Archiv


Treibstoff aus Mikroalgen

Seit Jahren gibt es einen internationalen Wettlauf um eine Treibstoffgewinnung aus Mikroalgen. Doch bisher ist die Mikroalgenzucht für eine Kraftstoffproduktion zu teuer. Biotechnologen in Nuthetal bei Potsdam wollen das jetzt ändern.

Von Maren Schibilsky | 21.09.2012
    Das Forschungsgelände des Instituts für Getreideverarbeitung in Nuthetal bei Potsdam.

    Der Biotechnologe Otto Pulz öffnet ein Foliengewächshaus, das der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegt. Erst seit wenigen Wochen läuft hier auf einhundert Quadratmetern eine vorindustrieelle Pilotanlage zur Mikroalgenzucht.

    Aus Düsen in 2,30 Meter Höhe regnet es in Strömen winzige grüne Tropfen. In nur einem einzigen Tropfen befinden sich achtzig Millionen Mikroalgen, die sich vermehren wollen. Das Ambiente gleicht einem tropischen Gewitterguss. Regenreaktor nennt Otto Pulz sein neuestes Projekt. Seit 1987 entwickelt der Algenprofessor Photobioreaktoren für die Mikroalgenzucht.

    "Hier haben wir uns den Tropfen genähert als Geometrie, die die höchsten Oberflächen kreieren und damit nicht nur den Zutritt der Photonen des Lichtes zu den Algen erleichtert, sondern eben auch den Gasaustausch erleichtert, die Ausbeute von CO2 und Sauerstoff sehr effektiv macht."

    Licht, CO2 und Nährstoffe brauchen Mikroalgen zum Wachsen. Die wichtigste Stellschraube, um die Algenausbeute zu erhöhen, sei das Licht. Seit Jahren sucht der Potsdamer Biotechnologe nach einer Lösung, dass jede Algenzelle möglichst viel davon abbekommt und sich die Zellen im Reaktor nicht selbst beschatten. Bei bisherigen Anlagen sei der mangelhafte Lichteinfall der begrenzende Wachstumsfaktor für die Algen gewesen – erzählt Teamkollege Thomas Wencker. Im Regenreaktor sei das anders.

    "Das natürliche Sonnenlicht wird hier über das Gewächshaus in das System gelassen und je länger wir den einzelnen Tropfen in diesem beleuchteten Raum halten, um so eher kann die einzelne Alge darin mit Sonnenlicht versorgt werden und dadurch zum Wachstum angeregt werden."

    Um die Algentropfen solange wie möglich im Licht zu halten, werden sie von kreisrunden, Wagenrad großen Kunststoffnetzen aufgefangen. Dort verweilen die einzelnen Tropfen, bis sie von selbst in die nächsttiefere Netzetage fallen. Von der letzten Etage tropfen die Algen in eine Bodensenke, von der sie wieder nach oben in die Düsen gepumpt und erneut verregnet werden.

    Ein Novum des Reaktors ist, dass das Kohlendioxid nicht Bestandteil der Algenlösung ist, sondern als Gas das Gewächshaus ausfüllt. Dadurch schweben die Algentropfen im CO2 und nehmen besonders viel davon auf. Der Biomassezuwachs hat sich im Vergleich zu bisherigen Reaktoren mehr als verdoppelt - meint Biotechnologe Thomas Wencker.

    "Es ist ein Quantensprung gewissermaßen. Mit dieser Technologie haben wir es im kleinen Maßstab schon geschafft, die 80 Gramm pro Quadratmeter Grundfläche und Tag zu erreichen. Das gleiche Ziel verfolgen wir jetzt natürlich auch bei der 100-Quadratmeter-Anlage. Wenn wir das tatsächlich geschafft haben, dann können wir auch zu späteren Biokraftstoffproduktionen als Ersatz für Erdöl diese Algen heranziehen."

    Einer, der diese Reaktortechnologie im industriellen Maßstab bauen will, ist der Franzose Laurent Blériot. Sein Start-up-Unternehmen Bioalgostral hat seinen Sitz auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean. Die französische Regierung will ihr 2500 Quadratkilometer großes Überseedepartment bis 2030 energieautark machen. Algensprit soll zur Versorgung der Inselbusse und Flugzeugflotte nach Mauritius eine zentrale Rolle spielen, erklärt Laurent Blériot:

    "Wir wollen dazu beitragen, dass auf La Réunion als erste energetisch autonome Insel Algentreibstoff produziert wird. Niemand auf der Welt kann das heutzutage. Wir sind sicher, dass wir in drei bis vier Jahren eine Demonstrationsanlage haben, die zeigt, dass dies möglich ist."

    Doch erst muss sich die neue Reaktortechnologie aus Nuthetal bei Potsdam in ihrer vorindustriellen Pilotphase bewähren. Bis 2013 soll das abgeschlossen sein.