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Treibhausgase unter Tage

Klimaschutz. - Wer die globale Klimaerwärmung abwenden will, der muß aufhören, immense Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre zu entlassen. Das ist mittlerweile bekannt. Doch weniger zu produzieren ist nicht die einzige Lösung. Denkbar wäre auch, das Treibhausgas CO2 nachträglich zu entsorgen: tief unter der Erde, in Sandstein-Schichten, Öl - oder Erdgasfeldern, oder eben auch in Kohleflözen. Ob diese spezielle Art, das Problem "Treibhausgase" unter den Teppich zu kehren, Zukunft hat, kann derzeit niemand sagen, aber sie ist eine Option. Im oberschlesischen Kattowiz laufen gerade erste Tests in einem Kohleflöz. Pumpen schaffen das Kohlendioxid in tiefe Schichten, wo es in jede Ritze dringt und - wenn alles gut läuft - hängenbleibt.

Von Jan Lublinski | 12.12.2004
    Was die Gesellschaft will, ist eine klimaneutrale und nachhaltige Umwelt. Also keine Emissionen in die Luft, und das auf lange Sicht. Gleichzeitig aber brauchen wir viel Energie. Es ist abzusehen, dass es sehr schwierig wird, Sonnenenergie, Wind und Biomasse sehr schnell als einzige Energiequellen zu etablieren, das heißt wir werden mindestens 50 bis 100 Jahre von fossilen Energieträgern abhängen. Aber wenn wir diese Energieträger auf eine saubere Art und Weise nutzen wollen, müssen wir das CO2 irgendwo speichern.

    May: Die Überlegungen werden auf jeden Fall in den Unternehmen angestellt, in Deutschland vor allem von den Stromerzeugern.

    Kroos: (..)diese Idee hat schon was sehr Attraktives

    May: Es wird sehr viel Geld auf europäischer Ebene in diese Forschung reingesteckt, (wo viele Institute sich drum bemühen,) wo viele Firmen mitwirken, die da ein zukünftiges Geschäftsfeld wittern.

    Kroos: Das heißt nicht unbedingt, dass ich persönlich jetzt der Auffassung bin, dass diese CO2-Unter-Tagespeicherung die Lösung all unserer Probleme ist.

    Der "Wissenschaftlichen Beirat des Bundesregierung Globale Umweltveränderungen", kurz WBGU, hat in einer Studie verschiedene Szenarien für die Zukunft der weltweiten Entwicklung am Computer durchgespielt – und kommt zu dem Schluss, dass die Speicherung von CO2 zu einem wichtigen Bestanteil einer Überlebensstrategie der Menschheit werden könnte.

    Luther: Wir haben uns mal ein Extremszenario vorgenommen. Also ein Szenario, wo man ein sehr deutliches Wirtschaftswachstum hat, wo man ein sehr stark technologieorientiertes Wirtschaften auf der Welt hat und wo man eine globale Konvergenz hat.

    Joachim Luther leitet das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg und ist Mitglied im WBGU.

    Luther: Und dann haben wir das versucht nachzuweisen und zu überlegen, auf welcher Basis man dann eine Welt nachhaltig mit Energie versorgen kann und das Ergebnis ist: Es funktioniert: Einmal rationeller intelligenter Umgang mit Energie, zweitens: erneuerbare Energien. drittens im Bereich fossiler Energien, die man noch lange brauchen wird, höchst effiziente Kraftwerke, und des weiteren in einem gewissen Umfang: Sequestrierung, also Tiefenlagerung von CO2 in geologischen Formationen.

    Tiefenlagerung von CO2 bedeutet, dass man das Treibhausgas Kohlendioxid nicht einfach über Schornsteine in die Luft abgibt, sondern dass man es in die Erde pumpt und dort über lange Zeiträume deponiert. Ob, wie und wo das gelingen kann, wird zur Zeit in verschiedenen Projekten erforscht.

