Ein Bauplatz in Frankfurt Niederrad. Nur 100 Meter neben der Haupttribüne der Frankfurter Pferderennbahn. 8000 Quadratmeter groß. Am Horizont blitzen die Hochhäuser der Frankfurter Skyline. Ende 2009 soll hier ein Hotel mit 200 Zimmern stehen - geschmückt mit einem Pagodendach im traditionellen chinesischen Stil. Manfred Bauer kommt mit dem Handy am Ohr zum Interview. Sein Begleiter hält sich schüchtern im Hintergrund - ein junger Chinese in weißem Hemd und schwarzer Anzughose.
"Das ist mein Assistent, ja. Der kommt aus Peking aus unserer Zentrale. In der Zentrale haben wir ein komplettes Projektteam, das die Immobilien-Projektierung macht. In Peking, bzw. in China. Und er ist einer derjenigen, die hervorragend deutsch sprechen, und die brauchen wir hier und deshalb ist der hier."
Manfred Bauer hat die Hemdsärmel hochgekrempelt und blickt über die Brachfläche hinweg auf das Grün der Rennbahn. Er ist der deutsche Geschäftsführer der Huarong-Deutschland GmbH. 2007 hat sich die deutsche Tochterfirma des Groß-Investors Huarong aus der Volksrepublik China gegründet. Bisher noch ein Zwei-Mann Unternehmen. Mit großen Plänen. 40 Millionen will die Huarong-Group hier investieren.
Eine Frankfurter Zeitung titelte: "Die Hoffnung kommt aus Peking": Der Frankfurter Rennclub hatte um den chinesischen Investor geworben. Kommunalpolitiker haben ihn nach Frankfurt geholt. Es soll das erste Hotel einer ganzen Kette in Europa werden. Auch in Paris und London soll dieses Modell mit Pagodendach stehen. Der Entwurf für das Gebäude kam aus der Konzernzentrale in Peking.
"Vom Planungsteam und des ist auch eine Besonderheit, die hier nicht alltäglich ist, die in dieser Form das erste Mal durchgeführt wird. Die Grundplanungen sind in China erfolgt von unserem Ingenieurteam und sind dann entsprechend mit deutschen Fachingenieuren auf das deutsche oder Frankfurter Baurecht umgeschrieben bzw. angepasst worden. Und da gibt es natürlich zwischen Deutschen und Chinesen Reibungspunkte. Die Arbeitsweise ist eine andere. Die Bauphysik ist überall gleich. Aber da galt es schon viele Missverständnisse auszuräumen."
Der Kommunikationsaufwand in deutsch-chinesischen Projekten ist besonders hoch. Aber den wird man in Zukunft einkalkulieren müssen: Immer öfter kommt es zu deutsch-chinesischen Firmengründungen, Kooperationen und Niederlassungen. China ist die kapitalkräftigste Volkswirtschaft auf dem Globus und damit ein attraktiver Handelspartner für Deutschland, gerade in Zeiten der Krise.
Morgen empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel den chinesischen Premierminister Wen Jiabao, um neue Wirtschaftsabkommen zu unterzeichnen. Die Nummer vier trifft die Nummer drei. Die Volksrepublik China hat die Bundesrepublik als drittstärkste Wirtschaftsnation überholt. Das sagen die aktuellen Zahlen im Januar 2009. 2008 hat die Volksrepublik insgesamt 4,4 Billionen Dollar erwirtschaftet, das Wachstum lag bei neun Prozent.
Niedrige Lohnkosten und ein großer Absatzmarkt locken deutsche Unternehmen seit Jahren in die Volksrepublik. Aber die Handelsbeziehungen sind keine Einbahnstraße: Immer mehr Chinesische Unternehmen siedeln auch in Deutschland. 2007 hat sich die chinesische Bank of Communication in Frankfurt am Main angesiedelt. Es ist die vierte chinesische Bank, die in Deutschland Fuß fassen will.
"Erster Punkt Frankfurt ist sehr bekannter Finanzplatz. Hier gibt es viele Banken und Finanzgesellschaften. Weiterer Punkt. Frankfurt ist Verkehrskreuz. Frankfurt ist der größte Flughafen im europäischen Kontinent. Dritter Punkt: Frankfurt ist Messe und Ausstellungsstadt. Vierter Punkt: Frankfurt hat viele chinesische Firmen."
