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Trollhättan gegen Rüsselsheim - Saab gegen Opel

Ein Bademeister wird gesucht, eine Krankenschwester und ein Tischler. 29 freie Stellen hat das Arbeitsamt Trollhättan zu bieten. Ein Chefkoch ist darunter, ein Lagerarbeiter und eine Tanzlehrerin. Das Angebot ist nicht besonders groß. Derzeit liegt die Arbeitslosigkeit bei über zehn Prozent. Muss die Produktion bei Saab eingestellt oder stark reduziert werden, wird sie rasant in die Höhe schnellen. Aber soweit denkt in der 53.000 Einwohner-Stadt nördlich von Göteborg niemand. Maria Johannson, Vize-Rektorin der Hochschule:

Von Regina König und Brigitte Scholtes |
    In Trollhättan ist große Verunsicherung zu spüren. Aber dass viele Leute Angst haben und sich wehrlos fühlen - das kann ich nicht bestätigen. Es herrscht eine tiefverwurzelte Zuversicht: Das wird sich schon irgendwie regeln. Wie, wissen wir heute noch nicht.

    Pragmatismus kennzeichnet die Trollhättaner, eine Art optimistische Nüchternheit, die inzwischen vermutlich vererbt wird. In gewisser Weise haben wir das Auf und Ab von wirtschaftlichen Hochzeiten und Krisen, verbunden mit Entlassungswellen, verinnerlicht, erklärt Stadtsprecher Peter Asp:

    Die Arbeitslosigkeit und besonders die Jugendarbeitslosigkeit sind hoch hier in Trollhättan. Und das wird nicht besser, wenn die Nachfolgemodelle des Saab 9-3 und des Opel Vectra in Rüsselsheim produziert werden. Aber es gibt diese tiefverwurzelte Gewissheit: Trollhättan hat immer überlebt und ist keine Geisterstadt geworden. Niemand glaubt hier, dass Saab dichtgemacht wird. Entweder wir gewinnen den Wettkampf, oder wir machen etwas anderes, so empfinde ich die Stimmung.

    Wasser, Wissenschaft und Unternehmergeist waren bereits im 16. Jahrhundert die Grundlagen für die industrielle Blüte der Kleinstadt am Göta älv. Der Fluss, der die dramatische Felsen-Landschaft durchschneidet, war der Ursprung des schnellen industriellen Aufstiegs. Säge- und Getreidemühlen nutzten die enorme Wasserkraft, ein gigantisches Schleusenprojekt führte alle Transporte zwischen dem riesigen Vänernsee durch den Trollhättan-Kanal in die Nordsee. Eine Blütezeit erlebte Trollhättan mit der "Mechanischen Werkstatt", die später in Nohab umbenannt wurde. Sowohl Saab wie auch Volvo haben übrigens ihren Ursprung in diesem Unternehmen und beschäftigen heute 45 Prozent der Einwohner Trollhättans in der Technik- und Herstellungsindustrie. Tausende Arbeiter bauten bei Nohab Wasserturbinen, Dieselmotoren und Eisenbahnloks. Die Krise in der Maschinebauindustrie in den 70er Jahren traf das Unternehmen hart, 2500 Arbeiter wurden entlassen. Mehr als 20 Jahre standen die imponierenden Werksgebäude aus rotem Backstein leer - dann wurde 1997 die Stiftung Innovatum geboren. Pär Löwenlid ist nicht nur Trollhättans Stadtentwicklungschef, sondern auch stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Innovatum:

    Innovatum sollte hier auf dem Gelände der Nohab etwas Neues schaffen; der Ausgangspunkt war ein EU-Projekt. Alle wollten neue Jobs, neue Betriebe und Unternehmen. Da reicht es bekanntlich nicht, mit den Fingern zu schnippen. Die Politiker, die damals die Beschlüsse fassten, waren sehr mutig, denn in der Bevölkerung machte sich große Skepsis breit, nach dem Motto, was soll das bringen. Wir wussten ja damals überhaupt nicht, worauf Innovatum hinausläuft. Inzwischen sind 700 Mitarbeiter bei 75 Unternehmen beschäftigt. Unsere Vision ist, dass hier einmal so viele Leute arbeiten wie zu den Hochzeiten der Nohab in den 20er Jahren, nämlich 2641 Beschäftigte. Ein knappes Drittel haben wir geschafft, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns.

