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Trickreich synchronisieren

Physiologie. - Jedes Lebewesen besitzt eine innere Uhr, die den Tagesablauf steuert. Die grundlegenden Mechanismen wurden in Laborexperimenten entdeckt. Wie sie sich im Alltag zeigen, will dagegen das Projekt Euclock untersuchen. Nach fünf Jahren wurde kürzlich Bilanz gezogen.

Von Volkart Wildermuth |
    In jedem von uns tickt die innere Uhr, bei den einen etwas schneller, bei anderen langsamer. Das zeigen die Laborexperimente unter Dauerlicht oder in permanenter Dunkelheit. Sie waren entscheidend für das Verständnis der inneren Uhr, aber wenig realistisch.

    "Was wir noch nicht konnten, war vorauszusagen was in dieser etwas schmutzigen Lichtwelt da draußen passieren würde, das heißt wir konnten unsere Erkenntnisse nicht in den Alltag hinaustragen. Euclock hat dafür gesorgt, dass wir jetzt wirklich die Erkenntnisse, die Chronobiologen über die innere Uhr haben, in den Alltag hinaustragen können."

    Professor Til Roenneberg von der TU München hat das europäische Forschungsprojekt Euclock angestoßen. Durch die geschickte Kombination von Experimenten mit Fruchtfliegen, Mäusen und menschlichen Versuchspersonen konnten die Euclock-Forscher ein neues und sogar einfacheres Modell für die tägliche Justierung der inneren Uhr aufstellen: Licht am Morgen beschleunigt deren Ticken, Licht am Abend verlangsamt es. Wer mit einer langsamen inneren Uhr auf die Welt kommt, muss sie mit Morgenlicht auf Trab bringen, um sich auf den 24 Stunden Tag einzustellen. Diese Menschen wachen früh auf, sind Lerchen.

    Wer dagegen schnell tickt, muss die innere Uhr mit Abblendlicht abbremsen und wird zur Nachteule. Dieser persönliche Rhythmus wird aber zunehmend durch die Anforderungen der Arbeitswelt unterbrochen. Fast jeder lebt heute in einem sozialen Jetlag. Die Folgen zeigen sich besonders extrem an Schichtarbeitern. Die leiden häufiger an Fettleibigkeit, an der Zuckerkrankheit und an manchen Krebsformen. Til Roenneberg arbeitet mit mehreren Industrieunternehmen zusammen und versucht Pläne für die Schichtarbeit zu entwickeln, die die verschiedenen Einstellungen der inneren Uhren der Arbeiter berücksichtigen.

    "Frühtypen, denen macht das nicht aus, morgens um fünf aufzustehen, jeden Tag, die könnte man zum Beispiel in eine Dauerfrühschicht einteilen, während spätere Chronotypen müsste man dann wechseln lassen zwischen Nacht und Spätschicht zum Beispiel, das wäre so ein Modell."

    Noch in diesem Jahr soll in einem Feldversuch erprobt werden, ob sich auf diese Weise die gesundheitlichen Folgen der Schichtarbeit abmildern lassen. Auch auf anderen Gebieten dringen die Erkenntnisse der Chronobiologen langsam in den Alltag vor. Mit einem kleinen Messgerät an der Brille haben Euclock-Forscher genau aufgezeichnet, wann, wo welches Licht in die Augen fällt. Dabei zeigte sich, vor allem blaues Licht kann den Rhythmus der inneren Uhr an den 24 Stunden Tag anpasst. Dieser Taktgeber aus dem Sonnenlicht fehlt vor allem dem modernen Stadtmenschen. Einfach die Büros permanent blau auszuleuchten ist allerdings auch nicht hilfreich.

    "Das blauhaltige Licht ist sehr effektiv. Man muss da aber auch wieder sehr aufpassen, weil da es sehr effektiv ist diese innere Uhr einzustellen, kann es diese innere Uhr auch sehr leicht durcheinanderbringen. Es ist ein echtes, wirksames Signal für die innere Uhr mit dem man sehr vorsichtig umgehen muss."

    Eine Alternative ist dynamisches Licht. Das sind Lampen, die morgens und abends eher warmes Licht abgeben am Mittag aber blaues, kaltes. Wie sich dieses Konzept umsetzten lässt, wird derzeit von einem Fachausschuss am Berliner DIN-Institut diskutiert. Sein Obmann Dieter Lang berichtet von einer Studie in einem Heim für Demenz-Patienten, wo dynamisch gesteuertes Licht erprobt wurde.

    "Damit kann man dann sozusagen den äußeren Tag nach innen rein holen. Man hat festgestellt, dass die Personen aktiver werden, dass sie stärker untereinander, miteinander kommunizieren. Man hat festgestellt, dass sie sich verstärkt an sozialen Aktivitäten beteiligen, die basteln dann mehr zusammen oder bereiten Mahlzeiten zusammen vor."

    Ein natürliches Leben im Einklang mit der eigenen inneren Uhr ist in modernen Gesellschaften nur wenigen möglich. Die Euclock-Forscher haben Hinweise auf technische und organisatorische Kniffe gegeben, mit denen sich die innere Uhr wenigsten ungefähr im Takt halten lässt.