Dr. Rongbin Hu, der General Manager der chinesischen "Bank of Communications" zählt die Standortvorteile von Frankfurt am Main auf. Dass er Deutsch im Interview spricht, ist Ehrensache und gehört zum guten Ton im Ausland. Von seinem Schreibtisch aus kann er auf die Türme der anderen Frankfurter Banken schauen. Die Nachricht, dass China Deutschland als drittstärkste Wirtschaftsnation nach USA und Japan abgelöst hat, freut Dr. Hu trotzt weltweiter Finanzkrise. Die Bank of Communications beschäftigt 70.000 Mitarbeiter weltweit, die meisten davon in China. In der Frankfurter Filiale arbeiten 19.
Dr. Rongbin Hu lobt die Zuverlässigkeit und Ordentlichkeit seiner deutschen Mitarbeiter. Er lobt auch den Standort Frankfurt, den Flughafen, die guten Verbindungen nach China, die gute chinesische Infrastruktur, die freundliche Oberbürgermeisterin.
Die Bank of Communications finanziert Export- und Importgeschäfte zwischen der Volksrepublik China und Deutschland. Die Zahlen sprechen für sich: Deutschland hat 2008 Waren im Wert von über 31 Milliarden Euro nach China exportiert, vor allem Maschinen und Autos, und Waren aus China im Wert von über 54 Milliarden Euro eingeführt.
Die chinesische Bank of Communications hat 2008 am Standort Frankfurt 990 Millionen Euro Umsatz gemacht. Hu räumt ein, dass seit November, ausgelöst durch die weltweite Finanzkrise, das Wachstum auch in China sinkt. Aber bei acht Prozent wird es bleiben, schätzt er. Am Standort Frankfurt wird die Krise nichts ändern. Auch wenn die Exporte 2009 voraussichtlich weiter einbrechen werden, haben die neun chinesischen Mitarbeiter aus der Shanghaier Zentrale und die zehn Mitarbeiter, die vor Ort angeworben wurden, genug zu tun.
"Wir arbeiten auf drei Sprachen. Deutsch, Englisch und Chinesisch. Gemischt. Zuerst gibt es einige Schwierigkeiten. Unterschiedliche Mentalität und Sprache und Kultur. Aber wir haben auch viele Maßnahmen gemacht. Chinesen lernen Deutsch. Deutsche lernen Chinesisch."
Erst 2001 tritt China der Welthandelsorganisation WTO bei, verstärkt die Auslandsinvestitionen und wagt sich auf den globalen Markt. Seit ein paar Jahren schaffen chinesische Unternehmen in Deutschland Arbeitsplätze. Seit dem Jahr 2003 haben Chinesen mehr als 600 Niederlassungen in Deutschland gegründet. Mehr als 30 deutsche Unternehmen wurden von Firmen aus der Volksrepublik China gekauft. Etwa 6000 Beschäftigte arbeiten in einem chinesisch geführten Unternehmen. Deutschland profitiert von der neuen asiatischen Wirtschaftmacht. Das dämonisierende Bild von China als der gelben Gefahr, wie es in den deutschen Medien in den letzten Jahren beschworen wurde, behinderte bisher eher die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Findet Dr. Bernd Michael Linke. Er unterrichtet an der Universität Jena im Fachbereich "Interkulturelle Wirtschaftskommunikation".
"Am Anfang spielte das ne Hauptrolle auf beiden Seiten. In den deutschen Köpfen war hauptsächlich so ein Klischee, dass das in China eine Hit-and-run-Qualität gäbe, was nicht stimmt. Zumindest die Großunternehmen haben andere strategische Ziele, sie wollen langfristig auf globalen Märkten Marktführer werden oder zumindest sehr bedeutende Player. Und dazu gehört natürlich, langfristig in die Märkte hineinzugehen. Und das zweite Klischee war wohl, man vermutete, dass die Unternehmen politisch gesteuert seien, von der Kommunistischen Partei gesteuert seien. Es gibt natürlich ein Wirtschaftsprogramm der Regierung, der Kommunistischen Partei, aber die Unternehmen werden nicht direkt gelenkt, sie sind in dieser Hinsicht selbstständig."
In den ersten Jahren, in denen sich die Unternehmen aus der Volksrepublik China in Deutschland engagierten, gab es vor allem Pleiten, die Schlagzeilen machten: 1998 scheiterte die "China First Pencil Company" aus Shanghai in Schwerin. Sie wollte Bleistifte "Made in Germany" herstellen und unterschätzte die deutschen Qualitätsstandards. Im Jahr 2001 kaufte der chinesische Konzern "D'Long" die Hirschfelder Leinen- und Textil GmbH, betrieb Misswirtschaft, und verlagerte dann die Produktion nach Rumänien. Im bayerischen Türkheim scheiterte 2003 die Übernahme des Fernsehgeräteherstellers Schneider Electronics durch das chinesische Unternehmen TCL. 120 Mitarbeiter verloren ihre Stelle. Bittere Erfahrungen für beide Seiten.
