Jürgen Trittin: Ich glaube, die Konferenz kann heute schon als Erfolg gelten. Das belegt die Zahl der Anmeldungen. Wir haben über 118 Delegationen dort von verschiedenen Ländern. Es werden über 99 Minister, Regierungschefs dort sein. Und den Erfolg führe ich auf einen relativ einfachen Umstand zurück: Dadurch, dass Deutschland diese Konferenz macht, wird deutlich, dass die Industrieländer auf die erneuerbare Energie setzen, dass das nicht eine minderwertige Technologie ist, die irgendwas für die Entwicklungsländer ist, sondern ein ernsthafter Pfeiler unserer Energieversorgung, ein ernster Pfeiler für die Energiesicherheit von morgen. Und das ist da – glaube ich – das Signal, was von dieser Konferenz ausgeht.
Hohrmann: Während sich die wortreiche Abschlusserklärung des Johannesburger UNO-Gipfels für nachhaltige Entwicklung darauf beschränkt hatte, sehr allgemein und unverbindlich die Förderung und Verbreiterung erneuerbarer Energien zur Halbierung der weltweiten Armut anzuregen, müsste die Bonner Konferenz nun doch wohl etwas konkreter werden. Wie vielen Menschen könnte unter welchen Bedingungen bis wann der Zugang auch zu nachhaltiger Energieversorgung ermöglicht werden?
Trittin: Wir haben heute die Situation, das sich die Weltgemeinschaft vorgenommen hat, zum Beginn dieses Jahrtausends, bis zum Jahre 2015, die Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen zu halbieren. Absolute Armut heißt, wenn jemand weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung hat. Sie müssen dazu immer wissen, dass eine europäische Kuh zwei Dollar Subvention pro Tag bekommt. Wenn man das erreichen will, dann muss ungefähr einer Milliarde Menschen Zugang zu Energie verschafft werden. Denn ohne Energie wird diese Armut nicht überwunden werden.
Dieser Zugang kann nicht im Wesentlichen über fossile Energien erfolgen. Das ist für viele dieser Menschen viel zu teuer, die können sich die hohen Ölpreise gar nicht leisten, sondern dies geht sehr stark und in hohem Umfang mit erneuerbaren Energien. Und das ist ja auch einer der Sätze der Abschlussdeklaration.
Und einen Punkt allerdings glaube ich, ganz nachdrücklich unterstreichen zu müssen von dem, was Sie in der Einleitung gesagt haben: Wir müssen sehr konkret werden. Und dabei ist das Entscheidende von dieser Konferenz das Aktionsprogramm. Für das Aktionsprogramm werden heute schon täglich neue Beiträge von den Mitgliedstaaten eingereicht.
Und wir wollen nicht nur, dass hier Zusagen gemacht werden für bestimmte Projekte, für Partnerschaften, für Investitionen, sondern wir wollen, dass diese Zusagen anschließend auch auf ihre Einhaltung begutachtet werden. Und deswegen müssen die Ergebnisse zurückgespielt werden in das System der Vereinten Nationen, das heißt zum Beispiel zur Kommission für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen ja in New York haben.
Hohrmann: Wie groß ist diese Organisation, würde ich Sie gerne fragen, Herr Trittin, und kann sie diese Arbeit leisten: Rückkopplung, Anmahnung und Weiterdrängen?
Trittin: Wir haben mit dem Gipfel in Johannesburg die Arbeit dieser Kommission ja verändert. Wir machen nicht mehr jetzt jedes Jahr, wenn wir uns in dieser Kommission treffen, alles, sondern wir nehmen uns immer für zwei Jahre ein Thema vor. In diesem und im nächsten Jahr ist das Wasser, im übernächsten Jahr und im Jahr drauf wird es Energie sein. Diese Sitzungen konzentrieren sich dann auf zwei Bereiche. Im ersten wird ein sogenanntes Monitoring, eine Bestandsaufnahme, betrieben. Im zweiten werden dann die Konsequenzen diskutiert und entschieden, die aus einer Bestandsaufnahme, aus ihren Mängeln, aber auch aus ihren Erfolgen folgt.
Und deswegen ist für uns die Anbindung dieser Konferenz in Bonn an diesen Prozess innerhalb der Kommission für nachhaltige Entwicklung bedeutsam. Wir wollen nicht einfach nur eine freiwillige Veranstaltung sein von denjenigen, die schon immer von erneuerbaren Energien überzeugt waren, sondern die Vereinten Nationen, die Weltgemeinschaft, muss kontrollieren, dass das, was dort zugesagt worden ist, auch tatsächlich umgesetzt wird. Sonst verdient der Name "Aktionsprogramm" den Namen nicht.
Hohrmann: Die eigentliche Konferenz der Regierungsmitglieder und der vielen sogenannten "Stakeholders", das heißt also Interessierten aus Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen in Bonn, beginnt am Pfingstdienstag. Aber schon am Pfingstwochenende treffen sich solche Organisationen wie der Weltrat für Erneuerbare Energien, ein Zusammenschluss von internationalen Experten und Nichtregierungsorganisationen, der seinen zweiten Weltkongress nun parallel zur Bonner Regierungskonferenz abhält. Der fordert seit längerem die Errichtung einer Internationalen Agentur für erneuerbare Energien parallel zu der Internationalen Energieagentur in Paris, die sich ja hauptsächlich mit den fossilen Energien und parallel zur Internationalen Atomenergieorganisation in Wien, die sich ja mit atomarer Energie beschäftigt. Die rot-grüne Koalition hat sich dafür auch in ihrem Koalitionsvertrag 2002 ausgesprochen. Welche Chancen gibt es, dieses Projekt möglicherweise auch in Angriff zu nehmen?
