigste Sportereignis überhaupt, die Olympischen Sommerspiele, hat London im vergangenen Jahr viel Geld locker gemacht. "Team Great Britain" wurde mit 150 Millionen Euro unterstützt. Dafür heimste es rekordverdächtige 65 Medaillen ein. Da ist eine Sportministerin überall im Land gern gesehen. Der Glanz des Olympia-Erfolgs war so groß, dass sich sogar Premier David Cameron darin sonnen will. Die Verkündung der nächsten großen Botschaft hat er Helen Grant einfach abgenommen:

    "What I am announcing today is hat the 125 Million pounds of funding will continue every year up until the 2016 Rio Olympics."

    Auch bis Rio 2016 erhalten britische Spitzenathleten 150 Millionen Euro jährlich plus 100 Millionen aus der staatlichen Lotterie. Sportpolitik ist im Königreich mittlerweile Chefsache. Für Cameron hängt Erfolg im Leben, ganz eng mit einem aktiven Sporttreiben zusammen. Seine Sportministerin ist dafür ein gutes Beispiel. Sie war früher eine erfolgreiche Judoka, Tennis- und Hockeyspielerin.

    Das kann die eher unsportliche Valérie Fourneyron zwar nicht bieten. Doch dafür hat die Französin mit mehr als 250 Millionen Euro das größte Budget unter Europas Sportministern. Gemessen an den gesamten Staatsausgaben liegt es dann aber wieder im europäischen Durchschnitt. Offiziell führt Fourneyron das Ministerium für Sport, Jugend, Erziehung und Gemeinschaftsleben. Ein "Gedöhns"-Ressort, wie der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder es wohl beschreiben würde.

    Eher zufällig ist Fourneyron da auch der Anti-Doping-Kampf Frankreichs als Profilierungsmöglichkeit über den Weg gelaufen. Auf Initiative des Senats hatte man die Tour de France 1998 nochmal unter die Lupe genommen, wodurch einige Doper, wie die Deutschen Jan Ullrich und Erik Zabel oder die französische Radsport-Legende Laurent Jalabert, endgültig aufflogen. Das darf eine Sportministerin sich natürlich nicht entgehen lassen.

    "Diese ganzen Geschichten helfen dabei das ganze Umfeld zu verstehen. Nur so können wir Dopingsünder und Helfer verfolgen. Diejenigen die heute dopen, sollten gewarnt sein."

    Fourneyron hatte daraufhin die Nationale Anti-Dopingagentur Frankreichs gestärkt. Statt den Sport-Verbänden sollte die Agentur in Zukunft die Doping-Kontrollen übernehmen. Die nötigen finanziellen Mittel dazu bekam sie allerdings nicht.

    Besondere Aussagekraft für die Bedeutung der Sportministerin und für die eigentliche Bedeutung der Sportpolitik in Frankreich besitzt die jüngste Personalie. Fourneyron hat einen Sportbotschafter an die Seite gestellt bekommen. Nicht die Ministerin, sondern er soll sich zukünftig um alle Sportgroßereignisse kümmern und – Zitat - "französische Unternehmen in allen Märkten im Zusammenhang mit Sport unterstützen und die französische Präsenz in Entscheidungspositionen in internationalen Sportverbänden stärken".

    Einen derartigen Botschafter hätte vielleicht auch Spaniens Sportminister Ignacio Wert gut gebrauchen können. Auch im dritten Versuch hat er es nicht geschafft die Olympischen Spiele nach Madrid zu holen. Dabei hatte er einiges dafür getan. Das spanische Anti-Doping-Gesetz beispielsweise verschärft. Und was vielleicht noch schwerer wiegt: In der Öffentlichkeit nach den Fällen Fuentes und Contador von einem echten Doping-Problem im Land gesprochen.

    "Por supuesto tenemos um problema con el dopaje"

    Doch ansonsten hat der Sport für Wert keine Priorität: Als Bildungsminister in Personalunion hat er genug damit zu tun, sich gegen Kritik an seiner Bildungsreform zu wehren. Dabei hat er dennoch ganz nebenbei eine beachtliche politische Leistung als Sportminister vollbracht: Den Sport als die nahezu einzige Institution in Spanien hat er auch während der Krise vor dramatischen Kürzungen geschützt.

    Das ist wohl die Hauptaufgabe der insgesamt 18 Sportminister in der EU. 18 von 28 Staaten leisten sich ein derartiges Ministerium. Das sind mehr als zwei Drittel aller EU-Mitglieder. Auffällig gering ist dabei der Anteil der Frauen in diesem Amt. Sieben weibliche stehen 11 männlichen Sportministern gegenüber. In den meisten Fällen ist der Sport mit den Ressorts Bildung oder Kultur verschmolzen. Ein Kabinettsmitglied, das ausschließlich für den Sport zuständig ist, gibt es in Europa nicht. Gängig ist in den übrigen Ländern das deutsche Modell, wonach ein Staatssekretär für den Sport zuständig ist und einem Minister zuarbeitet. Einzigartig ist das ungarische Beispiel. Hier hat Ministerpräsident Viktor Orban ein Ressort für Personalangelegenheit geschaffen und unter ihm gleich fünf Bereiche vereint: Gesundheit, Bildung, Kultur, Jugend und eben Sport.

    Das ist bei unserem Nachbarn Österreich ganz anders. Momentan ist der Sport recht prominent beim Verteidigungsministerium angesiedelt. Seit 1985 besitzt der Sport ein eigenes Ressort in Wien. Und seitdem herrscht ein regelrechtes Gerangel um die Sportzuständigkeit. Mal gehörte er zum Gesundheitsministerium, zum Bildungsministerium oder zum gar Bundeskanzleramt.
    Kein Wunder, denn mit 117 Millionen Euro besitzt Österreich das größte Sportbudget in Europa, gemessen an den gesamten Staatsausgaben. Noch nie hatte ein Sportminister in der Alpenrepublik so viel Geld zu verteilen. Die Spitzenathleten des Team Rot-Weiß-Rot sind angesagt. Das weiß auch der derzeitige Verteidigungs- und Sportminister Gerald Klug:

    "Im Bereich des Sports habe ich mir vorgenommen die Sportförderung auf völlig neue Beine zu stellen. Und darüber hinaus unsere Sportlerinnen bestmöglich zu unterstützen."

    Mehr kann Klug auch gar nicht tun, denn verfassungsrechtlich liegt der Sport in Österreich in der Kompetenz der Länder. Da das Amt dennoch öffentlichkeitswirksam ist, beansprucht Bundeskanzler Werner Faymann das Sportressort nach der jüngsten Parlamentswahl Medienberichten zufolge wieder für sich.