Das chinesische Management hat aus den Anfangsfehlern gelernt. In den letzten drei Jahren häufen sich gute Nachrichten: In Aschersleben in Sachsen-Anhalt bringt ein chinesischer Investor den Werkzeugbauer Schieß wieder in die schwarzen Zahlen. In Hamburg gründet der Stahlkonzern Baosteel seine Europafiliale. In Frankfurt lässt sich der Technologieriese Huawei nieder. Der Elektronikkonzern Haier baut seine Niederlassung in München und Gießen auf. In Düsseldorf übernimmt das chinesische Unternehmen Lenovo die Computer-Sparte von IBM. In Bielfeld saniert ein chinesischer Investor den Spezialisten für Nähmaschinen Dürkopp Adler.
Oder zum Beispiel Coburg: Beijing No 1 übernimmt den Werkzeugbauer Waldrich und schafft 200 Arbeitsplätze. Herr Qu, ein Mitarbeiter des chinesischen Staatsunternehmens "Beijing Number One", steht auf dem Marktplatz in Coburg und spricht in die Kamera:
"Waldrich Coburg ist ein bekanntes Unternehmen, das weltweit einen guten Ruf genießt. Mit diesem Unternehmen können wir konkurrenzfähiger sein. Und unsere Strategie verfolgen, uns noch globaler auszustellen."
Oktober 2005. Der Pekinger Maschinenbauer Beiijing No 1 übernimmt das Unternehmen, das mit 500 Mitarbeitern Fräsmaschinen und Dieselmotoren baut, zu 100 Prozent. Auf den Fotos der Firmenzeitung sind meterhohe, glänzende Maschinen zu sehen und glückliche Gesichter! Der Bürgermeister von Coburg, der neue chinesische Eigentümer und Hubert Becker, nun Vorsitzender der Geschäftsführung. Diese Erfolgsgeschichte wurzelt in einer langen Beziehung zwischen dem deutschen Werkzeugbauer und dem Maschinenbauer Beiijing No. 1, der in China über 20.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Schon 1984 hat die Firma Waldrich ein Joint-Venture mit dem chinesischen Partner gegründet und Industriemaschinen für den Markt in China gebaut. Seit der Übernahme vertraut der chinesische Eigentümer auf die Erfahrungen der deutschen Manager und mischt sich wenig ein. Die Umsätze sind nach der Übernahme enorm gestiegen. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 machte Waldrich Coburg um die 150 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Doppelt so viel wie vor der Übernahme. 500 Arbeitsplätze wurden erhalten, 200 neue geschaffen. Die Auftragsbücher sind auch für das Jahr 2009 gefüllt.
"Natürlich haben wir jetzt diese Verwerfungen und ne langsame Dynamik auf der Exportseite, was sich in Deutschland als auch in China bemerkbar macht. Für beide Seiten ist es ein wichtiger Austausch auf der Handelsebene, der gestärkt wird durch Unternehmensniederlassungen vor Ort."
2009 wird sich - auch - der chinesische Investitionsdrang deutlich verlangsamen, schätzt die Volkswirtin Ulrike Bischoff. Von ihrem Büro im 38 Stock des Hochhausturms schaut sie auf den Finanzplatz Frankfurt. Die junge Frau im dunkelblauen Anzug analysiert für die Hessische Landesbank die asiatischen Märkte. Die Ansiedlung der vier chinesischen Banken in der Nachbarschaft hat sie mit Freude beobachtet. Für Ulrike Bischoff ein Zeichen, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China langfristig wachsen. Sie setzt weiterhin auf die wirtschaftliche Stabilität Chinas. Die aktuellen Zahlen verzeichnen für die Volksrepublik im Jahr 2008 neun Prozent Wachstum. Für das Jahr 2009 werden acht Prozent vorausgesagt.
"Ich denke, dass es kurzfristig generell zu einer Zurückhaltung bei grenzüberschreitenden Investitionen kommt, wie wir das ja auch schon beobachten konnten. Diesem entziehen sich China und Deutschland auch nicht, und insofern gibt es halt einen kurzfristigen Dämpfer der Entwicklung, aber ich denke, langfristig sind die genannten Charakteristika "made in Germany" gute Produktqualität, technisches Know-how und gerade aber auch das Vertriebsargument Markterschließung in Deutschland, Markterschließung in Europa, das sind so schlagkräftige Argumente, dass China langfristig an seiner Investitionsentscheidung und sein Interesse an Deutschland behalten wird."
