Freitag, 29. März 2024

Archiv

Treffen der Ombudsleute für die Wissenschaft
"Mediation ist so eine Art Ausbildungsberuf"

Was kann man tun, wenn gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstoßen wird? Man kann sich beispielsweise an Ombudsleute für die Wissenschaft wenden, die es an immer mehr Hochschulen gibt. Sie vermitteln "in kommunikativen Konflikten zwischen Betreuer und Nachwuchswissenschaftler, in Autorschaftskonflikten", erklärt der Sprecher von Ombudsmann für die Wissenschaft, Wolfgang Löwer, im DLF.

Wolfgang Löwer im Gespräch mit Jörg Biesler | 22.05.2015
    Mehrere Bücher liegen auf drei Stapeln nebeneinander.
    Es liege auf der Hand, dass es Konflikte in solchen hochkomplexen Zusammenängen wie der Wissenschaft gebe, so Wolfgang Löwer. (picture-alliance / dpa / Romain Fellens)
    Jörg Biesler: Den Ombudsmann für die Wissenschaft, den gibt's seit 1999. Das ist ein Gremium, das Ansprechpartner sein soll in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis. Mittlerweile gibt's Ombudsleute auch an den Hochschulen, und die treffen sich gerade in Bonn - gemeinsam mit dem gleichnamigen eben erwähnten Gremium Ombudsmann für die Wissenschaft, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft eingerichtet hat, das aber unabhängig von der DFG arbeitet. Dessen Sprecher ist der Bonner Jurist Wolfgang Löwer. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt, wie konfliktreich die Arbeit der Ombudsleute im Alltag ist.
    Wolfgang Löwer: Wir haben es ja mit relativ komplexen Organisationen in der Wissenschaft zu tun, wenn Sie sich alleine das Größenwachstum von Wissenschaft mal vorstellen. Im Kaiserreich hatten wir 2.000 Professoren, heute haben wir über 40.000, dazu kommen wahrscheinlich 160.000 festangestellte wissenschaftliche Mitarbeiter in dem ganzen Sektor der außeruniversitären Forschung. Die alle wollen daran mitwirken, innovativ das Wissen zu steigern. Dass es da Konflikte geben wird in solchen hochkomplexen Zusammenhängen, liegt ja auf der Hand.
    Biesler: Die Tagung steht unter der Überschrift "Gefährdete Wissenschaft?", das klingt, als ob es schlimm stünde um das Ansehen der Wissenschaft, zumal die Podiumsdiskussion heute fragt, wie lässt sich das Vertrauen in die Wissenschaft zurückgewinnen.
    Löwer: Es ist ja doch unübersehbar, dass wir durch eine Fülle von spektakulären, also scheinbar spektakulären Plagiatsverfahren von der Öffentlichkeit kritisch betrachtet werden, und das natürlich immer zu Recht, weil Systeme, die solche Ergebnisse produzieren, muss man sich ja kritisch anschauen. Wir haben hin und wieder - ob in Deutschland oder sonst wo - spektakuläre Fälschungsskandale, Dinge ja grundsätzlich immer geeignet sind, Vertrauen, das ja global entgegengebracht wird und nicht differenziert, infrage zu stellen. Deshalb hat allerdings unser Thema auch ein Fragezeichen hinten dran bei der "Gefährdeten Wissenschaft?", aber Wissenschaft muss sich immer darüber klar sein, dass sie eine Bringschuld ihrer Ergebnisse gegenüber der Öffentlichkeit hat und dass sie Wissenschaft nur dann ist, wenn sie nach Regeln guter wissenschaftlicher Praxis arbeitet. Die Steuerzahleralimentation kann ich also nur erwarten, wenn ich diese Maßnahmen der Qualitätssicherung auch befolge.
    Biesler: Wir debattieren - Sie haben es gerade selber gesagt - aufgrund spektakulärer Fälle auch intensiver als in der Vergangenheit über dieses Thema. Ist denn das Thema ein größeres geworden, weil möglicherweise der Druck auf Wissenschaftler auch größer wird und Wissenschaftlerinnen da Ergebnisse von spektakulären Ausmaßen erzielen, oder gab's das immer und wir sind nur offener geworden?
