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Trockenheit in der Stadt
"Der Baum freut sich über jeden Tropfen Wasser"

Nach dem letzten Dürresommer herrscht wieder Hitzestress für Bäume in Parks und Grünanlagen. In Koblenz müssen rund 500 Stadtbäume wegen Trockenschäden gefällt werden. In Celle sind Grünbetriebe mit Bewässerungswagen im Dauereinsatz - sie freuen sich über Mithilfe der Anwohner.

Von Dietrich Mohaupt | 24.07.2019
Bäume im Stadtgebiet von Frankfurt a.M. die durch die anhaltende Trockenheit bereits geschädigt sind und deren Blätter sich dadurch langsam braun verfärben.
Ein Baum, der durch die anhaltende Trockenheit geschädigt ist. (imago stock&people)
"Das Gärtnerherz fängt an zu bluten. Wenn man sich jetzt hier so umschaut: Alte Bäume, junge Bäume - die leiden mächtig. Bei den jungen Bäumen verfärben sich schon die Blätter, obwohl wir sie gießen. Die alten Bäume fangen an Blätter einzurollen, einzelne Exemplare bauen auch so stark zurück, dass wir wohl denken, die gehen ein und wir müssen sie dann ganz fällen." Sven Barner ist Chef der Abteilung Grünbetrieb in Celle. Er macht sich Sorgen um die Bäume in den drei historischen Parkanlagen der ehemaligen Residenzstadt am südlichen Rand der Lüneburger Heide. Eine ganze Reihe junger Linden hat jede Menge gelbe Blätter. "Das ist ein Hitzeschaden im zweiten Standjahr Trockenheit. Die Jungbäume bis ins dritte Jahr, vielleicht auch bis ins vierte Jahr wässern wir mit 100 bis 200 Liter pro Wässerungsgang. Wir versuchen, einmal pro Woche zu wässern. Trotzdem merkt man schon, dass sie nichts mehr finden und dann bauen sie ab."
Grüner Plastiksack am Stamm zur Bewässerung
Einige der jungen Linden bekommen deshalb eine Sonderbehandlung: Dicht über dem Boden ist am Stamm ein grüner Plastiksack aus robustem Kunststoff angebracht, den die Grünbetrieb-Mitarbeiter mit Wasser auffüllen. "Das ist eine neue Erfindung. Ich glaube die Dänen haben es mal wieder erfunden. Einfach ein Sack um den Baum gewickelt, der unten ein paar Löcher hat, wo das Wasser kontinuierlich und langsam rausplätschert und dann in den Boden eindringen kann." Das bringt mehr als einmal einen Schwall Wasser auf den völlig ausgetrockneten Boden. Auch vereinzelte kurze, heftige Gewittergüsse helfen nicht.
"Was wir bräuchten, wäre nicht nur ein paar Tage, sondern wirklich mehrere Wochen einen feinen Landregen! Diese Starkregen bringen nichts, weil der Boden das gar nicht richtig aufnehmen kann, sondern wirklich feiner, kontinuierlicher Landregen, der dann wieder die Wasserreserven im Boden nachfüllt." Solange der nicht in Sicht ist, muss weiter von Hand gegossen werden. Der Bewässerungswagen des Celler Grünbetriebs ist derzeit im Dauereinsatz. Die Mitarbeiter konzentrieren sich aber in erster Linie auf die jungen Bäume.
In erster Linie geht es darum, Jungbäume durchzubringen
In anderen Städten wird vereinzelt schon über den Einsatz der Feuerwehr für die Bewässerung nachgedacht. In Celle bleibt Sven Barner vorerst bei seiner Linie. "Wir fahren eigentlich den Weg, Jungbäume zu wässern und die möglichst durchzubringen. Die Altbäume müssen irgendwann selber klarkommen, und wenn wir dann Verluste haben, ist das tragisch, aber dann ist es so. Wir haben 30.000 Einzelbäume im Stadtgebiet, und die können wir bei weitem nicht alle wässern. Und wo will man dann den Schnitt machen? Soll ich bis ins zehnte Standjahr wässern, soll ich bis ins fünfte Standjahr wässern?" Eine schwierige Entscheidung. In der aktuellen Situation könne jeder ein wenig mithelfen, auch die Anwohner, da gebe es nichts falsch zu machen. "Der Baum ist über jeden Tropfen Wasser froh. Insofern sind wir dankbar über jeden Eimer Wasser, der an den Baum gekippt wird, auch wenn es nicht die hundert Liter sind."
Selbst gesunde Bäume schmeißen Äste ab
Überall ist deutlich zu sehen, dass auch die Altbäume nach der langen Trockenheit so langsam an ihre Grenzen kommen. Sie erreichen selbst mit ihren tiefreichenden Pfahlwurzeln kaum noch das immer weiter absinkende Grundwasser. Platanen werfen große Mengen Laub ab, in den Kronen vieler Eichen sind vertrocknete Äste zu sehen. Hier muss der Baumpfleger eingreifen, damit diese Äste nicht zur Gefahr für Spaziergänger werden. Andere Folgen der Trockenheit sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen - Stichwort Grünastabbrüche: "Die gibt es, wenn die Bäume zu wenig Wasser kriegen und das Holz zu wenig elastisch wird. Dadurch, dass das Wasser in den Adern fehlt, kann es sein, dass die Bäume einfach aus heiterem Himmel gesunde Äste abschmeißen, um diesem Trockenstress zu begegnen. Und das kann man nicht sehen. Das kann man auch durch Kontrollen nicht irgendwie eindämmen. Das sind völlig gesunde Bäume, bei denen alles OK aussieht und im nächsten Moment kann ein Ast runterkrachen."
Regelmäßig sind in den Celler Parkanlagen auch Mitarbeiter des Grünbetriebs mit Rasensprengern unterwegs. Überall schlängeln sich dicke gelbe Schläuche durch die Büsche und über das Gras. Ein ganz schöner Knochenjob für Benjamin Weissenberg und seine Kollegen. "Der Park hier hat 11,5 Hektar, drüben der Stadtpark hat viereinhalb Hektar. Um das zu unterhalten, ziehen wir am Tag kilometerweise Schlauch." Damit sorgen sie für stundenlangen künstlichen Dauerregen, der den Pflanzen zumindest ein wenig Linderung bringt.