    Am Rande einer Kiesgrube in Oberschlesien, südlich von Kattowitz, etwas abseits einer Landstraße, haben LKWs zwei große, lange Flüssiggas-Tanks abgestellt: Sie enthalten tiefgekühltes Kohlendioxid, CO2, das aus einer polnischen Düngermittelfabrik stammt. Das CO2 läuft durch Gasleitungen zu einer Pumpe, von dort zu einem Heizaggregat, dann weiter quer über einen kleinen Platz zu einem Bohrlochkopf, der aussieht wie ein etwas zu groß geratener Hydrant.

    Van Bergen: Wir haben hier ein 1100 Meter tiefes Loch gebohrt und darin ein Metallrohr eingelassen. In diesem Rohr befindet sich eine zweite, kleinere Röhre, durch die pumpen wir das CO2 nach unten. Wir können jetzt die Temperatur und den Druck des Gases messen, hier oben aber auch ganz unten in der Röhre – so dass wir genau wissen, wie das CO2 reagiert.

    Frank van Bergen vom Niederländischen Geologischen Dienst, TNO. An der Einfahrt zu dieser Versuchsanlage wehen zwei Fahnen, die mit der Zeit ein wenig schmutzig geworden sind: Die eine ist weiß-rot - für Polen -, die andere ist blau mit einem Ring aus Sternen. Die Europäische Union finanziert dieses Forschungsprojekt mit Namen RECOPOL. Ein internationales Team aus Wissenschaftlern und Technikern will hier herausfinden, ob sich CO2 in Kohleflözen tief in der Erde speichern lässt.

    Zur Zeit sind sie damit beschäftigt, eine neue, zweite Gasleitung zu verlegen, die ebenfalls quer über den Platz zum Bohrloch laufen soll. Es weht ein kräftiger Wind, und die Flamme des Schweißgerätes geht immer wieder aus. Ein Techniker streift seinen Mantel ab und hält ihn als Windschutz vor die Stelle, an der sein Kollege zwei Rohre zusammenfügen will. Vladimir Asanov von der Firma "Air Liquide", die an dem Forschungsprojekt beteiligt ist.

    Asanov: Wir sind dabei einpaar Veränderungen vorzunehmen, um die uns die Wissenschaftler gebeten haben. Wir bauen eine Apparatur ein, mit der wir unter anderem den Druck erhöhen können, so dass wir noch mehr CO2 in die Bohrung einspritzen können.

    Das flüssige CO2, das in die innere Röhre gepumpt wird, erwärmt sich auf dem Weg in die Tiefe. Es wird gasförmig und wandert dann in drei ausgewählte Kohleschichten weit unter der Erde. Die Geologen haben kleine Löcher in die Metallröhren gesprengt, so dass das Gas seinen Weg in die Kohle finden kann.

    Skiba: Hier sind verschiedene Manometer, die den Druck anzeigen, der in der inneren und äußeren Röhre herrscht. Heute ist uns aufgefallen, dass beim Einspritzen des CO2, wenn die Temperatur sehr niedrig ist, der Druck in den Röhren um etwa 4 bar ansteigt. Das bedeutet, dass da unten irgendwas passiert, was wir noch nicht ganz verstehen.

    Jacek Skiba vom Zentralen Bergbauinstitut in Mikolow öffnet ein Ventil am Bohrkopf, und aus dem Bereich zwischen der inneren und äußeren Röhre fließt Wasser heraus, in einen Plastikeimer. Mit einem kleinen Messgerät ermittelt er den CO2-Gehalt des Wassers. Er hat Sorge, dass möglicherweise ein Leck im inneren Rohrsystem zum Austritt des Kohlendioxids geführt hat. Die Messung aber bestätigt diesen Verdacht nicht.

    Skiba: We were worried that there could be an kind of leakage of CO2 from the small pipe.

