Ein Mann auf dem Markt:
"Ich liebe Würste. Eine gute Wurst ist aus Schinken und erst das Fett."
Doch der Franzose lebt nicht von der Wurst allein, ein Drei-Sterne-Koch:
"Man kann so viel mit Gemüse machen, so viele Variationen."
Gesichter Europas: Trüffel, Tarte und Tiefkühlkost - Frankreich durch die Küchentür.
Mit Reportagen von Ilka und Jörg Münchenberg. Am Mikrofon begrüßt sie Britta Fecke.
Trüffel und Tarte, Crevette und Crepe Suzette; nach wie vor ist die französische Küche eine kulinarische Versuchung, sie hält Leib und Seele zusammen, und darüber hinaus noch die ganze Nation. Sie sei überhaupt die Beste der Welt, meinte jüngst Staatspräsident Nicolas Sarkozy und deshalb bemüht er sich auch um die Anerkennung der französischen Kochkunst als Weltkulturerbe. Ob geschmorte Schnecken und Froschschenkel tatsächlich diesen Status verdient hätten? - so die Replik der Kritiker; doch unabhängig von Eitelkeit und politischem Kalkül, die Franzosen sind stolz auf ihr gastronomisches Erbe und sie leben ihre Kultur immer wieder mit Freunde und Familie beim traditionellen Mehr-Gänge-Menü.
Jedes Gericht ist immer nur so gut wie seine Zutaten, und die gibt es erntefrisch und verführerisch drapiert auf den Märkten - der Speisekammer Frankreichs. In der Provence beginnt das Fest schon mit der Auswahl der Zutaten - getrieben zwischen Düften und Farben kommt hier jeder Genießer auf seine Kosten, denn die Böden der Umgebung sind fruchtbar und die Auslagen eine einzige Verheißung: In Pernes les Fontaines geht es gerade los:
"Ich liebe Würste. Eine gute Wurst ist aus Schinken und erst das Fett."
Doch der Franzose lebt nicht von der Wurst allein, ein Drei-Sterne-Koch:
"Man kann so viel mit Gemüse machen, so viele Variationen."
Gesichter Europas: Trüffel, Tarte und Tiefkühlkost - Frankreich durch die Küchentür.
Mit Reportagen von Ilka und Jörg Münchenberg. Am Mikrofon begrüßt sie Britta Fecke.
Trüffel und Tarte, Crevette und Crepe Suzette; nach wie vor ist die französische Küche eine kulinarische Versuchung, sie hält Leib und Seele zusammen, und darüber hinaus noch die ganze Nation. Sie sei überhaupt die Beste der Welt, meinte jüngst Staatspräsident Nicolas Sarkozy und deshalb bemüht er sich auch um die Anerkennung der französischen Kochkunst als Weltkulturerbe. Ob geschmorte Schnecken und Froschschenkel tatsächlich diesen Status verdient hätten? - so die Replik der Kritiker; doch unabhängig von Eitelkeit und politischem Kalkül, die Franzosen sind stolz auf ihr gastronomisches Erbe und sie leben ihre Kultur immer wieder mit Freunde und Familie beim traditionellen Mehr-Gänge-Menü.
Jedes Gericht ist immer nur so gut wie seine Zutaten, und die gibt es erntefrisch und verführerisch drapiert auf den Märkten - der Speisekammer Frankreichs. In der Provence beginnt das Fest schon mit der Auswahl der Zutaten - getrieben zwischen Düften und Farben kommt hier jeder Genießer auf seine Kosten, denn die Böden der Umgebung sind fruchtbar und die Auslagen eine einzige Verheißung: In Pernes les Fontaines geht es gerade los:
Aus Liebe zum Genuss - Auf dem Markt von Pernes Les Fontaines
Ein strahlender Frühlingsmorgen mit tiefblauem Himmel. Noch steht die Sonne niedrig über den Dächern, doch ihr gleißendes Licht blendet schon jetzt. Eisig fegt der Wind durch die engen Gassen - zwischen den pastell- und ockerfarbenen Häusern hindurch. Philippe Deydier zieht seinen Lederhut noch fester ins Gesicht. Wischt eine seiner dunklen Locken aus der Stirn und reibt seine massigen geröteten Hände gegeneinander.