Trittin: Die Idee einer solchen Agentur findet unsere Unterstützung. Wir müssen allerdings feststellen, dass in weiten Teilen der Welt dieses noch nicht der Fall ist und die Bereitschaft, eine neue internationale Organisation zu gründen, bei den Regierungen nicht so entwickelt ist, wie sich das der Weltrat vielleicht wünschen würde.
Allerdings ist die Forderung nicht ohne Konsequenzen geblieben. Es tun sich erstaunliche Dinge innerhalb der Internationalen Energieagentur. Dort ist man jetzt dabei, eine neue Sektion auch für erneuerbare Energien auszubilden. Insofern hat die Forderung nach einer internationalen Agentur für erneuerbare Energien gerade auch bei denjenigen, die sich mit den sonstigen Energien beschäftigen, einen erheblichen Veränderungsdruck ausgelöst.
Ich habe auch den Eindruck, dass sich hier insgesamt etwas verändert. Mein Kabinettskollege Wolfgang Clement berichtete neulich, er wäre bei der Internationalen Energieagentur gewesen, um mit denen über die hohen Ölpreise zu reden. Und auf die Frage, was man ihm dann gesagt hat, da sagte er: "Ja, die haben das gleiche gesagt wie der Kollege Trittin auch immer. Wir müssen mehr Energie einsparen, wir müssen Energie effizienter verwenden und wir müssen massiv erneuerbare Energien ausbauen." Insofern entwickelt sich hier gerade auf diesem Sektor vor dem Hintergrund der sehr hohen Ölpreise eine Veränderung auch in der Haltung tradierter Organisationen wie der Internationalen Energieagentur.
Hohrmann: Der Bundestagsabgeordnete der Sozialdemokraten, Dr. Hermann Scheer, der ja Vorsitzender dieses Weltrates für erneuerbare Energien ist, schlägt in einem weiteren Vorschlag für die Konferenz auch vor, einen internationalen Verbreitungsvertrag für erneuerbare Energien zu verabschieden, analog zu dem Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen, der ja vorsieht, dass zur friedlichen Nutzung der atomaren Energie durchaus den Schwellenländern und den Entwicklungsländern geholfen werden soll. Das mag nun obsolet sein, aber um so aktueller müsste doch so eine vertragliche Bindung für die Verpflichtung der Industrieländer, Technologien weiterzugeben, sein.
Trittin: Wir müssen uns hier auf das konzentrieren, dass dieses tatsächlich passiert. Deutschland hat hier eine richtig gute Vorlage gemacht, auch ohne jede völkerrechtliche Verpflichtung. Der Bundeskanzler hat in Johannesburg erklärt, wir würden 500 Millionen in den nächsten fünf Jahren für erneuerbare Energien und 500 Millionen für mehr Energieeffizienz in Entwicklungsländern investieren. Wenn Sie sich anschauen, was wir auf diesem Sektor im Jahre 2003 an Neuzusagen, gerade im Bereich der Erneuerbaren gemacht haben, sehen Sie, dass mit Zusagen in der Größenordnung von 80 Millionen, hier ziemlich präzise aufs Jahr gerechnet, Wort gehalten worden ist.
Wir glauben, dass wir mit solchen konkreten Maßnahmen, und das ist auch der Gedanke des Aktionsprogramms, mit Bemühungen, zum Beispiel Einbeziehung der Weltbank, dort müssen die Förderkonditionen völlig verändert werden: 92 Prozent der Energiekredite der Weltbank gehen in fossile Bereiche und nur acht%e in Bereiche der Erneuerbaren. Hier muss es eine Änderung geben. Wir hoffen – und der stellvertretende Chef der Weltbank Peter Woike wird ja auch auf der Konferenz sein –, dass sich hier innerhalb der Weltbank tatsächlich etwas ändert.
Wir haben Projekte aufgelegt zwischen der Deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau und dem Bundesumweltministerium und der Global Environment Facility der Weltbank zum Bau von solarthermischen Kraftwerken, das heißt Kraftwerke, die in den Entwicklungsländern, wo die Sonne mehr scheint als in Deutschland, Sonnenenergie benutzen, um Strom mit Hilfe von Generatoren zu erzeugen. Wir wollen auf diese Weise in zehn Jahren 5000 Megawatt Leistung ans Netz bringen. Das heißt, solche konkreten Projekte scheinen mir der zukunftsträchtigere Weg sein, als zehn, zwanzig Jahre über völkerrechtliche Verträge zu verhandeln.
Hohrmann: Das sind die Selbstverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland, die Sie gerade aufgezählt haben. Was erwarten Sie von den europäischen befreundeten Nachbarländern, und wie sieht das insgesamt aus, was die Industrieländer betrifft? Kriegt man die Vereinigten Staaten in Bonn ins Boot, denn sie sind ja immerhin repräsentiert?
Trittin: Die USA sind angemessen politisch hochrangig vertreten. Sie wollen ernsthaft daran teilnehmen, und das freut mich besonders, weil wir damit ein bisschen die Spaltung, die wir aus dem Prozess um Kyoto und die Bekämpfung der globalen Erwärmung haben, ein Stück mit dieser Konferenz überwinden können. Es bleibt aber richtig, dass Europa hier der Vorreiter ist. Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bis 2010 ungefähr 20 Prozent ihres Stromes aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Sie wird ein neues Ziel hoffentlich verabschieden mit Blick auf das Jahr 2020.
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich hier festgelegt, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2010 gegenüber 98 verdoppelt zu haben. Wir haben im neuen EEG eine Regelung, dass 2020 ebenfalls 20 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien kommen muss. All dieses zeigt, dass Europa in der Frage Ausbau und Zugang auf die Technologie eine führende und vorwärtstreibende Rolle spielt.