    Ganz offensichtlich strömt das CO2 die 1000 Meter lange Röhre in die Tiefe und verschwindet wie gewünscht in den Kohleschichten.
    Lange galt die Speicherung von CO2 als eine unrealistische weil teure Vision. Das aber könnte sich bald ändern: Im Januar 2005 beginnt der so genannte Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten. Das bedeutet: der Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre wird für die Unternehmen mit steigenden Kosten verbunden sein. Sie müssen zunächst versuchen, ihre CO2-Mengen durch verbesserte Verbrennungs- und Filtertechniken zu reduzieren. Oder sie können auch bei anderen Unternehmen Verschmutzungsrechte kaufen, so genannte Emissions-Zertifikate. Sollten diese Zertifikate zu einem hohen Preis gehandelt werden, so könnte auch die Tiefenlagerung des Kohlendioxids zu einer wirtschaftlich sinnvollen Option werden.

    May: Die Überlegungen werden auf jeden Fall in den Unternehmen angestellt, in Deutschland vor allem von den Stromerzeugern.
    Franz May von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.

    May: Allen voran die, die die großen Braunkohlekraftwerke betreiben. Wattenfall in der Lausitz und RWE am Niederrhein. Wir haben auch einen großen Neubaubedarf von Kraftwerken in den nächsten Jahren in Deutschland. Und da wird intern in den Firmen schon überlegt: Ist CO2-Speicherung eine Option für uns oder nicht?

    Optimistischen Schätzungen zufolge ließen sich etwa 30 Gigatonnen CO2 im deutschen Boden unterbringen. Das entspricht in etwa den C02-Mengen, die in Deutschland innerhalb einiger Jahrzehnte produziert werden. Ein solches Speicher-Programm böte - zumindest theoretisch – die Möglichkeit, einen klimaverträglichen Übergang zu schaffen zu einer Wirtschaft, die auf erneuerbaren Energieträgern basiert.

    May: Wir haben in Deutschland vor allem Speicherkapazitäten in Norddeutschland, im norddeutschen Becken zu erwarten. Das nördlich vom Münsterland bis in die Nordsee hinein ragt und dann sich von der niederländischen Grenze bis zur polnischen Grenze sich erstreckt. Überall dort sind Gesteine vorhanden, in denen CO2 theoretisch gespeichert werden könnte. Wir schätzen, dass etwa vier fünftel des Speicherpotenzials, das wir in Deutschland haben, sich in Norddeutschland befinden wird.

    Aber nicht überall, wo Kraftwerke stehen oder geplant werden, sind auch die geologischen Bedingungen im Untergrund geeignet für eine CO2-Deponie. Und nicht überall wo sich CO2 prinzipiell speichern ließe, wird dies auch tatsächlich möglich werden.

    May: Sehr ähnlich wie bei der Windenergie. Wir haben sehr viele Berge, wo der Wind heftig weht, wir wollen aber nicht auf der Zugspitze oder auf dem Drachenfels ein Windrad stehen haben. Das theoretische Potenzial ist weit größer als das praktisch umsetzbare Potenzial. Und das praktisch umsetzbare Potenzial kann im Moment nicht abgeschätzt werden.

    Die Mitarbeiter des RECOPOL-Teams finden sich in einem engen Bau-Container ein, nicht weit von den CO2-Tanks entfernt. An den Wänden hängen weiße Helme, Gasmessgeräte, Spezialhandschuhe für die Arbeit mit minus 20 Grad kaltem Kohlendioxid sowie ein Kalender mit leicht bekleideten Frauen. Ehemalige Kumpel einer nahegelegenen Zeche schieben in diesem Container Schichtdienst und überwachen die CO2-Injektion 24 Stunden am Tag. Alle 15 Minuten erinnert eine Eieruhr sie daran, dass sie die aktuelle Temperatur und Druckdaten aus dem Bohrloch in einer Tabelle handschriftlich notieren müssen.

    Skiba: Am Anfang des Projektes haben wir die Kollegen angewiesen, die Daten mit der Hand zu notieren. Inzwischen speichert unser Computer hier die Daten natürlich auch. Aber wir haben das beibehalten, die Messungen doppelt aufzunehmen. Man weiß ja nie.

