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Treffen der Staatschefs Chinas und Taiwans
"Von der historischen Begegnung ist nicht viel übrig geblieben"

Politisch außergewöhnlich ist das Treffen des chinesischen Präsidenten mit dem taiwanesischen Präsidenten in Singapur auf jeden Fall. Aber ist es auch historisch? Es habe keinerlei Vereinbarungen gegeben, sagte der Chinaexperte der Friedrich-Naumann-Stiftung in Südostasien, Armin Reinartz, im DLF. Trotz des Handschlags sei ein neues Treffen eher unwahrscheinlich.

Armin Reinartz im Gespräch mit Mario Dobovisek | 07.11.2015
    Taiwans Präsident Ma Ying-jeuo (l.) und der chinesische Präsident Xi Jinping geben sich die Hand im Shangri-La Hotel in Singapur.
    Annäherung zwischen Taiwans Präsident Ma Ying-jeuo dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping (picture alliance / dpa / Wallace Woon)
    Mario Dobovisek: Wie politisch außergewöhnlich das Treffen des chinesischen Präsidenten mit dem taiwanesischen Präsidenten heute in Singapur ist, beweist bereits das Problem der gegenseitigen Anrede. Chinas Präsident Xi darf sein Gegenüber Ma auf keinen Fall "Präsident" nennen, denn das würde ja heißen, dass Taiwan ein souveräner Staat wäre. China aber betrachtet die Insel seit dem Bürgerkrieg vor 66 Jahren als abtrünnige Provinz, als Teil der Volksrepublik China. Auch die etwas angestaubte Anrede "Parteichef" fällt aus, weil Ma nicht mehr Vorsitzender seiner kommunistischen Partei ist. So treffen sich in Singapur heute bloß zwei Herren, nämlich die Herren Xi und Ma. Markus Rimmele berichtet.
    Markus Rimmele berichtete über das Treffen der Staatschefs Chinas und Taiwans. Darüber möchte ich sprechen mit Armin Reinartz, dem Chinaexperten der Friedrich-Naumann-Stiftung in Südostasien. Ich grüße Sie, Herr Reinartz!
    Armin Reinartz: Guten Tag!
    Dobovisek: Wie schwierig war es überhaupt, die passende Anrede zu finden, das habe ich schon vorhin erwähnt? Welche Bedeutung hat das Treffen der beiden Herren Xi und Ma?
    Reinartz: Am Anfang der Woche oder am Mittwoch, als das bekannt wurde, dass es dieses Treffen spontan und überraschend geben sollte, da galt das alles noch als historischer Moment, als historischer Handschlag auch bezeichnet. Das ist jetzt, nach dem Treffen, formal noch richtig, das war sicherlich eine formalhistorisch historische Begegnung. In der Substanz ist aber davon nicht mehr viel übrig geblieben, wenn man sich anschaut, das Treffen kam zustande in Singapur, im Rahmen einer ohnehin geplanten Reise Xi Jinpings. Es gab auch keinerlei Vereinbarungen. Es hätte ja Sachen gegeben, die man hätte besprechen können, wie Ausbau von Investitionsmöglichkeiten Taiwans auf dem Festland oder umgekehrt auch Tourismus vom Festland nach Taiwan. Da gab es aber keinerlei Vereinbarung, und damit ist es erst mal wirklich nur ein Handshake geblieben, ein Handschlag.
    Dobovisek: Gehen Sie davon aus, dass es weitere solcher Treffen geben könnte?
    "Ein neues Treffen halte ich für eher unwahrscheinlich"
    Reinartz: Das wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Es ist die Frage, wie stark versucht China noch in den taiwanesischen Präsidentschaftswahlkampf einzugreifen. Das ist hier auf Taiwan sehr stark als eine solche Geste gewertet worden. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass China versucht, über Symbolik, gerade mit Zusammentreffen von Politikern, von Ma Ying-jeous Kuomintang, sozusagen Signale zu senden. Das kann durchaus noch mal passieren. Ein neues Treffen halte ich für eher unwahrscheinlich, da wird auch wahrscheinlich jetzt Peking erst mal genau schauen, wie sind die Reaktionen, was daran ist als Erfolg zu werten, was daran hat sich als Nachteil herausgestellt. Und dann wird man da wahrscheinlich in Peking weiterschauen.
    Dobovisek: Wir beobachten seit mehreren Jahren den sogenannten Pivot to Asia Barack Obamas, das verstärkte Engagement der USA in Asien. Wir können in diesen Tagen beobachten, wie ein US-Kriegsschiff um die umstrittenen Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer patrouilliert. Sind das alles Entwicklungen, die China möglicherweise dazu bringen könnten, auf Deutsch gesagt, aufzuräumen vor der eigenen Küste?