Das ist in meinen Augen auch die Schlüsselfrage: Worin unterscheiden sich fossile Energien von erneuerbaren Energien? Bei fossilen Energien müssen Sie sehr viel für den Brennstoff bezahlen. Warum sind Erneuerbare häufig noch nicht wettbewerbsfähig im Globalen? Weil die Technologie noch zu teuer ist. Wie wird sie billiger? Sie wird nur billiger durch Massenproduktion.
Damit haben wir beispielsweise in Deutschland einen Markt geschaffen. Wir sind inzwischen im Bereich der Fotovoltaik die Nummer 2 in der Welt, weit vor den USA hinter Japan. Diese Entwicklung, die wir 1999 eingeleitet haben, hat aber gleichzeitig dazu geführt, dass die Kosten für eine einzelne Fotovoltaikanlage innerhalb weniger Jahre um 40 Prozent gefallen sind. Und wir rechnen damit, dass wir in den nächsten Jahren noch einmal halbieren können. Damit wird der Wettbewerbsnachteil für diese Technologie gerade mit Blick auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer geringer. Und auf diese Weise glauben wir, einen bescheidenen Beitrag leisten zu können.
Hohrmann: Wenn man normalerweise über Visionen spricht, die man verwirklichen kann in Bezug auf die Sonnenenergie, dann fallen einem immer wieder die enormen Sonneneinstrahlungen in Subsahara-Afrika ein, und es gibt – Sie haben das bei Ihrem Aufenthalt im Jemen unterstrichen – eine europäisch-mediterrane Initiative zur Ausbeutung dieser potentiellen Energiemöglichkeiten. Wenn ich Sie fragen würde: Wann gibt es denn dieses große Sonnenkraftwerk in der Sahara, das uns alle zu einem großen Teil mit Strom versorgen kann?
Trittin: Es gibt eins zur Zeit in Kalifornien, das haben wir mitfinanziert. Wir werden demnächst im Süden Spaniens, in Almeria, 1,1 Millionen Quadratmeter dieser solarthermischen Kraftwerke ans Netz bringen. Wir sammeln da die ersten Erfahrungen. Aber wir haben uns – ich habe vorhin darauf verwiesen –, innerhalb von zehn Jahren vorgenommen, in dem Bereich der Sahara 5000 MW dieser Leistung zu installieren.
Da sind wir auf einem guten Weg, und ich glaube, dass perspektivisch die Länder, die heute davon leben oder zum Teil davon leben, Öl zu exportieren, ja auch nachdenken müssen über die Zeit nach dem Öl - jeder weiß, dass Ölvorräte nicht unendlich sind –, dass sie eine Zukunft haben auch wiederum als Energieexporteure, indem sie beispielsweise solargewonnenen Wasserstoff, das wird der Energiespeicher von morgen sein, wieder exportieren können, dafür legen wir mit den erneuerbaren Energien auch eine der Grundlagen.
Hohrmann: Ganz wird die industrielle Welt, ganz wird auch die Welt im Süden nicht auf herkömmliche fossile Energien verzichten können. Was ist für Sie die Brücke vom jetzigen fossilen, sehr stark durch die Kohle, aber auch noch durch Kernenergie geprägten Zeitalter in die Solarwirtschaft? Ist es das Gas? Auch von dem hört man ja bereits, dass es erschöpfbar ist von seinen Quellen her.
Trittin: Gas ist eine endliche Ressource. Die Briten erfahren das gerade. Ihre Gasvorräte gehen zu Ende. Gas hat aber, gerade was den Energiebedarf im Bereich der Mobilität, also Autos, angeht, eine wichtige Brückenfunktion. Wenn wir denken, dass in 50 Jahren möglicherweise regenerativ erzeugter Wasserstoff die Rolle einnehmen wird, die heute Benzin in vielen Bereichen einnimmt, so ist die Brücke, die zwischen diesen beiden Zeitaltern das Erdgas.
Man muss dazu aber immer wieder sagen: Erdgas zu nutzen als endliche Energie, auch dort ist es geboten, darauf zu achten, dies in einem hohen Maße an Effizienz zu tun, wenn man dann will, dass diese Brücke auch wirklich bis in das Zeitalter reicht, wo unser überwiegender Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird.
Und ich füge hinzu: Gedeckt werden muss, weil es anders gar nicht geht. Im Jahre 2050 werden nur die Volkswirtschaften global wirklich wettbewerbsfähig sein – ich argumentiere bewusst ökonomisch an dieser Stelle –, die gut die Hälfte ihres Primärenergiebedarfs in der Lage sind, aus erneuerbaren Quellen zu decken.
Hohrmann: Tun aus Ihrer Sicht die Energieversorgungsunternehmen, seien es die Lieferanten von Öl und Benzin, seien es die Kraftwerkseigner, jetzt schon genug, um Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien zu betreiben? Man sieht ja neuerdings sogar abends im Fernsehen Reklame von Benzinversorgern, die sich mit erneuerbaren Energien schmücken.
Trittin: Es gibt hier sehr unterschiedliche Entwicklungen in den Unternehmen. Shell und BP haben sehr früh das Potential der Erneuerbaren erkannt, und sind auch insbesondere im Bereich der Fotovoltaik tätig. Andere wie Exxon beispielsweise halten das immer noch für einen Irrweg. Ich glaube, dass die auch unternehmerische Zukunft eher bei BP und Shell liegen wird.
Die großen Unternehmen tun sich mit Innovationen immer schwerer als kleine. Das können wir in Deutschland bei den erneuerbaren Energien sehen. Der große Boom der Windbranche – wir sind inzwischen weltweit Marktführer, dort arbeiten ungefähr 40-50.000 Menschen –,dieser Boom ist an den großen Unternehmen fast vollständig vorbei gegangen und kleine und mittelständische Unternehmen haben dieses Geschäft gemacht. Wir erleben jetzt bei dem Weg der Windenergie hinaus ins Meer, wo der Wind mehr bläst, wo er gleichmäßiger bläst, aber wo es eine sehr teure Technologie ist, dort zu investieren, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen vorweg gehen.
Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass in dem Moment, wo diese kleinen und mittelständischen Unternehmen beweisen, dass es technisch geht, die ganz großen wie RWE und EON sagen: Ach, hier sind wir, und wir können das auch, und wir können das im großen Stil. Das ist ein bisschen, wenn Sie das vergleichen wollen, die Marketingstrategie von Microsoft: Wir lassen Pioniere wie Netscape im Internet erst mal die Erfahrung sammeln, und wenn die dann die Erfahrung gesammelt haben, dann kaufen wir es auf.
Hohrmann: Man hat den Eindruck, wenn man die Diskussion verfolgt, als ob die Menschen, die an der Steinkohle in der Bundesrepublik festhalten wollen, die tollsten neuen Konzepte vortragen. Zum Beispiel, dass die Abgase, die ja besonders hoch sind bei der Steinkohleverarbeitung, abgeschieden werden können in den Minen, wo sie abgebaut worden sind. Viele befürworten das. Was sagen Sie dazu?
Trittin: Die deutsche Steinkohle ist nicht wettbewerbsfähig. Das ist der Grund, warum die Bundesregierung die Förderung in den nächsten Jahren von heute noch 27 Millionen Tonnen auf 16 runterbringen wird. Wir werden in den nächsten Jahren jedes Jahr eine Steinkohlezeche in Deutschland schließen, weil sie – egal wie es ist – nicht wettbewerbsfähig ist. Wenn Sie die Kohlesequestierung, also die CO2-Sequestierung, dort mit hinzu nehmen, wird diese unwirtschaftliche Kohle noch viel unwirtschaftlicher. Insofern ist das keine Perspektive von heute auf morgen.
Allerdings wird man über längere Zeit auch mit Kohlekraftwerken weiterhin arbeiten müssen. Die müssen dann effizienter sein und man wird auch nicht um Speichertechnologien herumkommen. Nur diese Speichertechnologien werden im Jahre 2020 selbst nach Argumenten der Befürworter frühestens zur Verfügung stehen. Das heißt, wir müssen daran weiterhin forschen. Es ist aber kein Ersatz, dafür heute schon zu sorgen, dass mehr erneuerbare Energien ans Netz kommen. Die sparen uns zur Zeit 50 Millionen CO2. Wir rechnen im 2020 mit fast 80 Millionen Tonnen CO2, die in Deutschland durch die Nutzung erneuerbarer Energien eingespart werden. Und dafür zu sorgen, durch solche Instrumente wie den Emissionshandel fossile Energieträger effizienter zu machen.
Hohrmann: Herr Minister, Sie haben vor zwei Jahren anlässlich einer Rede in Bonn davon gesprochen, Bonn könne die Hauptstadt der internationalen Umweltpolitik sein, und Sie haben mit Sicherheit Bezug genommen auf die UN-Sekretariate für Klimaschutz und Wüstenbekämpfung und andere . . .
Trittin: . . .die wandernden Tierarten, die gerade 25 dieses Jahr geworden sind . . .
Hohrmann: . . . die bereits in Bonn sind. War das ernst gemeint? Gibt es weitere Ausbaumöglichkeiten für den ja von Ihnen als Erstem vorgeschlagenen UN-Campus im Langen Eugen am Rhein?
Trittin: Wir errichten ja auf dem Gebiet sozusagen dem ehemaligen Zentrum des Bundestages den UN-Campus. Der wird stückweise ausgebaut. Dass wir in Bonn diese Konferenz machen, ist auch eines der Signale für die UN-Stadt Bonn, die wir ausbauen und stärken wollen. Und aktuell führen wir ja eine Auseinandersetzung auch über die Ansiedlung weiterer Sekretariate, etwa im Chemiebereich, im Bereich der sogenannten besonders gefährlichen Gifte und dieser Fragen. Hier bemühen wir uns weiterhin, den Standort Bonn als Standort der Vereinten Nationen, und da insbesondere der internationalen Umweltpolitik zu stärken.
Hohrmann: Wie haben Sie die jüngsten Äußerungen Präsident Putins für Russland aufgenommen, nun doch im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation positiv über einen Beitritt zum Kyoto-Protokoll der Klimarahmenkonvention nachzudenken?
Trittin: Er hat ein bisschen mehr gesagt als "nachzudenken". Er hat gesagt, sie streben das an. Sie sind positiv zum Kyoto-Protokoll. Das ist ein klares Signal. Russland öffnet sich, sowohl im Bereich des Welthandels wie im Bereich des Klimaschutzes der Weltgemeinschaft und möchte Bestandteil derselben sein. Das ist ein überaus positives Signal, das zeigt, dass es möglich sein kann, dass noch in diesem Jahr das Kyoto-Protokoll dann endgültig in Kraft tritt. Darauf warten insbesondere viele Entwicklungsländer, denn nur mit dem Kyoto-Protokoll wird es die Maßnahmen zur sauberen Entwicklung geben, wird es Chancen geben für Industrieunternehmen in dem industrialisierten Norden, durch Investition und neue Technologie in den Entwicklungsländern Reduktionsverpflichtung dort zu erbringen, wo es für sie am günstigsten ist. Und die Entwicklungsländer werden Zugriff auf neue Technologie bekommen. Insofern ruht ja auch eine große Verantwortung auf Russland.
Hohrmann: Kommt damit auch ein Haufen neuer Arbeit auf das UN-Klimasekretariat in Bonn zu? Denn dort muss das Ganze ja registriert und umgesetzt werden.