    Produktion im ursprünglichen Sinne findet auf dem alten Nohab-Gelände nicht statt. Medien-, Design- und Filmgesellschaften haben sich dort niedergelassen, wo einst die Schweißgeräte zischten. Animation, Computerspiele, Trickfilme - jede Form von digitaler Technik steht im Focus:

    Konzeptdesigner Ed Gray aus London arbeitet mit seinen Kollegen von "Big-Oak-Pictures" an einem 3-D-animierten Kinofilm mit dem Arbeitstitel: Holly in Trollywood. Drei bis vier Jahre dauert es von der Idee bis zur Vollendung der putzigen Trollgeschichte. Warner-Brothers hat schon Interesse angemeldet. In Trollhättan auf Trolle zu kommen ist übrigens kein Zufall: Hätta bedeutet Felsenabsatz, und auf dem mächtigen Gestein rund um den Fluss hat man schon vor Urzeiten Trolle tanzen sehen.
    Dan-Erik Palm ist bei Innovatum sozusagen der Geburtshelfer für neue Projekte und Unternehmen und sein Arbeitsbereich heißt deshalb ganz zu recht INKUBATOR. Palme hat die jungen Digitalkünstler nach Trollhättan geholt. So genannte Inkubatoren sind übrigens keine schwedische Erfindung, es gibt sie auch in deutschen Technologieparks, z.B. in Schleswig-Holstein. Die speziell schwedische, hierarchiefreie Variante beschreibt Dan-Erik-Palm so:

    Es geht um Teamwork, und zwar vom höchsten Politiker bis zum Rezeptionisten. Prestige spielt keine Rolle, die Leute fühlen sich gut aufgehoben. Unter solchen Bedingungen traut man sich was, verrückte Entscheidungen zu treffen, die sich später lohnen. Bei uns gibt es keine Berührungsängste, hier sitzen 55-jährige Fachleute im dunklen Anzug zusammen mit 25-jährigen gepiercten Designern in schwarzen Klamotten und mit rosa Haaren. Wissen, Erfahrung, Mentorenschaft, frische, verrückte Ideen - das gibt am Ende immer eine win-win-Situation.

    Optimistisch, abgehärtet, stark, mutig, nicht unterzukriegen - diesen Eindruck vermitteln die Trollhättaner. Ein bisschen verrückt auch. Wie wäre es sonst gelungen, Lauren Bacall und Nicole Kidman in die schwedische Provinz zu locken, um dort mit Lars von Trier "Dogville zu drehen"?

    Mehr als die Hälfte alle schwedischen Spielfilme wird inzwischen In Trollhättan gedreht. Und der Däne Lars von Trier kommt äußerst gern, um in den alten Industriegebäuden zu arbeiten. Neben Dogville, hat er "Dancer in the dark" und "Manderley" in Trollhättan gedreht. Noch vor dem Technologiepark lockte man nämlich die Produktionsfirma "Film i Väst" in die Kleinstadt. Circa 40 Millionen Euro werden rund um die Filmbranche pro Jahr eingenommen, davon landen 20 Prozent direkt bei den Handwerkern und in den Läden von Trollhättan. 15 Produktionsgesellschaften sind aktiv, ständig werden 2000 Leute beschäftigt. Produzent Bengt Toll ist sich der Grenzen seines Genres durchaus bewusst:

    In den letzten Jahren ging es Trollhättan ganz gut. Haben die Leute was zu tun, ist die Stadt netter, das Leben angenehmer. Aber das kann sich ganz schnell ändern: Wenn General Motors entscheidet, die künftige Generation von Mittelklassewagen in Rüsselsheim produzieren zu lassen, dann gibt das einen Dominoeffekt. 5500 Menschen arbeiten im Werk, dann kommen Tausende Angestellte in Zulieferfirmen hinzu. Niemand weiß doch, was passiert. Wenn die Produktion drastisch zurückgefahren wird, können wir die Arbeitslosen nicht aufnehmen, dafür bietet die Filmbranche nicht genug Arbeitsplätze. Wir haben das Image von Trollhättan verändert, verbreiten ein bisschen Glamour und Glitter. Aber wir beschäftigen schließlich nur ein Drittel soviel Arbeitnehmer wie Saab und das kann auch nicht so viel mehr werden.