    Kaum hat Jacek Skiba vom Zentralen Bergbauinstitut in Mikolow diese doppelte Datenerfassung erklärt, fällt prompt der Strom aus. Vermutlich haben die Schweißarbeiten zu viel Strom benötigt. Zum Glück sorgt eine Sicherheitsbatterie dafür, dass der Computer weiter arbeitet.

    Skiba: We lost the power. Maybe because of the welding. We have a backup-battery. So the computer will stay running.

    Nach einpaar Minuten ist der Strom wieder da. Die Mitarbeiter des RECOPOL-Projektes genehmigen sich einen Kaffee. Seit nunmehr vier Monaten pumpen sie CO2 in den schlesischen Boden, und die ersten Analysen der Messdaten zeigen, dass es tatsächlich gelingt, das Gas in feine Ritzen der Kohle, den so genannten Schlechten unterzubringen.

    Skiba: Bislang sehen unsere Ergebnisse sehr gut aus. Wir sind, aufgrund der jüngsten Daten sicher, dass wir das CO2 wirklich in den Kohleflözen unterbringen können. Also nicht in irgendeine große Lücke oder in einen Spalt. Das ist noch niemandem vor uns gelungen. Wir schaffen es tatsächlich, das CO2 in diese dichte, mitteleuropäische Kohle hineinzupressen.

    Etwa 100 Meter vom ersten Bohrloch des RECOPOL-Projektes entfernt befindet sich ein zweites. Hier zieht eine mächtige alte Ölpumpe Wasser aus der Erde – und befördert gleichzeitig das Erdgas Methan an die Oberfläche. Die Methan-Moleküle sitzen unter Tage in den feinen Ritzen in der Kohle. Sollte es nun in den kommenden Monaten zu einem Anstieg der Methangas-Mengen kommen, so würde das bedeuten, dass das CO2 vom ersten Bohrloch das Methan in den Kohleschichten verdrängt und nach oben drückt.

    Skiba: Wir werden so lang wie möglich CO2 nach unten pumpen. Das Projekt wird noch bis zum Frühjahr finanziert, und wir hoffen, dass uns dieser Durchbruch bald gelingen wird. Wir erwarten einen deutlichen Anstieg der Methanproduktion im zweiten Bohrloch, was bedeuten würde, dass das CO2 das Methan in der Kohle freisetzt.

    Auf diese Weise wäre es dann möglich, gleichzeitig Erdgas zu fördern und CO2 zu deponieren – also eine weitgehend emissionsfreie Nutzung fossiler Brennstoffe.

    Was aber genau geschieht in der Kohle, wenn die CO2-Moleküle in sie eindringen? Der Geologe Andreas Busch simuliert die physikalisch-chemischen Prozesse des RECOPOL-Experiments in seinem Labor an der RWTH Aachen. Sein Testmaterial: 10-Zentimenter lange Kohleproben aus dem schlesischen Revier. Die steckt er in einen speziellen Ofen, in den verschiedene schmale Gasleitungen führen, und erzeugt dort Bedingungen wie in 1000 Metern Tiefe: Er kann die Temperatur der Kohle genau einstellen und mit einem speziellen Druckluftsystem auch den Druck, der auf der Kohle lastet. Unter diesen kontrollierten Bedingungen prüft er, wie die kleinen Moleküle CO2 und CH4, also Kohlendioxid und Methan, durch die Kohle wandern.

    Busch: Methan lagert sich wohl wirklich nur rein an der Oberfläche an, CO2 hingegen ist aggressiver,(im überkritischen Zustand,) also oberhalb von 31 Grad Celsius und unterhalb von 70 ist sehr reaktiv und dringt in die polymere Kohlenstoffstruktur ein und lagert sich dann in den allerkleinsten Poren die vielleicht die Größe von einem Moleküldurchmesser haben, kommt es hin und kann da gespeichert werden.