Trittin: Wenn der so genannte Clean-Development-Mechanismus in Arbeit kommt, dann wird es mehr Arbeit geben für die Kollegen, die jetzt noch im Haus Carstanjen und demnächst im Langen Eugen sitzen.
Hohrmann: Schönen Dank, Herr Minister.
Links:
International Conference for Renewable Energies, Bonn 2004
Deutschlandfunk Schwerpunkt - Erneuerbare Energien
Hohrmann: Während sich die wortreiche Abschlusserklärung des Johannesburger UNO-Gipfels für nachhaltige Entwicklung darauf beschränkt hatte, sehr allgemein und unverbindlich die Förderung und Verbreiterung erneuerbarer Energien zur Halbierung der weltweiten Armut anzuregen, müsste die Bonner Konferenz nun doch wohl etwas konkreter werden. Wie vielen Menschen könnte unter welchen Bedingungen bis wann der Zugang auch zu nachhaltiger Energieversorgung ermöglicht werden?
Trittin: Wir haben heute die Situation, das sich die Weltgemeinschaft vorgenommen hat, zum Beginn dieses Jahrtausends, bis zum Jahre 2015, die Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen zu halbieren. Absolute Armut heißt, wenn jemand weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung hat. Sie müssen dazu immer wissen, dass eine europäische Kuh zwei Dollar Subvention pro Tag bekommt. Wenn man das erreichen will, dann muss ungefähr einer Milliarde Menschen Zugang zu Energie verschafft werden. Denn ohne Energie wird diese Armut nicht überwunden werden.
Dieser Zugang kann nicht im Wesentlichen über fossile Energien erfolgen. Das ist für viele dieser Menschen viel zu teuer, die können sich die hohen Ölpreise gar nicht leisten, sondern dies geht sehr stark und in hohem Umfang mit erneuerbaren Energien. Und das ist ja auch einer der Sätze der Abschlussdeklaration.
Und einen Punkt allerdings glaube ich, ganz nachdrücklich unterstreichen zu müssen von dem, was Sie in der Einleitung gesagt haben: Wir müssen sehr konkret werden. Und dabei ist das Entscheidende von dieser Konferenz das Aktionsprogramm. Für das Aktionsprogramm werden heute schon täglich neue Beiträge von den Mitgliedstaaten eingereicht.
Und wir wollen nicht nur, dass hier Zusagen gemacht werden für bestimmte Projekte, für Partnerschaften, für Investitionen, sondern wir wollen, dass diese Zusagen anschließend auch auf ihre Einhaltung begutachtet werden. Und deswegen müssen die Ergebnisse zurückgespielt werden in das System der Vereinten Nationen, das heißt zum Beispiel zur Kommission für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen ja in New York haben.
Hohrmann: Wie groß ist diese Organisation, würde ich Sie gerne fragen, Herr Trittin, und kann sie diese Arbeit leisten: Rückkopplung, Anmahnung und Weiterdrängen?
Trittin: Wir haben mit dem Gipfel in Johannesburg die Arbeit dieser Kommission ja verändert. Wir machen nicht mehr jetzt jedes Jahr, wenn wir uns in dieser Kommission treffen, alles, sondern wir nehmen uns immer für zwei Jahre ein Thema vor. In diesem und im nächsten Jahr ist das Wasser, im übernächsten Jahr und im Jahr drauf wird es Energie sein. Diese Sitzungen konzentrieren sich dann auf zwei Bereiche. Im ersten wird ein sogenanntes Monitoring, eine Bestandsaufnahme, betrieben. Im zweiten werden dann die Konsequenzen diskutiert und entschieden, die aus einer Bestandsaufnahme, aus ihren Mängeln, aber auch aus ihren Erfolgen folgt.
Und deswegen ist für uns die Anbindung dieser Konferenz in Bonn an diesen Prozess innerhalb der Kommission für nachhaltige Entwicklung bedeutsam. Wir wollen nicht einfach nur eine freiwillige Veranstaltung sein von denjenigen, die schon immer von erneuerbaren Energien überzeugt waren, sondern die Vereinten Nationen, die Weltgemeinschaft, muss kontrollieren, dass das, was dort zugesagt worden ist, auch tatsächlich umgesetzt wird. Sonst verdient der Name "Aktionsprogramm" den Namen nicht.
Hohrmann: Die eigentliche Konferenz der Regierungsmitglieder und der vielen sogenannten "Stakeholders", das heißt also Interessierten aus Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen in Bonn, beginnt am Pfingstdienstag. Aber schon am Pfingstwochenende treffen sich solche Organisationen wie der Weltrat für Erneuerbare Energien, ein Zusammenschluss von internationalen Experten und Nichtregierungsorganisationen, der seinen zweiten Weltkongress nun parallel zur Bonner Regierungskonferenz abhält. Der fordert seit längerem die Errichtung einer Internationalen Agentur für erneuerbare Energien parallel zu der Internationalen Energieagentur in Paris, die sich ja hauptsächlich mit den fossilen Energien und parallel zur Internationalen Atomenergieorganisation in Wien, die sich ja mit atomarer Energie beschäftigt. Die rot-grüne Koalition hat sich dafür auch in ihrem Koalitionsvertrag 2002 ausgesprochen. Welche Chancen gibt es, dieses Projekt möglicherweise auch in Angriff zu nehmen?
Trittin: Die Idee einer solchen Agentur findet unsere Unterstützung. Wir müssen allerdings feststellen, dass in weiten Teilen der Welt dieses noch nicht der Fall ist und die Bereitschaft, eine neue internationale Organisation zu gründen, bei den Regierungen nicht so entwickelt ist, wie sich das der Weltrat vielleicht wünschen würde.