"Heute ist Mistral, das nervt. Für Sie ist es schön, für uns nicht so. Man muss die Sonnenschirme mit Gewichten festmachen, sonst fliegen die weg."
Gemächlich macht er sich daran, seinen Wurst-Stand zu drapieren. Eine der bordeauxroten Tischdecken flattert davon. Philippe Deydier muss sie mit Holzkisten beschweren. Er streicht den Stoff glatt, wieder und wieder. Das braucht Zeit. Aber Philippe scheint viel davon zu haben:
"Ich denke, die Provencalen, die Menschen auf dem Land, nehmen sich ihre Zeit. Wir müssen nicht rennen wie die Menschen in den Großstädten."
Wie zum Beweis plaudert er erst einmal mit Kollegen - dem Gemüsehändler und der Verkäuferin mit den Töpferwaren nebenan: über das Wetter, die Kundschaft und wieder das Wetter.
Sieben Tage die Woche zieht Philippe Deydier mit seinen Salamiwürsten von einem Markt in der Umgebung zum nächsten: das ganze Jahr - außer es regnet in Strömen, da lohnt es sich nicht. Doch wer will heute schon an schlechtes Wetter denken? Der Frühling ist da. Behutsam faltet der Provencale seine Schürze auseinander, bindet sie sich sorgfältig um den Bauch und strahlt über das ganze Gesicht:
"Das ist eine rote Schürze, weil Rot die Leute anlockt. So sieht man mich von weitem. Ich stehe vor meinem Stand und biete den Leuten an, meine Produkte zu probieren. Was auch wichtig ist, ist ein schöner Stand. Man muss den Leuten Appetit machen."
Seine Würste kommen von kleinen Produzenten aus der Ardeche und der Provence: Spezialitäten aus Arles, Stierwurst, Enten-, Wildschwein-, Roquefort- und Ziegenkäsewurst, mit Nüssen, Kräutern oder extra mager. Korb für Korb mit luftgetrockneten Salamis stellt Philippe Deydier auf die großen Tische. Insgesamt werden es 30 Sorten sein:
"Ich liebe alle Würste. Eine gute Wurst ist entweder mit dem Schinken oder der Nuss des Schinkens gemacht. Man braucht gutes Fett. Die Alten würden sagen: Eine gute Wurst ohne Fett ist keine Wurst. Danach hat jeder Hersteller seine eigene Würze. Das ist sein Berufsgeheimnis. Wir kennen es nicht."
Das sind die besten der ganzen Region, ruft ein Stammkunde und entschwindet schon zum nächsten Stand, der von den Farben der Früchte nur so strotzt. Von Aromen wild wachsender Kräuter wie Thymian, Rosmarin und Basilikum: ein Fest des Gaumens. Philippe Deydier zieht seinen schwarzen Rollpullover zum Kinn und folgt den Passanten aufmerksam mit den Augen.
"In Pernes les Fontaines kommen viele Stammkunden: Leute aus der Stadt, die jeden Samstag auf dem Markt einkaufen. Und dann kommen die Touristen, die die Produkte hier gut finden, die Märkte der Provence, das Marktleben. Im Moment ist es ruhig. Es ist noch früh. Die Menschen kommen langsam. So gegen halb elf geht es los. Am Wochenende lassen sich die Menschen Zeit."
Doch vorbei sind die Zeiten, als er sich um Kundschaft keine Sorgen machen musste. Natürlich: Die Alteingesessenen drehen nach wie vor ihre Runde auf dem Markt, und auf die Touristen ist zum Glück meist Verlass. Zwillingsschwestern schlendern vorüber, stöbern hier und dort - und landen schließlich vor Deydiers Würsten.
"Welcome to the Provence! Thank you. Das ist selten, Schottinnen hier zu haben."
"Das ist das erste Mal, dass ich hier bin. Ich versuche, alles Obst und Gemüse, alle Produkte der Region hier zu kaufen. Alles andere, Nudeln und Reis und so weiter im Supermarkt. Aber ich versuche, so viel wie möglich hier zu kaufen."