An beständigen Netzwerken mit chinesischen Firmen knüpfen seit Jahren auch die Wirtschaftsförderungen der großen Städte Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart, Düsseldorf. Sie wollen chinesische Unternehmen mit langfristigen Zielen nach Deutschland holen. Polly Yu:
"Eigentlich Deutschland ist nicht so kompliziert. In Deutschland ist relativ klar: Was brauchen wir zu machen? Der Deutsche sagt es ganz klar. Punkt 1, Punkt 2, Punkt 3."
Polly Yu empfängt mit einer Tasse Jasmin-Tee am großen Konferenztisch. Die Chinesin aus Hongkong arbeitet seit 2006 für die Frankfurter Wirtschaftsförderung und leitet den "China-Desk". Polly Yu berät chinesische Firmen, die sich im Rhein-Main Gebiet niederlassen wollen oder deutsche Geschäftspartner suchen. Polly Yu spricht Englisch, Kantonesisch und Mandarin - die offizielle chinesische Hochsprache. Und sie versucht sich in mehreren der 56 chinesischen Dialekte. Bei ihren chinesischen Kunden stiftet das Vertrauen, gerade im Ausland.
"Ich hoffe sehr, dass die chinesische Business-Community wird die Top-Community in Frankfurt. Das bedeutet, die Investoren können hier langfristig investieren. Sie haben eine langfristige Strategie."
300 chinesische Firmen haben sich in den letzten Jahren im Rhein-Main Gebiet niedergelassen. Und Polly Yu bilanziert für 2008 zehn Niederlassungen. Wenn das Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung wirkt und die Auslandsinvestitionen gedrosselt werden, dann werden es 2009 weniger, aber immerhin noch sechs Neuansiedlungen, schätzt Polly Yu.
Zu Polly Yus Alltag gehört es, die Frankfurter Oberbürgermeisterin auf ihren Reisen nach China zu begleiten und die Reisen chinesischer Wirtschaftsdelegationen nach Frankfurt zu
organisieren. Besonders die chinesischen Partner legen Wert auf hochrangige Besuche und Empfänge. Aber Polly Yu muss auch zwischen chinesischem Investitionswillen und den deutschen Ämtern vermitteln. Die Einreisegesetzgebung ist streng. Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht und Steuerrecht drosseln das Tempo. Das Englisch ist auf beiden Seiten holprig. Es gibt noch keine Routine im Umgang miteinander. Auch Polly Yu kennt jetzt das Wort "Ämterdschungel". Vertrauen zu schaffen zwischen den Parteien ist ihr Tagesgeschäft. Sie vermittelt zwischen chinesischer und deutscher Mentalität.
"Für die Chinesen zum Beispiel ist es sehr wichtig, erst die Beziehung aufzubauen, bevor man das Gespräch startet. Ich verstehe auch die Deutschen, sie bereiten schon alles vor, und in einem Meeting wollen sie schon alles erreichen. Die Chinesen in einem Meeting versuchen diese Beziehung aufzubauen. Und danach, vielleicht im Essen oder eine andere Einladung dann sie sprechen noch mal über das Business. Für die Chinesen das ist sehr wichtig, dass sie dieses Vertrauen zuerst haben."
Auf der Baustelle an der Frankfurter Rennbahn lohnt sich die mühevolle deutsch-chinesische Zusammenarbeit. Nach zwei Jahren Bauverzögerung läuft jetzt alles nach Plan. Aushub und Rohbau machen deutsche Firmen. Die Holzschnitzereien werden in China gefertigt und dann importiert. Im März wird das Fundament für das 200-Zimmer-Hotel mit Pagodendach gegossen. Der Geschäftsführer der Huarong Deutschland GmbH, Manfred Bauer, kann durchatmen und sein Assistent Xuening Tiang, der in Saarbrücken Germanistik studiert hat und auch schon zuvor in einem deutschen Ingenieurbüro gearbeitet hat, sind ein gutes Team geworden. Tiang vermittelt täglich zwischen den Mentalitäten - und zwischen der Zentrale in Peking und der Baustelle in Frankfurt.