    Reinartz: Da spielt alles zusammen. Das hängt natürlich damit zusammen. Da überrascht es aber vielleicht sogar eher, dass Xi Jinping diesen Schritt gewagt hat und mit der Tradition gebrochen hat, wirklich ganz klar sich nicht mit staatlichen Offiziellen von Taiwan zu treffen, sondern dass er tatsächlich diesen Schritt unternommen hat von Präsident zu Präsident, auch wenn man sich anders angeredet hat, weil er zu Hause eigentlich eher in der Kritik steht gerade. Im Südchinesischen Meer, Sie haben es angesprochen, die USS Lassen ist in, was China als seine Gewässer reklamiert, hineingesegelt. Da wurde von Xi Jinping oder wurde die Regierung stark kritisiert vom linken Parteiflügel, von den Nationalisten, dass sie nicht hart genug reagiert hätten, dass man da etwas gegen hätte tun müssen. Und dass Xi Jinping dann kurz danach dann noch so einen Schritt unternimmt, der als Tabubruch empfunden wird, das ist eigentlich, würde ich sagen, eher ein Zeichen auch, dass er versucht vielleicht, in der Partei seine Macht zu demonstrieren, auch zu zeigen, ich kann machen, was ich möchte, ich kann hier auch gegen Widerstände Politik machen. Im Südchinesischen Meer ...
    Dobovisek: Schauen wir in eine andere Region. Wir erreichen Sie nämlich gerade in Myanmar. Dort wird morgen ein neues Parlament gewählt, nach Jahrzehnten der Militärherrschaft stehen die 30 Millionen Wähler vor der Frage, weiter mit dem Militär oder mit der Oppositionsführerin, der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi? Wie ist die Stimmung im Land? Wie nehmen Sie die wahr?
    Myanmar vor der Parlamentswahl: "Hier herrscht auf jeden Fall eine euphorische Stimmung"
    Reinartz: Hier herrscht auf jeden Fall eine euphorische Stimmung. Die Naumann-Stiftung hat auch im Vorfeld der Wahl, in den letzten Monaten schon Wählerschulungen durchgeführt. Da spürt man das sehr stark. Hier ist der Wunsch nach Wandel praktisch greifbar. Die Leute nehmen diesen Tag – morgen ist für sie ein ganz besonderes Datum. Und das sieht man zum Beispiel dann, wenn – letzte Woche gab es eine Großkundgebung mit Aung San Suu Kyi in Yangon, das war fast Volksfeststimmung. Also, die Erwartungen sind sehr, sehr groß, dass sich mit diesen Wahlen auch etwas ändert. Und viele glauben tatsächlich, dass sie Aung San Suu Kyi zur Präsidentin wählen können bei diesen Wahlen, und das ist ja tatsächlich nicht der Fall. Es sind Parlamentswahlen, und auch das Parlament wird dann erst im nächsten Jahr einen Präsidenten wählen. Und Aung San Suu Kyi ist überhaupt auch nicht legal – es gibt nicht die legale Möglichkeit, Präsidentin zu werden, das schließt die Verfassung aus, weil sie Verwandtschaft mit ausländischer Staatsbürgerschaft hat. Da werden einige Erwartungen wahrscheinlich auch enttäuscht werden.
    Dobovisek: Der Wunsch nach einem Wandel, sagen Sie, ist da, ist überall greifbar. Aber wird der Wunsch ausreichen, dass sich Myanmar tatsächlich verändert?
    Reinartz: Ich glaube, da muss man mit einbeziehen, dass das Land ja schon dabei ist, sich zu verändern. Der Öffnungsprozess ist schon da, und diese Wahlen sind ein wichtiger Schritt in diesem Prozess und auch natürlich eine Art Stresstest, um zu schauen, inwieweit will sich das Land öffnen, inwieweit wollen die alten Eliten auch diesen Prozess noch weiter unterstützen. Und dann wird sehr viel davon abhängen, wie das Wahlergebnis genau aussieht, wie die Anhänger der beiden großen Parteien, die Anhänger Aung San Suu Kyis, aber auch eben die der anderen Parteien, nachher mit dem Wahlergebnis umgehen und wie kompromissbereit man sein wird eigentlich am Montag dann, um mit dem Ergebnis zu arbeiten und diese Öffnung weiterzuentwickeln.
    Dobovisek: Armin Reinartz von der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung in Südostasien live aus Myanmar, deshalb auch die etwas knarzige Telefonverbindung. Aber die Eindrücke, die Sie geschildert haben, waren um so interessanter. Ich danke Ihnen für diese Einschätzungen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.