    Diese Aggressivität des CO2 birgt möglicherweise Probleme: Weil es in die feinsten Poren wandert, kann es bewirken, dass die Kohle aufquillt, was sich wiederum negativ auf die Durchlässigkeit der Flöze insgesamt auswirken könnte. Weiterhin hat Busch mit seinen Experimenten herausgefunden, dass das Methan in der Kohle sich nicht immer vom einströmenden CO2 verdrängen lässt.

    Busch: Wir haben festgestellt, dass die Kohle definitiv oberhalb von 90 bar CO2 adsorbiert, aber unterhalb diesen Druckes haben wir festgestellt, dass Methan die Gaskomponente ist, die bevorzugt an der Kohle adsorbiert wird, im Vergleich zu CO2. Aber das ist im Moment unser gegenwärtiger Forschungsbereich, wo wir versuchen Trendlinien herauszubekommen. Ob das von der Kohle abhängig ist, ob das von der Reife abhängig ist. Welche Parameter das Ganze überhaupt beeinflussen.

    Während die CO2-Speicherung in Kohle noch die Grundlagenforscher beschäftigt, ist die Entwicklung bei anderen geologischen Formationen schon weiter: Mit der Speicherung in Öl- oder Erdgasfeldern gibt es bereits Erfahrungen aus den USA und Kanada. Dort hat sich gezeigt, dass die Förderrate erhöht werden kann, wenn CO2 in die Erde gepumpt wird. Daneben bieten sich auch salzwasserhaltige Sandsteinschichten, die sogenannten Saline Aquifere, für die Treibhausgas-Speicherung an. Bernhard Krooss von der RWTH Aachen.

    Kroos: Die Zwischenspeicherung von Erdgas beispielsweise in Aquiferen ist Stand der Technik. Es wird also schon seit Jahrzehnten für die Monate höheren Gasbedarfes in den Sommermonaten zwischengespeichert in verschiedenen Speichersystem (.. ) Diese Technologie ist bekannt. Man kann ausgehend von dieser Technologie relativ schnell auf CO2-Technologie umschalten, wobei wiederum die speziellen chemischen und physikalischen Eigenschaften von CO2 berücksichtigt werden müssen. Dann kommen eben so Fragen wie Korrosion, Standfestigkeit der Bohrungseinrichtungen über geologische Zeiträume zum Tragen.

    Als Vorzeigeprojekt gilt das Sleipner-Erdgas-Reservoir vor der norwegischen Küste. In der Nähe der Bohrung befindet sich eine weit ausgedehnte Gesteinsschicht, die inzwischen für die Speicherung von CO2 genutzt wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Gesteinsschicht hier absolut dicht ist und dass hier keine chemische Reaktionen stattfinden.

    Kroos: Norwegen hat erhöhte Abgaben für die CO2-Emission, und daraufhin hat es sich für die Firma Stat-Oil, die dieses Feld betreibt, gerechnet, eine Anlage aufzubauen, die das geförderte CO2 aus dem geförderten Gas abtrennt und unter Tage in die sogenannte Utsira-Sandstein-Formation injiziert.

    Allerdings besteht bei diesen Sandsteinschichten im Allgemeinen ein Problem: Es gilt sicherzustellen, dass das CO2 auch langfristig in den vorgesehenen Bereichen bleibt und nicht in andere Schichten wandert und irgendwann doch wieder an die Oberfläche tritt. Diesen Fragen wird auch das Geoforschungszentrum Potsdam in den kommenden Jahren mit einer Testbohrung in der Nähe von Ketzin nachgehen.
    Eine ganz andere Möglichkeit besteht darin, das CO2 nicht im Boden sondern in den Tiefen der Ozeane zu versenken. Die meisten Experten hierzulande halten aber nicht viel davon, weil fraglich ist, ob das CO2 wirklich über tausende von Jahren im Wasser bleibt.