"Diese Denkweise ist ganz unterschiedlich. Zuviel! Ich arbeite jeden Tag zusammen mit Herrn Bauer. Manchmal streiten wir uns ein bisschen. Er denkt schon chinesisch. Aber das Verhalten zwischen Chinesen und Deutschen ist zu groß, unterschiedlich! In China wir Chinesen, wenn wir was sagen möchten, Sie können jederzeit anrufen, auch die Handynummer. Hier in Deutschland ist nach der Arbeit alles Schluss."
"Das ist mein Assistent, ja. Der kommt aus Peking aus unserer Zentrale. In der Zentrale haben wir ein komplettes Projektteam, das die Immobilien-Projektierung macht. In Peking, bzw. in China. Und er ist einer derjenigen, die hervorragend deutsch sprechen, und die brauchen wir hier und deshalb ist der hier."
Manfred Bauer hat die Hemdsärmel hochgekrempelt und blickt über die Brachfläche hinweg auf das Grün der Rennbahn. Er ist der deutsche Geschäftsführer der Huarong-Deutschland GmbH. 2007 hat sich die deutsche Tochterfirma des Groß-Investors Huarong aus der Volksrepublik China gegründet. Bisher noch ein Zwei-Mann Unternehmen. Mit großen Plänen. 40 Millionen will die Huarong-Group hier investieren.
Eine Frankfurter Zeitung titelte: "Die Hoffnung kommt aus Peking": Der Frankfurter Rennclub hatte um den chinesischen Investor geworben. Kommunalpolitiker haben ihn nach Frankfurt geholt. Es soll das erste Hotel einer ganzen Kette in Europa werden. Auch in Paris und London soll dieses Modell mit Pagodendach stehen. Der Entwurf für das Gebäude kam aus der Konzernzentrale in Peking.
"Vom Planungsteam und des ist auch eine Besonderheit, die hier nicht alltäglich ist, die in dieser Form das erste Mal durchgeführt wird. Die Grundplanungen sind in China erfolgt von unserem Ingenieurteam und sind dann entsprechend mit deutschen Fachingenieuren auf das deutsche oder Frankfurter Baurecht umgeschrieben bzw. angepasst worden. Und da gibt es natürlich zwischen Deutschen und Chinesen Reibungspunkte. Die Arbeitsweise ist eine andere. Die Bauphysik ist überall gleich. Aber da galt es schon viele Missverständnisse auszuräumen."
Der Kommunikationsaufwand in deutsch-chinesischen Projekten ist besonders hoch. Aber den wird man in Zukunft einkalkulieren müssen: Immer öfter kommt es zu deutsch-chinesischen Firmengründungen, Kooperationen und Niederlassungen. China ist die kapitalkräftigste Volkswirtschaft auf dem Globus und damit ein attraktiver Handelspartner für Deutschland, gerade in Zeiten der Krise.
Morgen empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel den chinesischen Premierminister Wen Jiabao, um neue Wirtschaftsabkommen zu unterzeichnen. Die Nummer vier trifft die Nummer drei. Die Volksrepublik China hat die Bundesrepublik als drittstärkste Wirtschaftsnation überholt. Das sagen die aktuellen Zahlen im Januar 2009. 2008 hat die Volksrepublik insgesamt 4,4 Billionen Dollar erwirtschaftet, das Wachstum lag bei neun Prozent.
Niedrige Lohnkosten und ein großer Absatzmarkt locken deutsche Unternehmen seit Jahren in die Volksrepublik. Aber die Handelsbeziehungen sind keine Einbahnstraße: Immer mehr Chinesische Unternehmen siedeln auch in Deutschland. 2007 hat sich die chinesische Bank of Communication in Frankfurt am Main angesiedelt. Es ist die vierte chinesische Bank, die in Deutschland Fuß fassen will.
"Erster Punkt Frankfurt ist sehr bekannter Finanzplatz. Hier gibt es viele Banken und Finanzgesellschaften. Weiterer Punkt. Frankfurt ist Verkehrskreuz. Frankfurt ist der größte Flughafen im europäischen Kontinent. Dritter Punkt: Frankfurt ist Messe und Ausstellungsstadt. Vierter Punkt: Frankfurt hat viele chinesische Firmen."
Dr. Rongbin Hu, der General Manager der chinesischen "Bank of Communications" zählt die Standortvorteile von Frankfurt am Main auf. Dass er Deutsch im Interview spricht, ist Ehrensache und gehört zum guten Ton im Ausland. Von seinem Schreibtisch aus kann er auf die Türme der anderen Frankfurter Banken schauen. Die Nachricht, dass China Deutschland als drittstärkste Wirtschaftsnation nach USA und Japan abgelöst hat, freut Dr. Hu trotzt weltweiter Finanzkrise. Die Bank of Communications beschäftigt 70.000 Mitarbeiter weltweit, die meisten davon in China. In der Frankfurter Filiale arbeiten 19.
