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Trickreiche Termitenjagd
Kulturelles Lernen bei Schimpansen

Unterschiedliche Schimpansengruppen haben verschiedene Traditionen entwickelt, wie sie Nüsse knacken oder Ameisen fangen. Haben deswegen Menschenaffen Kultur? Für Kritiker reichen die bisherigen Funde nicht aus. Doch neue Forschungen zum Termitenfischen von Affen legen nahe, dass die kulturellen Fähigkeiten der Tier bisher sogar unterschätzt wurden.

Von Martin Hubert |
    Ein männlicher Schimpanse im Senegal fischt nach Termiten
    Ein männlicher Schimpanse im Senegal fischt nach Termiten (imago stock&people)
    Schimpansen lieben es, Ameisen zu verspeisen. Um an den Leckerbissen zu kommen, benutzen Schimpansengruppen in manchen Gegenden Afrikas einen Stock mit einer Hand. In anderen Regionen dagegen verwenden sie beide Hände. Manche Schimpansenpopulationen knacken Nüsse mit Steinen, andere, indem sie mit einem Stück Holz auf ihnen herumhämmern.
    Für Christophe Boesch, einen der Direktoren des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, bedeutet das, dass die Tiere in einem elementaren Sinne des Wortes über Kultur verfügen: Sie entwickeln Techniken und Verhaltensweisen, die in der Gruppe erlernt und weitergegeben werden, ohne direkt auf genetische Ursachen oder Umweltbedingungen zurückführbar zu sein.
    Allerdings sind solche Funde noch zu selten, um Skeptiker zu überzeugen. Christophe Boesch untersucht daher innerhalb des so genannten "Pan African Programme: The Cultured Chimpanzee" in Kooperation mit anderen Forschern seit 2010 die Techniken, mit denen Schimpansen Termiten fangen. Denn die sind neben Ameisen ein weiterer Leckerbissen auf ihrer Speisekarte:
    "Wir versuchen, wir sind immer noch dran, 40 unterschiedliche Populationen zu finden Das ist alles im tropischen Afrika, vom Senegal in Westafrika durch Gabun, Kamerun in Zentralafrika bis zu Tansania, Uganda. Teilweise war das schon ein bisschen schwierig, es ist ein Rennen mit der Zeit. Die Schimpansen verschwinden in Afrika. Wir versuchen, so gut wie möglich uns vorher zu erkundigen, aber wir haben trotzdem drei Fälle gehabt, wo unsere Leute dort hingekommen sind und die haben gesehen: Es gibt keinen Wald mehr, die Schimpansen sind schon weg."
    "Eine unglaubliche Vielfalt von Verhaltens- und Werkzeugformen"
    Um an die Termiten heranzukommen, bohren die Schimpansen mit einem dicken Stock Gänge zu ihren unterirdischen Nestern, fischen die Insekten dann mit einem dünnen Stock heraus und verspeisen sie. Bisher war das nur bei zwei Schimpansenpopulationen beobachtet worden. Kameras, die im Rahmen des panafrikanischen Forschungsprojekts in 15 Ländern quer durch Afrika aufgestellt wurden, haben nun aber zahlreiche weitere Fälle dokumentiert. Die Aufnahmen belegen, dass es dabei Verhaltensunterschiede gibt, deren Ausmaß selbst Christophe Boesch überraschte:
    "Wir haben bis jetzt ungefähr 13 termitenfischende Schimpansenpopulationen gefunden, teilweise schon analysiert und wir können schon sagen, dass wir eigentlich eine unglaubliche Vielfalt von Verhaltensformen, von Werkzeugformen haben: Wie lange das Werkzeug ist, wie das Werkzeug modifiziert wird, um eben die Effizienz zu erhöhen oder nicht, wie die Tiere sich halten beim Fischen, sitzend oder liegend und welche spezielle Haltung sie bei den Händen haben."
    Kritiker wenden gegen die Kulturthese gerne ein, dass die unterschiedlichen Techniken in verschiedenen Affengruppen durch die Beschaffenheit ihrer Umwelt erklärbar seien. Daher handele es sich eben nicht um sozial erzeugte kulturelle Traditionen.
    Unterschidliche Verhaltensnormen einer Gruppe nicht alleine durch andere Umwelteinflüsse erklärbar
    Auch für Christophe Boesch könnte die unterschiedliche Länge der Stöcke darauf zurückführbar sein, dass Termitennester in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich tief im Boden liegen. Andererseits benutzen die Mitglieder mancher Schimpansengruppen immer die Seite ihrer Hand, die Mitglieder anderer Gruppen aber den Handrücken. Nicht nur das spricht für Christophe Boesch dafür, dass hier eine sozial erlernte Kulturtechnik vorliegt:
    "Warum soll ein Schimpanse zum Beispiel sitzen, wenn er fischt, während der andere auf dem Ellbogen lehnt? Da sehe ich einfach keine Erklärung. Warum sollte die Umwelt so etwas beeinflussen? Und in einer Population habe ich kürzlich entdeckt, dass sie einfach voll auf der Seite liegen, mit der Schulter auf dem Boden, und dann da ganz bequem arbeiten. Weil sie eben dieses Termitenfischen über eine Stunde lang machen können."
    Für das kulturelle Erlernen solcher Gepflogenheiten spricht auch, dass sie in den verschiedenen Gruppen völlig homogen gebraucht werden. Wirklich alle Mitglieder einer Gruppe sitzen entweder beim Termitenfischen oder stemmen sich auf den Ellbogen oder liegen flach auf dem Boden. Es wirkt wie eine soziale Norm, der alle gehorchen.
    Christophe Boesch ist daher überzeugt, dass die Kulturfähigkeit der Schimpansen nur noch schwer zu leugnen ist und bisher wohl eher unterschätzt wurde. Wenn man nur intensiv nach kulturellen Unterschieden bei den Tieren suche, dann finde man sie auch, sagt er:
    "Ich denke, wir kommen langsam dahin, zu sagen: So etwas finden wir bei Schimpansen schon und ich würde auch vermuten, persönlich, dass wir bei anderen Tierarten das auch finden würden."