Philippe Deydier schüttelt fast unmerklich seinen Kopf. Einkaufen im Supermarkt? Für ihn ist das ein Frevel. Nur wenn es gar nicht zu vermeiden ist, zieht es ihn in eines der großen Einkaufszentren der Banlieue. Doch die Frage beschäftigt ihn: Was ist nur los mit den jungen Leuten aus Pernes les Fontaines und der Umgebung? Auf dem Markt sucht man sie vergeblich.
"Ich denke, dass die jungen Menschen heutzutage sehr viel weniger kochen, als ihre Eltern oder Großeltern das getan haben. Das ist das Tempo der Gesellschaft, das dazu geführt hat. Die Jungen kaufen heute viel mehr Tiefkühlkost. Auf den Märkten sind nicht die jungen Leute die wichtigste Kundschaft, es sind die Alten und die Urlauber."
Ein älterer Herr hat aufmerksam zugehört. 80 Jahre ist er alt, sein Schnauzbart gerade gestutzt, das graue Haar akkurat zurückgekämmt. Um den Hals hat er ein Seidentuch geschwungen:
"Die Jungen essen weniger als wir für den Geschmack, sondern, um sich zu ernähren, um zu essen. Wir dagegen, die ältere Generation: Wir essen, um Freude zu haben. Weil es in unserem Leben Zeiten gab, in denen man nicht das fand, was man wollte."
"Das Problem ist: Wer soll noch auf den Markt kommen? Aber die Märkte werden immer existieren, weil die Märkte der Provence eine Identität haben. Sie beleben auch die Zentren, die Städte. Sie locken viele Menschen hierher."
Philippe Deydier legt die Wurst in den geflochtenen Bastkorb des älteren Herrn. Im Schatten der benachbarten Platane plätschert einer der zahlreichen Brunnen, die Pernes les Fontaines den Namen gegeben haben. Allmählich wird es lebhafter in der Gasse.
"So gewinnt man eine Stammkundschaft. Es gibt das Produkt. Es gibt einen kleinen Wortwechsel. Das mögen die Kunden. Das suchen sie auf den Märkten. Dass man diskutiert, miteinander redet - vielleicht nur wenig, das über das Wetter hinausgeht, aber man redet. Das ist genau das, was die Leute wollen. In Supermärkten gibt es das nicht."
Was für ein wunderbarer Duft, schwärmt Philippe von seinen Würsten. Das ist die Provence, verkündet Deydier seinen ausländischen Kunden. Ein gutes Essen - frisch vom Markt.
"Wenn ich eine Mahlzeit bereite, muss das immer auf der Basis von Olivenöl und Knoblauch sein. Es sind die Gewürze der provencalischen Küche. Wir behalten unsere kulturelle Identität."
Philippe Deydier zuckt mit den Achseln: Warum ist das für die jungen Leute so schwer zu verstehen?
Feinste Zutaten raffiniert arrangiert, in mehreren Gängen komponiert; ein Menü wie eine Symphonie - intoniert wird die Kunst in der ganzen Stadt denn nirgendwo hat man sich dem Genuss so verschrieben wie in Paris - und noch immer werden hier Maßstäbe gesetzt. Als Krönung der kulinarischen Schöpfung gilt vielen der Stern, mit Argusaugen beobachten die Feinschmecker aus aller Welt, welches Restaurant einen der begehrten Michelin-Sterne gewinnt und wem wohlmöglich einer aberkannt wird. In diesem Jahr hat Paris ein Drei-Sterne-Restaurant verloren und damit nur noch neun Genusstempel.
Einige Köche gaben in den letzten Jahren die Auszeichnungen zurück, sie wollten nicht weiter unter dem großen Druck arbeiten. Einem ist das ganze Gewese um die Sterne schnuppe: Alain Passard. Der Koch eröffnete 1986 sein eigenes Restaurant: L' Arpege - der Name kommt aus der Musik und beschreibt einen Akkord der Ton für Ton gespielt wird. Auch Passard achtet auf jede einzelne Note und das hauptsächlich beim Gemüse, wurde der Koch auch mit seinen Kalbs- und Lammbraten berühmt, widmet sich der Star jetzt fast nur noch dem, was andere als Beilage verstehen: Seine drei Sterne hat er behalten, die Kunden sowieso:
"Heute ist Mistral, das nervt. Für Sie ist es schön, für uns nicht so. Man muss die Sonnenschirme mit Gewichten festmachen, sonst fliegen die weg."