Allerdings ist die Forderung nicht ohne Konsequenzen geblieben. Es tun sich erstaunliche Dinge innerhalb der Internationalen Energieagentur. Dort ist man jetzt dabei, eine neue Sektion auch für erneuerbare Energien auszubilden. Insofern hat die Forderung nach einer internationalen Agentur für erneuerbare Energien gerade auch bei denjenigen, die sich mit den sonstigen Energien beschäftigen, einen erheblichen Veränderungsdruck ausgelöst.
Ich habe auch den Eindruck, dass sich hier insgesamt etwas verändert. Mein Kabinettskollege Wolfgang Clement berichtete neulich, er wäre bei der Internationalen Energieagentur gewesen, um mit denen über die hohen Ölpreise zu reden. Und auf die Frage, was man ihm dann gesagt hat, da sagte er: "Ja, die haben das gleiche gesagt wie der Kollege Trittin auch immer. Wir müssen mehr Energie einsparen, wir müssen Energie effizienter verwenden und wir müssen massiv erneuerbare Energien ausbauen." Insofern entwickelt sich hier gerade auf diesem Sektor vor dem Hintergrund der sehr hohen Ölpreise eine Veränderung auch in der Haltung tradierter Organisationen wie der Internationalen Energieagentur.
Hohrmann: Der Bundestagsabgeordnete der Sozialdemokraten, Dr. Hermann Scheer, der ja Vorsitzender dieses Weltrates für erneuerbare Energien ist, schlägt in einem weiteren Vorschlag für die Konferenz auch vor, einen internationalen Verbreitungsvertrag für erneuerbare Energien zu verabschieden, analog zu dem Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen, der ja vorsieht, dass zur friedlichen Nutzung der atomaren Energie durchaus den Schwellenländern und den Entwicklungsländern geholfen werden soll. Das mag nun obsolet sein, aber um so aktueller müsste doch so eine vertragliche Bindung für die Verpflichtung der Industrieländer, Technologien weiterzugeben, sein.
Trittin: Wir müssen uns hier auf das konzentrieren, dass dieses tatsächlich passiert. Deutschland hat hier eine richtig gute Vorlage gemacht, auch ohne jede völkerrechtliche Verpflichtung. Der Bundeskanzler hat in Johannesburg erklärt, wir würden 500 Millionen in den nächsten fünf Jahren für erneuerbare Energien und 500 Millionen für mehr Energieeffizienz in Entwicklungsländern investieren. Wenn Sie sich anschauen, was wir auf diesem Sektor im Jahre 2003 an Neuzusagen, gerade im Bereich der Erneuerbaren gemacht haben, sehen Sie, dass mit Zusagen in der Größenordnung von 80 Millionen, hier ziemlich präzise aufs Jahr gerechnet, Wort gehalten worden ist.
Wir glauben, dass wir mit solchen konkreten Maßnahmen, und das ist auch der Gedanke des Aktionsprogramms, mit Bemühungen, zum Beispiel Einbeziehung der Weltbank, dort müssen die Förderkonditionen völlig verändert werden: 92 Prozent der Energiekredite der Weltbank gehen in fossile Bereiche und nur acht%e in Bereiche der Erneuerbaren. Hier muss es eine Änderung geben. Wir hoffen – und der stellvertretende Chef der Weltbank Peter Woike wird ja auch auf der Konferenz sein –, dass sich hier innerhalb der Weltbank tatsächlich etwas ändert.
Wir haben Projekte aufgelegt zwischen der Deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau und dem Bundesumweltministerium und der Global Environment Facility der Weltbank zum Bau von solarthermischen Kraftwerken, das heißt Kraftwerke, die in den Entwicklungsländern, wo die Sonne mehr scheint als in Deutschland, Sonnenenergie benutzen, um Strom mit Hilfe von Generatoren zu erzeugen. Wir wollen auf diese Weise in zehn Jahren 5000 Megawatt Leistung ans Netz bringen. Das heißt, solche konkreten Projekte scheinen mir der zukunftsträchtigere Weg sein, als zehn, zwanzig Jahre über völkerrechtliche Verträge zu verhandeln.
Hohrmann: Das sind die Selbstverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland, die Sie gerade aufgezählt haben. Was erwarten Sie von den europäischen befreundeten Nachbarländern, und wie sieht das insgesamt aus, was die Industrieländer betrifft? Kriegt man die Vereinigten Staaten in Bonn ins Boot, denn sie sind ja immerhin repräsentiert?
Trittin: Die USA sind angemessen politisch hochrangig vertreten. Sie wollen ernsthaft daran teilnehmen, und das freut mich besonders, weil wir damit ein bisschen die Spaltung, die wir aus dem Prozess um Kyoto und die Bekämpfung der globalen Erwärmung haben, ein Stück mit dieser Konferenz überwinden können. Es bleibt aber richtig, dass Europa hier der Vorreiter ist. Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bis 2010 ungefähr 20 Prozent ihres Stromes aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Sie wird ein neues Ziel hoffentlich verabschieden mit Blick auf das Jahr 2020.
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich hier festgelegt, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2010 gegenüber 98 verdoppelt zu haben. Wir haben im neuen EEG eine Regelung, dass 2020 ebenfalls 20 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien kommen muss. All dieses zeigt, dass Europa in der Frage Ausbau und Zugang auf die Technologie eine führende und vorwärtstreibende Rolle spielt.
Das ist in meinen Augen auch die Schlüsselfrage: Worin unterscheiden sich fossile Energien von erneuerbaren Energien? Bei fossilen Energien müssen Sie sehr viel für den Brennstoff bezahlen. Warum sind Erneuerbare häufig noch nicht wettbewerbsfähig im Globalen? Weil die Technologie noch zu teuer ist. Wie wird sie billiger? Sie wird nur billiger durch Massenproduktion.