Dr. Rongbin Hu lobt die Zuverlässigkeit und Ordentlichkeit seiner deutschen Mitarbeiter. Er lobt auch den Standort Frankfurt, den Flughafen, die guten Verbindungen nach China, die gute chinesische Infrastruktur, die freundliche Oberbürgermeisterin.
Die Bank of Communications finanziert Export- und Importgeschäfte zwischen der Volksrepublik China und Deutschland. Die Zahlen sprechen für sich: Deutschland hat 2008 Waren im Wert von über 31 Milliarden Euro nach China exportiert, vor allem Maschinen und Autos, und Waren aus China im Wert von über 54 Milliarden Euro eingeführt.
Die chinesische Bank of Communications hat 2008 am Standort Frankfurt 990 Millionen Euro Umsatz gemacht. Hu räumt ein, dass seit November, ausgelöst durch die weltweite Finanzkrise, das Wachstum auch in China sinkt. Aber bei acht Prozent wird es bleiben, schätzt er. Am Standort Frankfurt wird die Krise nichts ändern. Auch wenn die Exporte 2009 voraussichtlich weiter einbrechen werden, haben die neun chinesischen Mitarbeiter aus der Shanghaier Zentrale und die zehn Mitarbeiter, die vor Ort angeworben wurden, genug zu tun.
"Wir arbeiten auf drei Sprachen. Deutsch, Englisch und Chinesisch. Gemischt. Zuerst gibt es einige Schwierigkeiten. Unterschiedliche Mentalität und Sprache und Kultur. Aber wir haben auch viele Maßnahmen gemacht. Chinesen lernen Deutsch. Deutsche lernen Chinesisch."
Erst 2001 tritt China der Welthandelsorganisation WTO bei, verstärkt die Auslandsinvestitionen und wagt sich auf den globalen Markt. Seit ein paar Jahren schaffen chinesische Unternehmen in Deutschland Arbeitsplätze. Seit dem Jahr 2003 haben Chinesen mehr als 600 Niederlassungen in Deutschland gegründet. Mehr als 30 deutsche Unternehmen wurden von Firmen aus der Volksrepublik China gekauft. Etwa 6000 Beschäftigte arbeiten in einem chinesisch geführten Unternehmen. Deutschland profitiert von der neuen asiatischen Wirtschaftmacht. Das dämonisierende Bild von China als der gelben Gefahr, wie es in den deutschen Medien in den letzten Jahren beschworen wurde, behinderte bisher eher die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Findet Dr. Bernd Michael Linke. Er unterrichtet an der Universität Jena im Fachbereich "Interkulturelle Wirtschaftskommunikation".
"Am Anfang spielte das ne Hauptrolle auf beiden Seiten. In den deutschen Köpfen war hauptsächlich so ein Klischee, dass das in China eine Hit-and-run-Qualität gäbe, was nicht stimmt. Zumindest die Großunternehmen haben andere strategische Ziele, sie wollen langfristig auf globalen Märkten Marktführer werden oder zumindest sehr bedeutende Player. Und dazu gehört natürlich, langfristig in die Märkte hineinzugehen. Und das zweite Klischee war wohl, man vermutete, dass die Unternehmen politisch gesteuert seien, von der Kommunistischen Partei gesteuert seien. Es gibt natürlich ein Wirtschaftsprogramm der Regierung, der Kommunistischen Partei, aber die Unternehmen werden nicht direkt gelenkt, sie sind in dieser Hinsicht selbstständig."
In den ersten Jahren, in denen sich die Unternehmen aus der Volksrepublik China in Deutschland engagierten, gab es vor allem Pleiten, die Schlagzeilen machten: 1998 scheiterte die "China First Pencil Company" aus Shanghai in Schwerin. Sie wollte Bleistifte "Made in Germany" herstellen und unterschätzte die deutschen Qualitätsstandards. Im Jahr 2001 kaufte der chinesische Konzern "D'Long" die Hirschfelder Leinen- und Textil GmbH, betrieb Misswirtschaft, und verlagerte dann die Produktion nach Rumänien. Im bayerischen Türkheim scheiterte 2003 die Übernahme des Fernsehgeräteherstellers Schneider Electronics durch das chinesische Unternehmen TCL. 120 Mitarbeiter verloren ihre Stelle. Bittere Erfahrungen für beide Seiten.