    Trotz Filmglamour, Hochkonjunktur bei Zeichentrick- und Animationsfilmen, Aufwind bei Computerspielen - Trollhättan ist eine Saab-Stadt. Dafür reicht ein Blick auf jede x-beliebige Straßenkreuzung. Mindestens jeder dritte PKW ist ein neues Saab-Modell. Zwar haben der Technologiepark Innovatum und die Filmbranche eine Menge retten und auffangen können. Z.B. die alten Fabrikgebäude, die abgerissen werden sollten. Neue Ideen und Konzepte, Unternehmergeist und Teamwork haben Hunderte neuer Arbeitsplätze geschaffen. Aber nach wie vor hofft man, den Wettbewerb gegen Opel in Rüsselsheim zu gewinnen, sagt Chresten Nielsen, Vize-Gewerkschaftschef bei Saab:

    Als dieser Wettbewerb offiziell eingeläutet wurde, hatten unsere Leute natürlich Angst um ihre Arbeitsplätze, aber dann haben alle die Ärmel hochgekrempelt. Der Krankenstand sank um zehn Prozent und die Zahl der fehlerfreien Fahrzeuge stieg von 70 auf 90 Prozent. Das ging nach dem Motto: jetzt werden wir denen bei General Motors mal zeigen, dass wir arbeiten können! Zu den Spielregeln gehört nun einmal, dass der Arbeitgeber Leute entlassen kann, wenn er keine Arbeit hat. Ich sehe ja, wie die Deutschen reagieren, die immer sagen: Entlassungen dürfen einfach nicht sein! Da unterscheiden wir uns eben. Wenn wir keinen Kompromiss finden, dann sagen wir: okay, hier kommen wir nicht weiter, diese Runde hat die Gewerkschaft verloren, vielleicht gewinnen wir beim nächsten Mal. Schwamm drüber und weiter geht’s!

    Hoffnung, Ideen, Konzepte, Alternativen überall. Die Saab-Konzernleitung schweigt eisern. Das Angebot ist gemacht, nun wartet man die Entscheidung von General Motors ab. Wenn wir gewinnen, sagt Gewerkschafter Nielsen, werden wir Rüsselsheim unsere Solidarität beweisen. Das Gleiche erwarten wir im umgekehrten Fall. Sonst machen die Weltkonzerne mit uns, was sie wollen.

    Wenn auch es auch inzwischen erste Signale gibt, dass sowohl in Trollhättan als auch in Rüsselsheim die Bänder nicht still stehen werden - mit der gelassenen Haltung der Schweden zur Standortentscheidung von General Motors sind die Rüsselsheimer nicht gesegnet. Schwamm drüber und weiter so - das kann man kaum in einer Stadt sagen, in der Opel fast allgegenwärtig ist: Das alte Stammwerk liegt direkt am Bahnhof. Mit dem Bau des neuen Werks hat sich der Autohersteller flächenmäßig noch weiter ausgedehnt. Und dass ausgerechnet dieses moderne Werk plötzlich in seinem Bestand gefährdet schien, dafür hatte Stefan Gieltowski, dem Oberbürgermeister der Stadt, schon zu Beginn der aktuellen Standortdiskussion jedes Verständnis gefehlt:

    Ich frage mich, was ist das für eine Unternehmensentscheidung, vor zweieinhalb Jahren "lean field" einzuweihen und in Betrieb zu nehmen und jetzt dieses modernste Werk einem Wettbewerb auszusetzen.

    Dieses modernste Automobilwerk der Welt aber war wegen angeblich zu hoher Kosten nie ausgelastet, deshalb wussten die Rüsselsheimer Opel-Mitarbeiter, dass sie sich nicht zurücklehnen konnten - trotz der zahlreichen Standortsicherungsverträge und der Abstriche, die die Belegschaft in den letzten Jahren hatte hinnehmen müssen. Das traf die Rüsselsheimer dann doch wie ein Schock. Als Anfang Dezember klar wurde, wie viele Opel-Mitarbeiter in Deutschland um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, da hätten sie ihr Geld erst einmal zusammengehalten und mit Kaufzurückhaltung reagiert, erzählt Peter Kromschröder, Inhaber eines Spiel- und Hobby-Geschäfts in der Nähe des Opel-Werks. Sein Optimismus jedenfalls sei dahin, meint er:

    Die schlimmsten Visionen sind, dass Rüsselsheim zu "death valley" wird, also zu einer toten Stadt, wenn das mit Opel so kommt. Wenn die Standortsicherung hier nicht gegeben ist, dass hier nicht weiter gebaut wird, dann sehe ich ganz schwarz für Rüsselsheim.

    Es hätte aber noch schlimmer kommen können, meint Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der auch für Rüsselsheim zuständigen Industrie- und Handelskammer Darmstadt. Denn zum einen stimmt die Gleichung Opel gleich Rüsselsheim nicht mehr so ganz. Opel stellt gut die Hälfte der Arbeitsplätze in Rüsselsheim und Umgebung. Ein Fünftel der 60.000 Einwohner Rüsselsheims pendelt zu Arbeitsplätzen außerhalb der Stadt. Zum anderen ist seit Dezember zumindest klar, dass General Motors Rüsselsheim nicht radikal dicht machen will, sondern Überleitungs- und Abfindungsangebote unterbreitet habe, sagt Vetterlein.