Damit haben wir beispielsweise in Deutschland einen Markt geschaffen. Wir sind inzwischen im Bereich der Fotovoltaik die Nummer 2 in der Welt, weit vor den USA hinter Japan. Diese Entwicklung, die wir 1999 eingeleitet haben, hat aber gleichzeitig dazu geführt, dass die Kosten für eine einzelne Fotovoltaikanlage innerhalb weniger Jahre um 40 Prozent gefallen sind. Und wir rechnen damit, dass wir in den nächsten Jahren noch einmal halbieren können. Damit wird der Wettbewerbsnachteil für diese Technologie gerade mit Blick auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer geringer. Und auf diese Weise glauben wir, einen bescheidenen Beitrag leisten zu können.
Hohrmann: Wenn man normalerweise über Visionen spricht, die man verwirklichen kann in Bezug auf die Sonnenenergie, dann fallen einem immer wieder die enormen Sonneneinstrahlungen in Subsahara-Afrika ein, und es gibt – Sie haben das bei Ihrem Aufenthalt im Jemen unterstrichen – eine europäisch-mediterrane Initiative zur Ausbeutung dieser potentiellen Energiemöglichkeiten. Wenn ich Sie fragen würde: Wann gibt es denn dieses große Sonnenkraftwerk in der Sahara, das uns alle zu einem großen Teil mit Strom versorgen kann?
Trittin: Es gibt eins zur Zeit in Kalifornien, das haben wir mitfinanziert. Wir werden demnächst im Süden Spaniens, in Almeria, 1,1 Millionen Quadratmeter dieser solarthermischen Kraftwerke ans Netz bringen. Wir sammeln da die ersten Erfahrungen. Aber wir haben uns – ich habe vorhin darauf verwiesen –, innerhalb von zehn Jahren vorgenommen, in dem Bereich der Sahara 5000 MW dieser Leistung zu installieren.
Da sind wir auf einem guten Weg, und ich glaube, dass perspektivisch die Länder, die heute davon leben oder zum Teil davon leben, Öl zu exportieren, ja auch nachdenken müssen über die Zeit nach dem Öl - jeder weiß, dass Ölvorräte nicht unendlich sind –, dass sie eine Zukunft haben auch wiederum als Energieexporteure, indem sie beispielsweise solargewonnenen Wasserstoff, das wird der Energiespeicher von morgen sein, wieder exportieren können, dafür legen wir mit den erneuerbaren Energien auch eine der Grundlagen.
Hohrmann: Ganz wird die industrielle Welt, ganz wird auch die Welt im Süden nicht auf herkömmliche fossile Energien verzichten können. Was ist für Sie die Brücke vom jetzigen fossilen, sehr stark durch die Kohle, aber auch noch durch Kernenergie geprägten Zeitalter in die Solarwirtschaft? Ist es das Gas? Auch von dem hört man ja bereits, dass es erschöpfbar ist von seinen Quellen her.
Trittin: Gas ist eine endliche Ressource. Die Briten erfahren das gerade. Ihre Gasvorräte gehen zu Ende. Gas hat aber, gerade was den Energiebedarf im Bereich der Mobilität, also Autos, angeht, eine wichtige Brückenfunktion. Wenn wir denken, dass in 50 Jahren möglicherweise regenerativ erzeugter Wasserstoff die Rolle einnehmen wird, die heute Benzin in vielen Bereichen einnimmt, so ist die Brücke, die zwischen diesen beiden Zeitaltern das Erdgas.
Man muss dazu aber immer wieder sagen: Erdgas zu nutzen als endliche Energie, auch dort ist es geboten, darauf zu achten, dies in einem hohen Maße an Effizienz zu tun, wenn man dann will, dass diese Brücke auch wirklich bis in das Zeitalter reicht, wo unser überwiegender Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird.
Und ich füge hinzu: Gedeckt werden muss, weil es anders gar nicht geht. Im Jahre 2050 werden nur die Volkswirtschaften global wirklich wettbewerbsfähig sein – ich argumentiere bewusst ökonomisch an dieser Stelle –, die gut die Hälfte ihres Primärenergiebedarfs in der Lage sind, aus erneuerbaren Quellen zu decken.
Hohrmann: Tun aus Ihrer Sicht die Energieversorgungsunternehmen, seien es die Lieferanten von Öl und Benzin, seien es die Kraftwerkseigner, jetzt schon genug, um Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien zu betreiben? Man sieht ja neuerdings sogar abends im Fernsehen Reklame von Benzinversorgern, die sich mit erneuerbaren Energien schmücken.
Trittin: Es gibt hier sehr unterschiedliche Entwicklungen in den Unternehmen. Shell und BP haben sehr früh das Potential der Erneuerbaren erkannt, und sind auch insbesondere im Bereich der Fotovoltaik tätig. Andere wie Exxon beispielsweise halten das immer noch für einen Irrweg. Ich glaube, dass die auch unternehmerische Zukunft eher bei BP und Shell liegen wird.
Die großen Unternehmen tun sich mit Innovationen immer schwerer als kleine. Das können wir in Deutschland bei den erneuerbaren Energien sehen. Der große Boom der Windbranche – wir sind inzwischen weltweit Marktführer, dort arbeiten ungefähr 40-50.000 Menschen –,dieser Boom ist an den großen Unternehmen fast vollständig vorbei gegangen und kleine und mittelständische Unternehmen haben dieses Geschäft gemacht. Wir erleben jetzt bei dem Weg der Windenergie hinaus ins Meer, wo der Wind mehr bläst, wo er gleichmäßiger bläst, aber wo es eine sehr teure Technologie ist, dort zu investieren, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen vorweg gehen.
Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass in dem Moment, wo diese kleinen und mittelständischen Unternehmen beweisen, dass es technisch geht, die ganz großen wie RWE und EON sagen: Ach, hier sind wir, und wir können das auch, und wir können das im großen Stil. Das ist ein bisschen, wenn Sie das vergleichen wollen, die Marketingstrategie von Microsoft: Wir lassen Pioniere wie Netscape im Internet erst mal die Erfahrung sammeln, und wenn die dann die Erfahrung gesammelt haben, dann kaufen wir es auf.
Hohrmann: Man hat den Eindruck, wenn man die Diskussion verfolgt, als ob die Menschen, die an der Steinkohle in der Bundesrepublik festhalten wollen, die tollsten neuen Konzepte vortragen. Zum Beispiel, dass die Abgase, die ja besonders hoch sind bei der Steinkohleverarbeitung, abgeschieden werden können in den Minen, wo sie abgebaut worden sind. Viele befürworten das. Was sagen Sie dazu?
Trittin: Die deutsche Steinkohle ist nicht wettbewerbsfähig. Das ist der Grund, warum die Bundesregierung die Förderung in den nächsten Jahren von heute noch 27 Millionen Tonnen auf 16 runterbringen wird. Wir werden in den nächsten Jahren jedes Jahr eine Steinkohlezeche in Deutschland schließen, weil sie – egal wie es ist – nicht wettbewerbsfähig ist. Wenn Sie die Kohlesequestierung, also die CO2-Sequestierung, dort mit hinzu nehmen, wird diese unwirtschaftliche Kohle noch viel unwirtschaftlicher. Insofern ist das keine Perspektive von heute auf morgen.
Allerdings wird man über längere Zeit auch mit Kohlekraftwerken weiterhin arbeiten müssen. Die müssen dann effizienter sein und man wird auch nicht um Speichertechnologien herumkommen. Nur diese Speichertechnologien werden im Jahre 2020 selbst nach Argumenten der Befürworter frühestens zur Verfügung stehen. Das heißt, wir müssen daran weiterhin forschen. Es ist aber kein Ersatz, dafür heute schon zu sorgen, dass mehr erneuerbare Energien ans Netz kommen. Die sparen uns zur Zeit 50 Millionen CO2. Wir rechnen im 2020 mit fast 80 Millionen Tonnen CO2, die in Deutschland durch die Nutzung erneuerbarer Energien eingespart werden. Und dafür zu sorgen, durch solche Instrumente wie den Emissionshandel fossile Energieträger effizienter zu machen.
Hohrmann: Herr Minister, Sie haben vor zwei Jahren anlässlich einer Rede in Bonn davon gesprochen, Bonn könne die Hauptstadt der internationalen Umweltpolitik sein, und Sie haben mit Sicherheit Bezug genommen auf die UN-Sekretariate für Klimaschutz und Wüstenbekämpfung und andere . . .
Trittin: . . .die wandernden Tierarten, die gerade 25 dieses Jahr geworden sind . . .
Hohrmann: . . . die bereits in Bonn sind. War das ernst gemeint? Gibt es weitere Ausbaumöglichkeiten für den ja von Ihnen als Erstem vorgeschlagenen UN-Campus im Langen Eugen am Rhein?
Trittin: Wir errichten ja auf dem Gebiet sozusagen dem ehemaligen Zentrum des Bundestages den UN-Campus. Der wird stückweise ausgebaut. Dass wir in Bonn diese Konferenz machen, ist auch eines der Signale für die UN-Stadt Bonn, die wir ausbauen und stärken wollen. Und aktuell führen wir ja eine Auseinandersetzung auch über die Ansiedlung weiterer Sekretariate, etwa im Chemiebereich, im Bereich der sogenannten besonders gefährlichen Gifte und dieser Fragen. Hier bemühen wir uns weiterhin, den Standort Bonn als Standort der Vereinten Nationen, und da insbesondere der internationalen Umweltpolitik zu stärken.
Hohrmann: Wie haben Sie die jüngsten Äußerungen Präsident Putins für Russland aufgenommen, nun doch im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation positiv über einen Beitritt zum Kyoto-Protokoll der Klimarahmenkonvention nachzudenken?
Trittin: Er hat ein bisschen mehr gesagt als "nachzudenken". Er hat gesagt, sie streben das an. Sie sind positiv zum Kyoto-Protokoll. Das ist ein klares Signal. Russland öffnet sich, sowohl im Bereich des Welthandels wie im Bereich des Klimaschutzes der Weltgemeinschaft und möchte Bestandteil derselben sein. Das ist ein überaus positives Signal, das zeigt, dass es möglich sein kann, dass noch in diesem Jahr das Kyoto-Protokoll dann endgültig in Kraft tritt. Darauf warten insbesondere viele Entwicklungsländer, denn nur mit dem Kyoto-Protokoll wird es die Maßnahmen zur sauberen Entwicklung geben, wird es Chancen geben für Industrieunternehmen in dem industrialisierten Norden, durch Investition und neue Technologie in den Entwicklungsländern Reduktionsverpflichtung dort zu erbringen, wo es für sie am günstigsten ist. Und die Entwicklungsländer werden Zugriff auf neue Technologie bekommen. Insofern ruht ja auch eine große Verantwortung auf Russland.
Hohrmann: Kommt damit auch ein Haufen neuer Arbeit auf das UN-Klimasekretariat in Bonn zu? Denn dort muss das Ganze ja registriert und umgesetzt werden.
Trittin: Wenn der so genannte Clean-Development-Mechanismus in Arbeit kommt, dann wird es mehr Arbeit geben für die Kollegen, die jetzt noch im Haus Carstanjen und demnächst im Langen Eugen sitzen.
Hohrmann: Schönen Dank, Herr Minister.
Links:
International Conference for Renewable Energies, Bonn 2004
Deutschlandfunk Schwerpunkt - Erneuerbare Energien



