Noltze: Was hat Speck? Was kann man da sammeln? Autographe Handschriften gibt es nicht?
Eisermann: Dieser Mann hat wirklich auf eine gleichzeitig manische und auch disziplinierte Art und Weise über Jahrzehnte in Europa Bände gesammelt zu Petrarca. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen drei ganz alte illuminierte Handschriften und eine große Anzahl von so genannten Cincocentinen, das sind diese kostbaren Drucke aus dem Cincocento, aus dem italienischen 16. Jahrhundert. Es gibt auch deutsche Bücher zu sehen, die dann zum Teil auch auf einer computeranimierten Schautafel so angelegt sind, dass man in einigen Bänden blättern kann, so wie in der wunderbaren Ausgabe von Petrarcas "Traktat von der Arznei bei der Glück", in der Ausgabe von Sebastian Brandt mit über 200 handkolorierten Holzschnitten aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, Frankfurt 1559.
Noltze: Das ist vermutlich interessant für die Rezeptionsgeschichte. Was für eine Geschichte über Petrarcas Wirkung wird uns erzählt?
Eisermann: Die Rezeptionsgeschichte Petrarcas ist vielschichtig. Petrarca wird ja vordergründig meistens als der berühmte Dichter, der Lyriker der Laura gesehen, und als dieser Dichter war er auch von einer ganz ungeheueren Wirkung, vor allen Dingen die ganze Renaissance über. Das hat ausgestrahlt auf die Dichtung ganz Europas bis zu Shakespeare und darüber hinaus. Aber was in dieser Ausstellung herauskommt, ist, dass Petrarca als ein eminent bedeutender Intellektueller seiner Zeit, einer der ersten bedeutenden Humanisten, die in der Frührenaissance die Antike nicht nur wiederentdeckten, sondern den Menschen in den Mittelpunkt des Weltbildes stellten und damit praktisch so eine Art Vorform des modernen Individuums schon angelegt hatten, dass er auch durch ein ungeheuer breites moralphilosophisches Traktatwerk gewirkt hat, die auch über die Jahrhunderte bei vielen Autoren in der europäischen Literatur immer wieder von Bedeutung gewesen sind.
Noltze: Wie kann ich so was in einer Ausstellung zeigen? Sie haben gerade von edel abgedunkelten Räumen gesprochen, aber letztendlich gucke ich in Büchern.
Eisermann: Man versucht das etwas aufzulockern. Zum Beispiel - bei Rainer Speck liegt das nahe, weil er eine der bedeutendsten zeitgenössischen Kunstsammlungen hat - hat man einige bedeutende Werke von modernen Künstler, von Sigmar Polke, Günter Förk in unaufdringlicher Weise kontrastierend hinzugefügt. Man hat in dem aufwändigen Katalog, der gleichzeitig den Sammlungsbestand liefert, eigens für das Buch noch von einigen bedeutenden zeitgenössischen Lyrikern wie Michael Krüger und Durs Grünbein Gedichte hinzugefügt.
Noltze: Parallel dazu gibt es in diesen Tagen eine Petrarca-Tagung, die, wenn ich es richtig verstanden habe, sich weniger mit der Petrarca-Philologie als mit Petrarca als Philologen beschäftigt?
Eisermann: Die Ausstellung hat einen ganz witzigen Titel, der allerdings wahrscheinlich auch nicht überall gleich verstanden wird: "Petrarca(s) Philologie", das heißt, Petrarca selbst wird als Philologe dargestellt und die Petrarca-Philologie, damit ist natürlich die Rezeptionsgeschichte in erster Linie gemeint, vor allen Dingen die Jahrhunderte des europaweiten Petrarcismus. Das verspricht, interessant zu werden.
Noltze: Gibt es einen Beitrag zum Thema Petrarca und Köln?
Eisermann: Die Anekdote, die Sie eingangs erwähnten, wird natürlich in der Ausstellung auch referiert. Petrarca kam ja an dem Abend des Johannistages, des 24. Juni 1333, in Köln an. Es gibt in einem Brief, den er wenige Wochen später schrieb, eine sehr schöne Schilderung, wie er die schönen Kölner Frauen bei der rituellen Waschung im Rheinwasser beobachten konnte.