    May: Im Moment geht man davon in Europa aus, dass das nicht sicher ist, dass das keine Langzeit-Speicherung ist, und dass man da auch kein Geld investieren sollte. Das sieht anders aus in anderen Teilen der Welt, vor allem Japan, die auf dem Festland wenig Speichermöglichkeiten haben, und schon lange Praxis haben, Abfälle jeglicher Art irgendwie im Meer zu entsorgen. Dort wird sehr intensiv daran geforscht wie man CO2 im Wasser gelöst oder am Meeresboden speichern könnte.

    Einige Schritte von der RECOPOL-Bohrung entfernt haben die Geologen ein Loch gegraben, das lediglich zwei Meter tief ist. Bart Jura vom Zentralen Bergbauinstitut in Mikolow zieht an einem Kabel ein kleines graues Kästchen heraus.

    Das hier ist unser CO2-Messgerät. Es misst die CO2-Menge im Boden und sendet alle 15 Sekunden Daten an unseren Computer im Container.

    Das RECOPOL-Team hat fünf solcher kleiner Messstationen um die Bohrung verteilt. Sie dienen der Sicherheitsprüfung: Sollte das CO2 wider erwarten aus den Kohleflözen oder dem Bohrloch durch die Deckschichten hindurch an die Oberfläche dringen, könnte dies hier registriert werden. Auch in den Stollen einer nahegelegenen Kohle-Mine werden solche Kontrollmessungen vorgenommen. Sollte es bei der Untertage-Speicherung doch zu einem CO2-Austritt kommen, so wäre dies nicht nur eine finanzielle Katastrophe für die Betreiber. Möglicherweise drohen den Menschen an der Erdoberfläche auch Gefahren, etwa in dem Fall, dass das CO2 aufgrund der meteorologischen Bedingungen in bestimmten Senken am Boden bleibt. Insbesondere im Ruhrgebiet kennt man das Problem bereits, dass Erdgas aus alten Kohlezechen nach oben kommt und die Kelle füllt. Auch wenn CO2 wesentlich ungefährlicher ist, geregelt sind diese Fragen noch nicht.

    Busch: Es gibt in Deutschland kein Gesetz, zu dieser Thematik: Man weiß nicht, ist es jetzt Abfallentsorgung, ist es einfach nur eine Möglichkeit, um die Flözgasausbeute zu steigern, und solche Sachen. Und so was muss erst mal eingebracht werden, um so ein Projekt in Deutschland oder auch Frankreich und Belgien überhaupt umsetzen zu können. Und das wird sicher noch einpaar Jahre dauern. Und dann gibt es natürlich gerade in Deutschland das Problem, dass die Hauptkohlevorkommen – im Ruhrgebiet und im Saarland – in sehr sehr dicht besiedelten Gebieten liegen. Und wahrscheinlich finden viele Leute die Idee super – "aber bitte nicht in meinem Garten".

    May: Nehmen sie z.B. die Zementindustrie, die im Moment große Schwierigkeiten hat, in Deutschland neue Steinbrüche aufzumachen, um ihren Kalkstein zu gewinnen. Obwohl die ganze Schwäbische Alb z.B. oder andere Regionen in Deutschland aus Kalkstein bestehen. Ähnlich schwierig dürfte es für CO2-Speicherung aussehen, wenn man durch die gesamten Verfahren, die Standorterkundung, wenn man die Standortsicherheit im Einzelnen nachweisen müsste, durch die Raumordnungsverfahren, kann es sein, dass am Ende nur relativ wenige Standorte übrig bleiben.

    Auch sonst gibt es gute Gründe daran zu zweifeln, dass die CO2-Speicherung im großen Maßstab Realität werden wird: Je nachdem wie sich der Emissionshandel in den kommenden Jahren entwickelt, wird es nur an wenigen Standorten wirklich ökonomisch sein, das Treibhausgas abzutrennen und in der Erde zu deponieren.