    Ein Teil geht nicht in die Arbeitslosigkeit, sondern etwa in den Vorruhestand. 2000 Mitarbeiter werden in die Outsourcing-Geschichte hineinkommen oder in Joint-Ventures untergebracht. Die werden also Arbeit behalten. Und alle anderen, die jetzt bei Opel-Rüsselheim gehen, erhalten offensichtlich beachtliche Abfindungen, so dass das Kaufkraftproblem, dass eventuell bei 5000 zusätzlichen Arbeitslosen hätte entstehen können, sich so wahrscheinlich nicht niederschlagen wird.

    Seit Februar also fließen die ersten Abfindungen. Einige Opel-Mitarbeiter haben sie schon eingestrichen. Offensichtlich halten die Ex-Opelaner ihr Geld zusammen - jedenfalls konsumierten sie nicht mehr, beobachtet Marianne Heczko. Ihr gehört ein Rüsselsheimer Reisebüro:

    Wir hatten schon diverse Anfragen in der ersten Euphorie unter dem Motto, jetzt hab ich viel Geld, jetzt gönne ich mir was. Aber ich denke, die Ernüchterung beim Durchrechnen wird dann viele von ihren Plänen abhalten.

    Eines ist den Opel-Beschäftigten inzwischen klar: Das Werk hat nur Bestand, wenn sie auf Zusatzleistungen verzichten und sich mit dem Metalltarif zufrieden geben. Bisher verdienen sie nämlich ein Fünftel mehr. Gehaltseinbußen statt Kündigungen - Uwe Vetterlein von der IHK Darmstadt hält das für eine faire Alternative.

    Ganz entscheidend: Ist damit verbunden, dass eine gewisse Sicherheit von fünf bis zehn Jahren entsteht, dann wird von dem Weniger sogar mehr ausgegeben, als von Mehr, wenn man nicht weiß, ob am nächsten Tag etwas da ist. Von daher könnte eine Stabilität bei Opel eher mehr Sicherheit und mehr Konsumfreude bringen als Unsicherheit bei hohen Löhnen.

    Diese Stabilität für alle deutschen Opel-Werke zu erreichen, das ist das Hauptziel des Gesamtbetriebsrates. Dessen Vorsitzender Klaus Franz hat auf eines von Beginn an Wert gelegt: Die verschiedenen deutschen Standorte dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das nächste Ziel des Gesamtbetriebsrats ist es, einen Zukunftsvertrag mit langfristiger Absicherung der deutschen Opelstandorte abzuschließen. Die deutschen Opel-Standorte haben Potenzial - das der Konzernführung in Detroit und Zürich klar zu machen, ist eine Mammutaufgabe. Denn angesichts der billigen Konkurrenz in Asien und Südamerika liegen die Vorteile von Bochum, Kaiserslautern und eben Rüsselsheim nicht unbedingt auf der Hand. Zudem können die Opel-Beschäftigten im Stammwerk dabei nicht auf finanzielle Hilfen der Landes- oder Bundesregierung hoffen. Doch zumindest verbal macht sich Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel für Rüsselsheim stark:

    Erstens: Er liegt mitten im Rhein-Main-Gebiet im Zentrum, also im einem hohen, verdichteten Absatzgebiet. Zweitens ist dieser Standort technologisch hervorragend ausgestattet. Und drittens, und das ist das Wichtigste aus meiner Sicht, er hat die qualifiziertesten Mitarbeiter, sowohl in der Produktion als auch in der Entwicklung.

    Und diese Stärken gelte es in den Verhandlungen offensiv auszuspielen, sagt auch der Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt, Uwe Vetterlein:

    Das ist ein Teil dieses Bargaining-Prozesses, wer macht wo was billiger, und in welchem Zusammenhang klappt es dann besser. Vermutlich auch: Wer hat die besseren Zulieferer hier um die Ecke zur Hand.