Das chinesische Management hat aus den Anfangsfehlern gelernt. In den letzten drei Jahren häufen sich gute Nachrichten: In Aschersleben in Sachsen-Anhalt bringt ein chinesischer Investor den Werkzeugbauer Schieß wieder in die schwarzen Zahlen. In Hamburg gründet der Stahlkonzern Baosteel seine Europafiliale. In Frankfurt lässt sich der Technologieriese Huawei nieder. Der Elektronikkonzern Haier baut seine Niederlassung in München und Gießen auf. In Düsseldorf übernimmt das chinesische Unternehmen Lenovo die Computer-Sparte von IBM. In Bielfeld saniert ein chinesischer Investor den Spezialisten für Nähmaschinen Dürkopp Adler.
Oder zum Beispiel Coburg: Beijing No 1 übernimmt den Werkzeugbauer Waldrich und schafft 200 Arbeitsplätze. Herr Qu, ein Mitarbeiter des chinesischen Staatsunternehmens "Beijing Number One", steht auf dem Marktplatz in Coburg und spricht in die Kamera:
"Waldrich Coburg ist ein bekanntes Unternehmen, das weltweit einen guten Ruf genießt. Mit diesem Unternehmen können wir konkurrenzfähiger sein. Und unsere Strategie verfolgen, uns noch globaler auszustellen."
Oktober 2005. Der Pekinger Maschinenbauer Beiijing No 1 übernimmt das Unternehmen, das mit 500 Mitarbeitern Fräsmaschinen und Dieselmotoren baut, zu 100 Prozent. Auf den Fotos der Firmenzeitung sind meterhohe, glänzende Maschinen zu sehen und glückliche Gesichter! Der Bürgermeister von Coburg, der neue chinesische Eigentümer und Hubert Becker, nun Vorsitzender der Geschäftsführung. Diese Erfolgsgeschichte wurzelt in einer langen Beziehung zwischen dem deutschen Werkzeugbauer und dem Maschinenbauer Beiijing No. 1, der in China über 20.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Schon 1984 hat die Firma Waldrich ein Joint-Venture mit dem chinesischen Partner gegründet und Industriemaschinen für den Markt in China gebaut. Seit der Übernahme vertraut der chinesische Eigentümer auf die Erfahrungen der deutschen Manager und mischt sich wenig ein. Die Umsätze sind nach der Übernahme enorm gestiegen. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 machte Waldrich Coburg um die 150 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Doppelt so viel wie vor der Übernahme. 500 Arbeitsplätze wurden erhalten, 200 neue geschaffen. Die Auftragsbücher sind auch für das Jahr 2009 gefüllt.
"Natürlich haben wir jetzt diese Verwerfungen und ne langsame Dynamik auf der Exportseite, was sich in Deutschland als auch in China bemerkbar macht. Für beide Seiten ist es ein wichtiger Austausch auf der Handelsebene, der gestärkt wird durch Unternehmensniederlassungen vor Ort."
2009 wird sich - auch - der chinesische Investitionsdrang deutlich verlangsamen, schätzt die Volkswirtin Ulrike Bischoff. Von ihrem Büro im 38 Stock des Hochhausturms schaut sie auf den Finanzplatz Frankfurt. Die junge Frau im dunkelblauen Anzug analysiert für die Hessische Landesbank die asiatischen Märkte. Die Ansiedlung der vier chinesischen Banken in der Nachbarschaft hat sie mit Freude beobachtet. Für Ulrike Bischoff ein Zeichen, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China langfristig wachsen. Sie setzt weiterhin auf die wirtschaftliche Stabilität Chinas. Die aktuellen Zahlen verzeichnen für die Volksrepublik im Jahr 2008 neun Prozent Wachstum. Für das Jahr 2009 werden acht Prozent vorausgesagt.
"Ich denke, dass es kurzfristig generell zu einer Zurückhaltung bei grenzüberschreitenden Investitionen kommt, wie wir das ja auch schon beobachten konnten. Diesem entziehen sich China und Deutschland auch nicht, und insofern gibt es halt einen kurzfristigen Dämpfer der Entwicklung, aber ich denke, langfristig sind die genannten Charakteristika "made in Germany" gute Produktqualität, technisches Know-how und gerade aber auch das Vertriebsargument Markterschließung in Deutschland, Markterschließung in Europa, das sind so schlagkräftige Argumente, dass China langfristig an seiner Investitionsentscheidung und sein Interesse an Deutschland behalten wird."
