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Tricks der Krebszellen

Medizin.- In Bonn ging kürzlich die Tagung der Deutschen Krebshilfe zu Ende. Dabei zeichnete sich ein wichtiger Trend in der Krebsforschung ab: Forscher finden immer mehr heraus, welche Rolle das menschliche Immunsystem bei der Entstehung von Krebserkrankungen spielt.

Von Kristin Raabe |
    Vielleicht die beste Waffe gegen den Krebs schlummert in unserem eigenen Körper. Immunzellen sind ständig damit beschäftigt, Krebszellen auszuschalten. Nur wenn es den entarteten Zellen gelingt, die Immunabwehr zu überlisten, können sie Tumore bilden und eine Krebserkrankung entsteht. Dabei nutzen die Krebszellen auch die Wächter der Immunabwehr: die sogenannten regulatorischen T-Zellen.

    Regulatorische Zellen halten die aggressiven T-Zellen in Schach und verhindern, dass diese Soldaten des Immunsystems körpereigene Gewebe angreifen. Der Krebsforscher Phillipp Beckhove hat am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg untersucht, mit welchen Tricks sich Krebszellen die regulatorischen Zellen zunutze machen.

    "Ein wichtiges Reservoir für diese regulatorischen Zellen ist normalerweise das Knochenmark und wir haben beobachtet, dass bei vielen Tumorpatienten diese regulatorischen Zellen aus dem Knochenmark auswandern und sich dann im Tumorgewebe anreichern. Die Auswanderung wird vermutlich dadurch ausgelöst, dass die regulatorischen Zellen durch Stoffe im Tumor aktiviert werden und dann ihre Wandereigenschaften verändern und sich dann auf den Weg in den Tumor begeben."

    Von den Lockstoffen des Tumors angelockt, nisten sich die regulatorischen Zellen in seinem Gewebe ein. Dort verhindern sie dann die Angriffe der aggressiven T-Zellen.

    Wenn bei Krebspatienten die meisten regulatorischen Zellen im Tumor sind, fehlen sie aber möglicherweise an anderen Stellen im Körper. Ihre eigentliche Aufgabe besteht schließlich darin, Autoimmunerkrankungen zu verhindern. Tatsächlich leiden Krebspatienten überdurchschnittlich häufig unter solchen Krankheiten, bei denen das Immunsystem den eigenen Körper angreift. Aber die Krebszellen machen noch viel mehr, als die regulatorischen Zellen einfach nur von ihrem normalen Einsatzgebiet abzuziehen. Sie programmieren sie so um, dass sie nur noch den Tumor schützen:

    "Wir konnten sehen, dass diese regulatorischen Zellen, die bei Tumorpatienten das Knochenmark verlassen und in den Tumor einwandern besondere Stoffe auf der Oberfläche von Tumorzellen erkennen können und wir sie deswegen auch als Tumorspezifisch bezeichnen können. Solche tumorspezifischen regulatorischen Zellen finden wir bei gesunden Spendern nicht. Das bedeutet diese Antwort der regulatorischen Zellen wird durch den Tumor auch induziert."

    Viele Arbeitsgruppen suchen zurzeit nach einem Weg, die regulatorischen Zellen im Körper von Krebspatienten einfach auszuschalten. Phillipp Beckhove und seine Arbeitsgruppe gehen dabei aber einen anderen Weg:

    "Wir versuchen parallel dazu die Wanderung der regulatorischen Zellen in das Tumorgewebe zu blockieren. Wir konnten eine Reihe von Oberflächeneigenschaften von regulatorischen Zellen identifizieren, die diese Wanderung in das Tumorgewebe erst ermöglichen und es ist denkbar, diese Oberflächenmoleküle zu hemmen und dadurch diese regulatorischen T-Zellen an der Einwanderung in den Tumor zu hindern."

    Das könnte eine Krebstherapie der Zukunft sein. Im Moment wird sie allerdings noch lediglich in Laborversuchen erprobt. Bis die ersten Patienten auf diese Weise behandelt werden können, werden wohl noch einige Jahre vergehen.