    Löwer: Aus meiner Sicht müssten wir die Frage beantworten können, wenn das möglich wäre, ob wir einen nur zum Größenwachstum proportionalen Anstieg solchen Fehlverhaltens haben oder ob wir einen überproportionalen Anstieg solchen Fehlverhaltens beobachten können. Das wissen wir natürlich nicht, weil wir ja gar nicht die Zahl der Fälle kennen, die wir kennen müssten. Es gibt ja sicher mehr als die, die wir kennen. Also das ist eine ganz schwer zu beantwortende Frage, dass die Rahmenbedingungen der Forschung - was für individuelles Fehlverhalten nicht entschuldigend gemeint ist -, dass die Rahmenbedingungen der Forschung so sind, dass der Wettbewerbsdruck immer größer wird und damit moralisch nicht gewachsen sein solchen Herausforderungen wahrscheinlicher wird.
    "Kommunikative Konflikte zwischen Personen entschärfen"
    Biesler: Der Ombudsmann oder die Ombudsfrau, die müssen ja quasi immer tänzeln zwischen Öffentlichkeit, aber auch einer gewissen Verschwiegenheit. Ein Teil Ihrer Tagung heute findet nicht öffentlich statt. Um Vertrauensschutz zu gewährleisten?
    Löwer: Nein, um den Ombudsleuten, die ja von bestimmten Einrichtungen kommen, eine völlig unbeschwerte Berichtsmöglichkeit zu eröffnen. Die sollen nicht durch irgendwelche Rücksichtnahmen limitiert werden. Weil Ombudsverfahren, die ja zunächst mal in vielen Fällen dazu dienen, kommunikative Konflikte zwischen Personen zu entschärfen, sind natürlich auf Nichtöffentlichkeit, auf Vertraulichkeit angelegt, weil sonst kriegen sie keinen Vermittlungserfolg hin. Davon zu unterscheiden sind dann ernste Fälschungsfälle oder so etwas, die werden dann aber auch nicht mehr in den Strukturen dieser Verschwiegenheit abgewickelt, sondern die werden als wissenschaftseinrichtungsbezogenes Verfahren dann ja mit dem Ziel der Sanktionierung auch von der Leitungsebene der Hochschule betrieben. Auf der Ebene des Ombudswesens geht es häufig darum, in kommunikativen Konflikten zwischen Betreuer und Nachwuchswissenschaftler, in Autorschaftskonflikten und so weiter zu vermitteln. Dazu braucht man Vertraulichkeit, und diese Vertraulichkeit kriegen auch die Ombudsleute, die jetzt über solche Probleme berichten sollen.
    "Mediation ist so eine Art Ausbildungsberuf"
    Biesler: Sie haben ja auch eine Fortbildung im Angebot, da geht's um Konfliktmanagement und Mediation, das heißt, ein Wissenschaftler zu sein und die Regeln zu kennen, reicht offensichtlich für die Tätigkeit als Ombudsmann oder als Ombudsfrau überhaupt nicht aus, sondern da tut Professionalisierung not.
    Löwer: Ja, also Professionalisierung wäre keine schlechte Idee, denn die Ombudsleute an den Universitäten sind ja aus durchaus guten Gründen normalerweise Professoren, weil es müssen ja Leute sein, die den Wissenschaftsbetrieb auch kennen und die auch eine Chance haben, sich gegen ihre Kollegen zu behaupten. Und deshalb sind es Professoren, aber Professoren haben viel gelernt, aber nicht unbedingt, wie man Krisenmanagement sinnvoll angelegt. Ich meine Mediation ist so eine Art Ausbildungsberuf - es gibt schon so Regeln, die man besser kennt, wenn man solche Verfahren betreibt. Und dieser Schritt der Professionalisierung ist jedenfalls eine gute Idee.
    Biesler: Die Ombudsmänner und -frauen der Republik treffen sich derzeit in Bonn. Ihr Sprecher ist Wolfgang Löwer, er hat mit uns gesprochen, danke schön!
    Löwer: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.