    Die vielen Automobil-Zulieferer am Standort Rüsselsheim arbeiten nicht nur für Opel, auch der koreanische Autohersteller Hyundai hat noch seinen Stammsitz hier. Der wird zwar demnächst nach Offenbach verlegt, das wichtige Technologiezentrum von Hyundai Europa bleibt aber in Rüsselsheim. Der Standort lebe eben auch von der guten Infrastruktur des gesamten Rhein-Main-Gebietes, und das wollten die regionalen Industrie- und Handelskammern jetzt auch stärker herausstellen, sagt Vetterlein:

    Wenn wir international Aufmerksamkeit erregen wollen, dann als Rhein-Main-Region im Ganzen, vielleicht sogar als Rhein-Main-Neckar-Region. Und dann sind wir als schiere Größe selbst in Chicago zu erkennen oder in Detroit oder eben auch in Fernost. Wenn wir dann die Vorzüge unserer Wissenschaftsregion herausarbeiten, wenn wir dann die Infrastruktur herausstellen, da muss sich dann Rüsselsheim auch zum Flughafen bekennen, auch zum Flughafenausbau, das ist der Kern-Standortfaktor dieses Raumes. Ich glaube, wenn wir die richtige Geschichte darum schreiben - die Gewerbeflächen haben wir dazu, die Menschen haben wir dazu - dann sollte es nicht an einem Automobilhersteller scheitern, diese Region auch nach vorne zu bringen.

    Denn schließlich habe GM ein Problem und nicht die Region als solche:

    Eine Kante ist schon gefährlich, wenn General Motors sagen würde, man kann in Deutschland noch nicht mal in dem vermeintlich modernsten Automobilwerk Geld verdienen. Das wäre natürlich fatal und hätte dann negative Signalwirkungen für den ganzen Raum, wenn so etwas passieren würde. Dies zeichnet sich jetzt aber so nicht ab. Es gibt andere auch noch produzierende Unternehmen in dieser Region, die sehr erfolgreich sind.

    Ein entscheidender Standortnachteil von Rüsselsheim aber sind bisher die hohen Lohnkosten des Stammwerks gewesen, andere Werke etwa in Eisenach oder im Ausland produzieren eben billiger. Doch trotz aller Unkenrufe - auch für den hessischen Wirtschaftsminister Alois Rhiel zeichnet sich ab, dass der Opel-Standort Rüsselsheim überleben wird:

    Nach allen unseren Informationen, und wir haben ja Kontakte immer gehabt und haben sie mit dem Opelwerk, scheint es gesichert zu sein, dass der Mittelklassewagen hier in Deutschland und damit in Rüsselsheim gefertigt wird.

    Tatsächlich: Es gibt inzwischen Signale, dass in Rüsselsheim zwei Mittelklassewagen gefertigt werden sollen: die Nachfolgegeneration für den Opel Vectra und den Saab 9-3. Damit hätte Trollhättan zwar das Nachsehen. Doch sollen die Schweden mit entschädigt werden: Sie werden wohl einen neuen Mittelklasse-Cadillac bauen dürfen. Rüsselsheim wird also wohl nicht dicht gemacht. Ausruhen dürfe man sich aber nicht, warnt der hessische Wirtschaftsminister:

    Es ist uns deutlich geworden, dass es nicht die technologische Fähigkeit ist, die uns möglicherweise im Weg steht. Da sind wir hier Spitze. Wichtig ist, dass die Nachteile, die in der Lohnkostenstruktur, im Bruttolohnkostenbereich deutlich sichtbar geworden sind zwischen Deutschland und Schweden, dass diese abgebaut werden. Deswegen muss die Bundesregierung ein klares Zeichen jetzt setzen, dass sie bereit ist auf Flexibilisierung, die Rahmenbedingungen zu verbessern, und dass eine Entkoppelung der sozialen Abgaben vom Lohn vorangetrieben werden muss. Nur so können wir auf Dauer diesen Standort sichern, und dieses wäre ein wichtiges Zeichen für die Zukunft, das jetzt gesendet werden muss.

    An einer schnellen Lösung des Standortproblems sind alle interessiert, auch im Stammwerk in Rüsselsheim wäre es den Mitarbeitern lieber, wenn sich die Menschen wieder mehr für die Produkte von Opel als für die leidige Arbeitsplatzdiskussion interessierten. Denn vom Verkauf der Autos leben auch sie. Ein baldiger Abschluss der Verhandlungen täte nicht nur den Opel-Mitarbeitern gut, sondern auch den Unternehmen im Umkreis von Opel, sagt Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt:

    Wir brauchen wieder Leute, die an die Zukunft glauben, erst dann werden sie kreativ, erst dann nehmen sie Geld in die Hand und investieren in die Zukunft. Wenn das nicht geschieht, dann können wir noch so viele Forschungseinrichtungen haben. Wir brauchen den kreativeren unternehmerischen Geist. Und dafür ist Klarheit, oder zumindest in den Faktoren, die man beherrschen kann, Sicherheit, bei den vielen Risiken im Leben ein ganz erheblicher positiver Faktor. Von daher je schneller da Klarheit ist, umso besser.