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TraumStadtSaga

Für die Trilogie "TraumStadtSaga" hat das Aachener Stadttheater ungewöhnliche Hilfe in Anspruch genommen: Insgesamt 30 angehende Stadtplaner und Bauingenieure der TH-Fakultät Architektur haben für den Osten Aachens, der zurzeit tatsächlich stadtteilerneuert wird, visionäre Modelle entworfen. Jetzt gehören die Modelle im Maßstab eins zu hundert zu den Bühnenbildern der "TraumStadtSaga".

Von Eduard Hoffmann | 28.10.2005
    Die Schauspieler bewegen sich in Räumen, die Architektur-Studierende der RWTH Aachen geschaffen haben. Für die Trilogie TraumStadtSaga hat das Aachener Stadttheater die TH-Fakultät Architektur um Mitarbeit gebeten. So haben Insgesamt 30 angehende Stadtplaner und Bauingenieure für den Osten Aachens visionäre Modelle entworfen. Das Viertel wird zur Zeit tatsächlich stadtteilerneuert. Zu jedem der drei Theaterstücke wurde ein ausgesuchtes Planquadrat bearbeitet. Jetzt gehören die Modelle im Maßstab eins zu hundert zu den Bühnenbildern und werden in Videofahrten von den Schauspielern auf eine Leinwand projiziert.

    " Es ist ein ganz fremdes Mittel, mit so einem Modell zu operieren und das ist die Herausforderung, die zu neuen Spielmöglichkeiten und auch damit zu neuen Inhalten führt."

    Regisseur Thomas Fiedler ist ganz angetan von der Zusammenarbeit mit den Studierenden. Damit habe sich aus den üblichen Proben ein spannender gesellschaftlicher Diskurs zum Thema Stadt entwickelt, der positiv in der Inszenierung sichtbar werde.

    Den Architekturstudenten bietet das ungewöhnliche Projekt ebenfalls neue Möglichkeiten. So etwa das Heraustreten aus der Hochschule in den öffentlichen Raum. In der RWTH, so sagt Neuntsemestler Tobias Bücken, würden die Entwürfe ausschließlich von Professoren und Assistenten bewertet. Jetzt komme Resonanz von Autoren, Schauspielern, dem Regisseur und vom Theaterpublikum dazu.

    " Es ist halt im Rahmen unseres Studiums nicht möglich, ein Feedback von diesem öffentlichen Raum zu bekommen. Und so bekommen wir aber erste Eindrücke, die wir mit Sicherheit nachher im realen Berufsfeld dann auch brauchen werden, weil das dann einfach darüber entscheidet, finden die Leute den Entwurf gut oder nicht."

    Im Architekturstudium ist normalerweise Konsensarchitektur gefragt mit realistischen Vorgaben von Politik und Investoren. Beim Projekt mit dem Aachener Theater konnten die Studierenden erfahren, dass ein spielerisch visionärer Entwurf durchaus eine wichtige und anregende Etappe im Planungsprozess sein kann.

    " Dass die Provokation hier eben als Zwischenstandpunkt genutzt wird und man von da aus das als Sprungbrett nutzt, um dann eben zu einem guten Konsens vielleicht am Ende doch zu gelangen, aber eben mit der Zwischenstufe: laute Fragen stellen."

    Tina Kortmann hat mit ihrer Gruppe die Bühnenmodelle für das erste Stück der TraumStadtSaga entworfen. Im Zentrum steht die Josefskirche. Die existiert wirklich im Aachener Ostviertel, ist seit kurzem geschlossen und soll zukünftig nur noch als Grabeskirche genutzt werden. Heutzutage, so befanden die Studenten nach inhaltlicher Diskussion, werde der religiöse Kult vielfach durch Körperkult verdrängt. Kurzerhand machten sie aus der Kirche ein Fitness-Center. Äußerlich schon dadurch zu erkennen, dass - á la Christo - ein Riesen-T-Shirt mit Sportlermotiv über das einstige Gotteshaus gezogen ist.

    " Wenn man das T-Shirt wieder auszieht, ist sie quasi wieder rein die Kirche und man kann wieder über eine neue Funktion der Kirche nachdenken. Und /eben/ dies Temporäre dieser ganzen körperkulturellen Identität lässt sich eben dadurch wieder rückgängig machen bzw. weiterdenken. Also Provokation eigentlich als Zwischenstadium."

    Alle Beteiligten haben in der ungewohnten Zusammenarbeit Neues erfahren und lernen können. Für die Architektur-Fakultät der RWTH Aachen, so erklärt Dozent Rolf Gerhard, wird das Projekt sicher nicht folgenlos bleiben.

    " Das sind für uns ganz wichtige Ergebnisse auch, die wir jetzt in dieser Form sicherlich neu in das Studium integrieren können. Als Planspiel auf dem Weg zu einer Ausbildung, die zur Professionalität führen soll, würde ich mir wirklich wünschen, dass wir solche Projekte noch ganz oft in Kooperation mit dem Theater durchführen können."