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Treibhausgas mit Turbo

Klimaforschung. - Das Treibhauspotential von Methan geben Wissenschaftler mit dem 20-fachen von Kohlendioxid an. Dieser Wert, so zeigen Modellierungen der Nasa jetzt, scheint um ein Viertel zu niedrig zu liegen. In der aktuellen "Science" stellen die Forscher ihre neuen Ergebnisse vor.

Von Volker Mrasek |
    Wenn man mit Atmosphärenchemikern spricht, kann einem ganz schwindlig werden. Dann erfährt man: Es gibt Tausende Verbindungen, die an den chemischen Reaktionen in der Luft beteiligt sind. Forscher der US-Raumfahrtbehörde Nasa haben jetzt wenigstens einen Teil davon in ihrem Klima-Simulationsmodell untergebracht ...

    "Wir haben um die 160 chemische Reaktionen, die wir simulieren. Daran beteiligt sind rund 60 Spurengase und 20 verschiedene Sorten Aerosole oder Schwebstaubpartikel. Wir glauben, daß wir damit die wichtigsten chemischen Reaktionen in der globalen Atmosphäre abdecken."

    Die Ergebnisse ihrer Simulation präsentieren Nasa-Physiker Drew Shindell und seine Kollegen jetzt in der Fachzeitschrift "Science". In ihrem Computermodell ließen sie das Treibhausgas Methan mit anderen Luft-Komponenten interagieren: mit reaktiven Spurengasen wie auch mit diversen Aerosolen. In der Natur sind diese Wechselwirkungen gang und gäbe. In heutigen Klimamodellen aber tauchen sie nur rudimentär auf, wie Drew Shindell bedauert:

    "Wir haben herausgefunden, daß die Wechselwirkungen sehr wichtig sind. Bisher wußte man das nur für Regionen mit hoher Luftverschmutzung. Unsere Studie ist die erste, die sich ein globales Bild macht. Und da zeigt sich: Durch die Interaktionen mit Aerosolen und mit anderen Spurengasen erhöht sich das Erwärmungspotential von Methan um rund 25 Prozent."

    Methan entweicht vor allem aus Rindermägen und Mülldeponien. Es ist die Nummer 2 unter den anthropogenen Treibhausgasen und folgt gleich auf Kohlendioxid. Zwar sind die Methan-Emissionen viel geringer als die von CO2. Doch betrachtet man das einzelne Molekül, dann hat Methan eine 20 Mal so starke Wärmewirkung wie CO2. Das heißt: Sie ist sogar noch größer, wenn man die Ergebnisse der neuen "Science"-Studie miteinbezieht. Shindell:

    "Die reaktionsfreudigste Substanz in der Luft ist das sogenannte Hydroxyl-Radikal. Wir nennen es auch das "Waschmittel der Atmosphäre". Methan hat einen starken Einfluß auf seine Konzentration. Wenn man Methan zugibt, wirkt sich das deshalb auf die Selbstreinigungskraft der Atmosphäre aus. In der Folge verändert sich nicht nur die Konzentration vieler anderer Spurengase, sondern auch von Aerosolen, die einen Einfluß auf das Klima haben."

    Unter anderem führt Methan dazu, daß Ozon in der unteren Atmosphäre zunimmt, und das ist selbst ein Treibhausgas. Ein weiterer Effekt: Der Gehalt von Sulfat-Aerosolen geht zurück. Das ist zwar gut für die Luftqualität, denn diese Schwebpartikel verursachen den Sauren Regen. Doch es ist schlecht fürs Klima. Sulfat-Aerosole reflektieren nämlich das Sonnenlicht und wirken deshalb abkühlend. Da Methan ihre Konzentration vermindert, ergibt sich ein zusätzlicher Erwärmungseffekt. Sollte sich die Klimaschutzpolitik nun stärker auf Methan konzentrieren, da es offenbar ein potenteres Treibhausgas ist als bisher gedacht? Der Norweger Terje Berntsen rät davon ab. Er ist Professor für Atmosphärenchemie an der Universität Oslo und einer der Hauptautoren des letzten Welt-Klimareports:

    "Wenn man sich jetzt stärker auf Methan verlegte, würde man ja gleichzeitig höhere Kohlendioxid-Emissionen zulassen. Und CO2 ist das viel langlebigere Treibhausgas von beiden. Man würde also vielleicht erreichen, daß die Temperaturen vorerst nicht so stark steigen, wenn man Methan stärker kontrollierte. Aber CO2 würde langfristig zu noch höheren Temperaturen führen. Künftige Generationen bekämen dann um so größere Probleme."

    Die Lösung könne nur sein, bei allen Treibhausgasen größtmögliche Reduktionen zu erreichen. Und die Klimaerwärmung kurz- wie auch langfristig zu bekämpfen.