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Trinkwasser in Gefahr

Die Qualität des Trinkwassers in Europa ist so gut wie nie zuvor. Die Wasserwerke kontrollieren regelmäßig auf Schadstoffe. Doch wie die Giftschlammkatastrophe in Ungarn zeigt: Die Ruhe kann schlagartig vorbei sein. Wie Wasserwerke, Behörden und Zivilschützer auf solch eine Katastrophe reagieren können, ist Thema eine internationalen Konferenz in Mülheim an der Ruhr.

Von Arndt Reuning | 13.10.2010
    Szenario Nummer eins: eine Explosion in einer britischen Chemiefirma. Giftige Chemikalien und Feuerlöschschaum gelangen in die Kanalisation. Szenario Nummer zwei: Im Bodensee tauchen zwei Fässer voller toxischer Pflanzenschutzmittel auf und verschmutzen das Wasser. Zwei Studien zu realen Fällen, die auf der Konferenz in Mühlheim vorgestellt wurden. Nicht nur solche Unfälle diskutieren die Experten, sondern auch potenzielle Anschläge auf die öffentliche Wasserversorgung. Was dabei zählt, ist die Gefahr rechtzeitig zu erkennen. Eine hundertprozentige Sicherheit, alle möglichen Schadstoffe im Trinkwasser schnell aufzuspüren, könne es aber nicht geben, sagt der Vorsitzende der Konferenz, Ulrich Borchers vom IWW Zentrum Wasser in Mülheim an der Ruhr.

    "Das Monitoring wird natürlich im Wasserwerk selber gemacht. Da kann man's ja auch ganz gut machen. Aber klar ist auch, dass im Netz, im Verteilungsnetz, wo das Wasser bis zum Verbraucher kommt, ein flächendeckendes Monitoring schwierig ist und zweitens sind diese Situationen an sich unbeherrschbar. Da es natürlich sehr gut sein, dass innerhalb des Netzes jemand etwas macht, was natürlich nicht einfach erkannt werden kann. Ich denke, die Wahrscheinlichkeit ist nicht groß, die Sorge ist darum nicht groß, aber auszuschließen ist es nicht."

    Im Alltag bei der Kontrolle der Wasserqualität wissen die Chemiker genau, nach welchen Substanzen sie im Trinkwasser zu suchen haben. Ihr Standardwerkzeug ist ein Massenspektrometer, eine Molekülwaage, mit der sich zum Beispiel Reste von Arzneimitteln leicht bestimmen lassen. Ist das Wasser jedoch etwa nach einem Unfall oder einem Anschlag durch eine unbekannte Substanz kontaminiert, benötigen die Experten Methoden, die nicht gezielt nach bestimmten Verbindungen suchen.

    "Es gibt Systeme, die bestimmte normale Parameter messen, also wie Leitfähigkeit, pH-Wert, Druck und andere Größen und dann über möglichst intelligente Auswertesoftware dann wird versucht, Normalfälle von Unnormalfällen zu unterscheiden. Und wenn natürlich ein solcher nicht-normaler Fall eintritt, dann muss entschieden werden, ist das eine Krise, ist das ein Anschlag oder ist das nur eine zufällige Begebenheit."

    Das Massenspektrometer spürt schädliche Substanzen auch dann noch auf, wenn ihre Konzentration so gering ist, dass sie schon beinahe keine Wirkung mehr auf den Menschen oder andere Lebewesen haben. Aber ein besonders empfindlicher Nachweis ist bei einem Unglücksfall oder einem Anschlag gar nicht nötig, da die Konzentrationen der Schadstoffe dann deutlich über der Nachweisgrenze liegen. Das macht die Sache jedoch nicht einfacher, erläutert Frank Sacher vom DVGW Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe.

    "Es wird nicht einfacher, es wird anders problematisch, sag ich mal. Das heißt, für die normale Trinkwasserversorgung brauche ich sehr empfindliche Analysensysteme, die dann aber auch nicht die Trinkwasserqualität jede Minute, sondern einmal am Tag überwachen, während ich um gegen Anschlagszenarien oder Unfälle gefeit zu sein, brauche ich eben Analysensysteme, die online kontinuierlich messen, aber eben umkehrt nicht diese Empfindlichkeit haben, wie sie viele klassische Analyseverfahren haben müssen."

    Noch etwas schwieriger wird es, wenn das Wasser nicht mit Chemikalien, sondern mit Mikroben verunreinigt ist. Krank machende Bakterien wurden bisher nachgewiesen, indem man sie in einer Petrischale vermehrte. Doch das ist eine zeitraubende Methode. Robert Aitchison von der EADS-Tochterfirma Cassidian hat in Mühlheim einen Detektor vorgestellt, der sehr viel schneller arbeitet. Die Bakterien werden zunächst auf einer Membranoberfläche gefangen und dann mit einem Fluoreszenzfarbstoff angefärbt. Unter Laserlicht leuchten sie dann hell auf, erklärt Robert Aitchison.

    "Der große Vorteil dieses Systems ist natürlich seine Geschwindigkeit. Schon nach dreißig bis vierzig Minuten erhält man ein Resultat. Mit der gängigen Prozedur, also die Bakterien zu kultivieren, kann es bis zu zwei Tagen dauern. Unser System kann eine Menge Standardmessungen durchführen, und zwar automatisiert, Probe für Probe der Reihe nach hintereinander weg."

    In Zukunft, so glaubt der Fachmann, wird man allerdings nicht mehr die Bakterien selbst nachweisen, sondern nur noch winzigste Spuren ihrer Erbsubstanz. Die Technologie dafür gibt es schon, aber die Herausforderung wird es sein, sie zu automatisieren und so preiswert zu machen, dass sie flächendeckend eingesetzt werden kann.

    Zum Thema:

    Internationale Konferenz "Water Contamination Emergencies: monitoring, understanding, acting"