An beständigen Netzwerken mit chinesischen Firmen knüpfen seit Jahren auch die Wirtschaftsförderungen der großen Städte Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart, Düsseldorf. Sie wollen chinesische Unternehmen mit langfristigen Zielen nach Deutschland holen. Polly Yu:
"Eigentlich Deutschland ist nicht so kompliziert. In Deutschland ist relativ klar: Was brauchen wir zu machen? Der Deutsche sagt es ganz klar. Punkt 1, Punkt 2, Punkt 3."
Polly Yu empfängt mit einer Tasse Jasmin-Tee am großen Konferenztisch. Die Chinesin aus Hongkong arbeitet seit 2006 für die Frankfurter Wirtschaftsförderung und leitet den "China-Desk". Polly Yu berät chinesische Firmen, die sich im Rhein-Main Gebiet niederlassen wollen oder deutsche Geschäftspartner suchen. Polly Yu spricht Englisch, Kantonesisch und Mandarin - die offizielle chinesische Hochsprache. Und sie versucht sich in mehreren der 56 chinesischen Dialekte. Bei ihren chinesischen Kunden stiftet das Vertrauen, gerade im Ausland.
"Ich hoffe sehr, dass die chinesische Business-Community wird die Top-Community in Frankfurt. Das bedeutet, die Investoren können hier langfristig investieren. Sie haben eine langfristige Strategie."
300 chinesische Firmen haben sich in den letzten Jahren im Rhein-Main Gebiet niedergelassen. Und Polly Yu bilanziert für 2008 zehn Niederlassungen. Wenn das Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung wirkt und die Auslandsinvestitionen gedrosselt werden, dann werden es 2009 weniger, aber immerhin noch sechs Neuansiedlungen, schätzt Polly Yu.
Zu Polly Yus Alltag gehört es, die Frankfurter Oberbürgermeisterin auf ihren Reisen nach China zu begleiten und die Reisen chinesischer Wirtschaftsdelegationen nach Frankfurt zu
organisieren. Besonders die chinesischen Partner legen Wert auf hochrangige Besuche und Empfänge. Aber Polly Yu muss auch zwischen chinesischem Investitionswillen und den deutschen Ämtern vermitteln. Die Einreisegesetzgebung ist streng. Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht und Steuerrecht drosseln das Tempo. Das Englisch ist auf beiden Seiten holprig. Es gibt noch keine Routine im Umgang miteinander. Auch Polly Yu kennt jetzt das Wort "Ämterdschungel". Vertrauen zu schaffen zwischen den Parteien ist ihr Tagesgeschäft. Sie vermittelt zwischen chinesischer und deutscher Mentalität.
"Für die Chinesen zum Beispiel ist es sehr wichtig, erst die Beziehung aufzubauen, bevor man das Gespräch startet. Ich verstehe auch die Deutschen, sie bereiten schon alles vor, und in einem Meeting wollen sie schon alles erreichen. Die Chinesen in einem Meeting versuchen diese Beziehung aufzubauen. Und danach, vielleicht im Essen oder eine andere Einladung dann sie sprechen noch mal über das Business. Für die Chinesen das ist sehr wichtig, dass sie dieses Vertrauen zuerst haben."
Auf der Baustelle an der Frankfurter Rennbahn lohnt sich die mühevolle deutsch-chinesische Zusammenarbeit. Nach zwei Jahren Bauverzögerung läuft jetzt alles nach Plan. Aushub und Rohbau machen deutsche Firmen. Die Holzschnitzereien werden in China gefertigt und dann importiert. Im März wird das Fundament für das 200-Zimmer-Hotel mit Pagodendach gegossen. Der Geschäftsführer der Huarong Deutschland GmbH, Manfred Bauer, kann durchatmen und sein Assistent Xuening Tiang, der in Saarbrücken Germanistik studiert hat und auch schon zuvor in einem deutschen Ingenieurbüro gearbeitet hat, sind ein gutes Team geworden. Tiang vermittelt täglich zwischen den Mentalitäten - und zwischen der Zentrale in Peking und der Baustelle in Frankfurt.
"Diese Denkweise ist ganz unterschiedlich. Zuviel! Ich arbeite jeden Tag zusammen mit Herrn Bauer. Manchmal streiten wir uns ein bisschen. Er denkt schon chinesisch. Aber das Verhalten zwischen Chinesen und Deutschen ist zu groß, unterschiedlich! In China wir Chinesen, wenn wir was sagen möchten, Sie können jederzeit anrufen, auch die Handynummer. Hier in Deutschland ist nach der Arbeit alles Schluss."