Gemächlich macht er sich daran, seinen Wurst-Stand zu drapieren. Eine der bordeauxroten Tischdecken flattert davon. Philippe Deydier muss sie mit Holzkisten beschweren. Er streicht den Stoff glatt, wieder und wieder. Das braucht Zeit. Aber Philippe scheint viel davon zu haben:
"Ich denke, die Provencalen, die Menschen auf dem Land, nehmen sich ihre Zeit. Wir müssen nicht rennen wie die Menschen in den Großstädten."
Wie zum Beweis plaudert er erst einmal mit Kollegen - dem Gemüsehändler und der Verkäuferin mit den Töpferwaren nebenan: über das Wetter, die Kundschaft und wieder das Wetter.
Sieben Tage die Woche zieht Philippe Deydier mit seinen Salamiwürsten von einem Markt in der Umgebung zum nächsten: das ganze Jahr - außer es regnet in Strömen, da lohnt es sich nicht. Doch wer will heute schon an schlechtes Wetter denken? Der Frühling ist da. Behutsam faltet der Provencale seine Schürze auseinander, bindet sie sich sorgfältig um den Bauch und strahlt über das ganze Gesicht:
"Das ist eine rote Schürze, weil Rot die Leute anlockt. So sieht man mich von weitem. Ich stehe vor meinem Stand und biete den Leuten an, meine Produkte zu probieren. Was auch wichtig ist, ist ein schöner Stand. Man muss den Leuten Appetit machen."
Seine Würste kommen von kleinen Produzenten aus der Ardeche und der Provence: Spezialitäten aus Arles, Stierwurst, Enten-, Wildschwein-, Roquefort- und Ziegenkäsewurst, mit Nüssen, Kräutern oder extra mager. Korb für Korb mit luftgetrockneten Salamis stellt Philippe Deydier auf die großen Tische. Insgesamt werden es 30 Sorten sein:
"Ich liebe alle Würste. Eine gute Wurst ist entweder mit dem Schinken oder der Nuss des Schinkens gemacht. Man braucht gutes Fett. Die Alten würden sagen: Eine gute Wurst ohne Fett ist keine Wurst. Danach hat jeder Hersteller seine eigene Würze. Das ist sein Berufsgeheimnis. Wir kennen es nicht."
Das sind die besten der ganzen Region, ruft ein Stammkunde und entschwindet schon zum nächsten Stand, der von den Farben der Früchte nur so strotzt. Von Aromen wild wachsender Kräuter wie Thymian, Rosmarin und Basilikum: ein Fest des Gaumens. Philippe Deydier zieht seinen schwarzen Rollpullover zum Kinn und folgt den Passanten aufmerksam mit den Augen.
"In Pernes les Fontaines kommen viele Stammkunden: Leute aus der Stadt, die jeden Samstag auf dem Markt einkaufen. Und dann kommen die Touristen, die die Produkte hier gut finden, die Märkte der Provence, das Marktleben. Im Moment ist es ruhig. Es ist noch früh. Die Menschen kommen langsam. So gegen halb elf geht es los. Am Wochenende lassen sich die Menschen Zeit."
Doch vorbei sind die Zeiten, als er sich um Kundschaft keine Sorgen machen musste. Natürlich: Die Alteingesessenen drehen nach wie vor ihre Runde auf dem Markt, und auf die Touristen ist zum Glück meist Verlass. Zwillingsschwestern schlendern vorüber, stöbern hier und dort - und landen schließlich vor Deydiers Würsten.
"Welcome to the Provence! Thank you. Das ist selten, Schottinnen hier zu haben."
"Das ist das erste Mal, dass ich hier bin. Ich versuche, alles Obst und Gemüse, alle Produkte der Region hier zu kaufen. Alles andere, Nudeln und Reis und so weiter im Supermarkt. Aber ich versuche, so viel wie möglich hier zu kaufen."
Philippe Deydier schüttelt fast unmerklich seinen Kopf. Einkaufen im Supermarkt? Für ihn ist das ein Frevel. Nur wenn es gar nicht zu vermeiden ist, zieht es ihn in eines der großen Einkaufszentren der Banlieue. Doch die Frage beschäftigt ihn: Was ist nur los mit den jungen Leuten aus Pernes les Fontaines und der Umgebung? Auf dem Markt sucht man sie vergeblich.