    May: Die ganze CO2-Speicherung ist ja auch sehr energieaufwändig. Wir müssen sehr viel Geld reinstecken, um das CO2 zu komprimieren. Die Energie (fehlt uns dann, die) muss aus Rohstoffen aufgebracht werden, ob ich bei einem modernen Kraftwerk etwa 10 Prozent Effizienz verliere, dadurch dass ich CO2-Speicherung betreibe oder ob ich ein älteres Kraftwerk technisch aufrüste, und 10 Prozent Effizienz gewinne, das macht dann für die Lagerstätte ein Viertel oder ein Fünftel aus, die man dann für die CO2-Speicherung opfern müsste und nicht anderweitig nutzen könnte.#

    Sollte es darüber hinaus noch zu einem Regierungswechsel in Deutschland und einer Renaissance der Kernenergie kommen, so könnte der CO2-Speicherung schnell der Boden entzogen werden. Denn mit Kernenergie lässt sich Strom ohne Belastung für das Klima produzieren.
    Joachim Luther vom WBGU: Mit Kernenergie können sie natürlich relativ leicht CO2-frei Energieszenarien realisieren. Sie kaufen sich nur andere Probleme ein. Die man also sozial nicht nachhaltig oder verträglich bezeichnen würde, wie z.B. die globale Verbreitung von Atomwaffen überall auf der Welt. Klammer auf: Terrorismus, Klammer zu. Wir denken, dass so eine Welt nicht beherrschbar ist.

    Die Umweltschutzorganisation Greenpeace befürchtet unterdessen, dass große Summen für die Erforschung der CO2-Speicherung ausgegeben werden, die besser bei der Entwicklung erneuerbarer Energieträger angelegt wären. Und auch der Geochemiker Bernhard Krooss von der RWTH Aachen, der auch an der Grundlagenforschung zum RECOPOL-Projekt beteiligt ist, glaubt nur bedingt an die Möglichkeiten der Tiefenlagerung.

    Kroos: Obwohl und gerade weil wir hier in der fossilen Energieträgerforschung arbeiten, Kohle, Öl, Erdgas suchen, versuchen die Explorationskonzepte in diesem Bereich zu verbessern, ist uns doch klar dass diese Ressourcen begrenzt sind, (...) dass letztlich eine Energieeinsparung viel mehr bewirkt, als irgendwelche Aktivitäten in Bezug auf die (...) langfristige und kurzfristige Speicherung von CO2.

    Die Gesellschaft Deutscher Chemiker sieht der CO2-Tiefenlagerung einen teuren Irrweg und empfiehlt, Mittel für die Erprobung der CO2-Speicherung in der Erde sollten besser dem Schutz der natürlichen CO2-Speicher auf der Erde zugute kommen, also der Pflanzenwelt. Projekte zur Bekämpfung der Wüstenbildung und der Entwaldung sollten verstärkt gefördert werden.

    May: Auf der anderen Seite beteiligten sich die Chemiker selbst jetzt auch an Forschungsprojekten zur CO2-Minderung, ihrerseits, so dass da der Neid oder die Konkurrenz um Forschungsmittel eine Rolle spielt. Prinzipiell ist diese Kritik gerechtfertigt. Es wird sehr viel Geld auf europäischer Ebene in diese Forschung reingesteckt, wo viele Institute sich drum bemühen, wo viele Firmen mitwirken, die da ein zukünftiges Geschäftsfeld wittern. -- 57 Für die Unternehmen ist es im Grunde egal, ob sie Öl oder Gas nach oben fördern durch ihre Bohrungen oder ob sie CO2 nach unten in die Lagerstätten hinein fördern. Ihr Kapital, das sind die Bohrungen, so lange sie da Flüssigkeiten nach oben oder unten durchpumpen können, ist das für sie ein Geschäft, das ist eine Motivation für viele Unternehmen, sich mit der CO2-Speicherung zu beschäftigen.

    Insgesamt herrscht auf diesem Gebiet derzeit ein gewisser forschungs- und industriepolitischer Aktionismus. Die Kohle- und Erdgas-Lobby macht sich die Vision vom emissionsfreien Kraftwerk zu eigen. Ingenieurbüros versuchen schon jetzt Nutzungsrechte für die CO2-Speicherung in bestimmten Gebieten zu erwerben. Und die Europäische Union legt immer neue Projekte auf, um die Entwicklung voranzutreiben. Alle wollen dabei sein, auch wenn noch nicht so richtig klar ist, wohin die Reise geht.
    Unterdessen wird sich das RECOPOL-Team in Oberschlesien bald auflösen müssen. Eigentlich sollte das Projekt bereits Ende 2004 beendet werden. Nun ist eine Verlängerung bis zum Frühjahr möglich: Die Firma "Shell" übernimmt einen Großteil der Finanzierung für ein weiteres halbes Jahr. Auch wenn mit dieser Hilfe bald der Durchbruch für diese Methode gelingt - und das CO2 von ersten Bohrloch durch die Kohleflöze in das andere Bohrloch gelangt - werden viele grundlegende Fragen der Speicherung in Kohle unbeantwortet bleiben, bedauert Henk Pagnier vom Niederländische Geologischen Dienst, TNO.

    Pagnier: Wir haben viel Zeit und Geld dafür aufgewendet, um diese Forschungsstation erst einmal aufzubauen. Es ist nun sehr schade, dass wir bald alles wieder dicht machen müssen. Aber das 6. Forschungs-Rahmenprogramm der EU erlaubt es uns nicht, diese Forschung weiter zu betreiben. Darum können wir gar nicht all die Möglichkeiten dieser Forschungsstation nutzen, so wie wir das gerne würden.

    Insgesamt geht der Trend auf diesem Gebiet eher weg von der Grundlagenforschung hin zu Fragen der Sicherheit bei der Endlagerung des Treibhausgases, die dann für die ersten Pilotanlagen relevant sein werden.

    Pagnier: Der Schwerpunkt der Forschung geht jetzt in Richtung Monitoring, der Überwachung. Wie sieht es aus mit der Sicherheit? Wird das CO2 auch nach 1000 Jahren noch im Boden sein. Wie kann man das überwachen. Wichtig für die Regierungen ist auch die Verifikation, also Möglichkeiten zu überprüfen, ob jemand, der behauptet, das CO2 in den Boden gepumpt zu haben, dies auch wirklich getan hat. Monitoring und Verifikation, das werden die großen Themen der nächsten Jahre sein.

    Die CO2-Speicherung unter Tage wird also zunehmend ein wichtiges Betätigungsfeld für Geologen und einige Spezialfirmen werden. Aller Voraussicht nach wird es einzelne Energieunternehmen geben, die ihr CO2 kostengünstig unter Tage pumpen und somit Vorteile im Emissionshandel haben werden. Ob aber auf diesem Wege das eigentliche Ziel erreicht wird - eine zeitweilige Entlastung des Klimas für die kommenden Jahrzehnten des Umbaus unserer Energiewirtschaft - das ist derzeit nicht absehbar.

    May: Es gibt Überlegungen, dass sich das Ganze nicht lohnt, vom Klima-Effekt her, wenn’s weniger als 10 000 Jahre in der Erde verbleibt,

    Luther: Mit Kernenergie können sie natürlich relativ leicht CO2-frei Energieszenarien realisieren.

    Busch: Und wahrscheinlich finden viele Leute die Idee super – "aber bitte nicht in meinem Garten".

    May: Für die Unternehmen ist es im Grunde egal, ob sie Öl oder Gas nach oben fördern durch ihre Bohrungen oder ob sie CO2 nach unten in die Lagerstätten hinein fördern.

    Kroos: Aber irgendwann wird auch diese Speicherkapazität erschöpft sein und bis dahin müssen zu Lösungen gekommen sein, die langfristig uns eine Energieversorgung ohne hohen CO2-Ausstoß sicher stellen.
    Drei Kumpel vor einem Förderturm
    Rein mit dem CO2 (AP)