"Ich denke, dass die jungen Menschen heutzutage sehr viel weniger kochen, als ihre Eltern oder Großeltern das getan haben. Das ist das Tempo der Gesellschaft, das dazu geführt hat. Die Jungen kaufen heute viel mehr Tiefkühlkost. Auf den Märkten sind nicht die jungen Leute die wichtigste Kundschaft, es sind die Alten und die Urlauber."
Ein älterer Herr hat aufmerksam zugehört. 80 Jahre ist er alt, sein Schnauzbart gerade gestutzt, das graue Haar akkurat zurückgekämmt. Um den Hals hat er ein Seidentuch geschwungen:
"Die Jungen essen weniger als wir für den Geschmack, sondern, um sich zu ernähren, um zu essen. Wir dagegen, die ältere Generation: Wir essen, um Freude zu haben. Weil es in unserem Leben Zeiten gab, in denen man nicht das fand, was man wollte."
"Das Problem ist: Wer soll noch auf den Markt kommen? Aber die Märkte werden immer existieren, weil die Märkte der Provence eine Identität haben. Sie beleben auch die Zentren, die Städte. Sie locken viele Menschen hierher."
Philippe Deydier legt die Wurst in den geflochtenen Bastkorb des älteren Herrn. Im Schatten der benachbarten Platane plätschert einer der zahlreichen Brunnen, die Pernes les Fontaines den Namen gegeben haben. Allmählich wird es lebhafter in der Gasse.
"So gewinnt man eine Stammkundschaft. Es gibt das Produkt. Es gibt einen kleinen Wortwechsel. Das mögen die Kunden. Das suchen sie auf den Märkten. Dass man diskutiert, miteinander redet - vielleicht nur wenig, das über das Wetter hinausgeht, aber man redet. Das ist genau das, was die Leute wollen. In Supermärkten gibt es das nicht."
Was für ein wunderbarer Duft, schwärmt Philippe von seinen Würsten. Das ist die Provence, verkündet Deydier seinen ausländischen Kunden. Ein gutes Essen - frisch vom Markt.
"Wenn ich eine Mahlzeit bereite, muss das immer auf der Basis von Olivenöl und Knoblauch sein. Es sind die Gewürze der provencalischen Küche. Wir behalten unsere kulturelle Identität."
Philippe Deydier zuckt mit den Achseln: Warum ist das für die jungen Leute so schwer zu verstehen?
Feinste Zutaten raffiniert arrangiert, in mehreren Gängen komponiert; ein Menü wie eine Symphonie - intoniert wird die Kunst in der ganzen Stadt denn nirgendwo hat man sich dem Genuss so verschrieben wie in Paris - und noch immer werden hier Maßstäbe gesetzt. Als Krönung der kulinarischen Schöpfung gilt vielen der Stern, mit Argusaugen beobachten die Feinschmecker aus aller Welt, welches Restaurant einen der begehrten Michelin-Sterne gewinnt und wem wohlmöglich einer aberkannt wird. In diesem Jahr hat Paris ein Drei-Sterne-Restaurant verloren und damit nur noch neun Genusstempel.
Einige Köche gaben in den letzten Jahren die Auszeichnungen zurück, sie wollten nicht weiter unter dem großen Druck arbeiten. Einem ist das ganze Gewese um die Sterne schnuppe: Alain Passard. Der Koch eröffnete 1986 sein eigenes Restaurant: L' Arpege - der Name kommt aus der Musik und beschreibt einen Akkord der Ton für Ton gespielt wird. Auch Passard achtet auf jede einzelne Note und das hauptsächlich beim Gemüse, wurde der Koch auch mit seinen Kalbs- und Lammbraten berühmt, widmet sich der Star jetzt fast nur noch dem, was andere als Beilage verstehen: Seine drei Sterne hat er behalten, die Kunden sowieso:
Drei Sterne für Gemüse - Der Spitzenkoche Alain Passard
Die widerspenstige Strähne wird schnell noch einmal in den blonden Pferdeschwanz gesteckt. Marie, die junge Empfangsdame des L’Arpege, ist bereit. Es ist kurz vor 12 Uhr mittags. Die dutzend Tische sind alle reserviert. Zum letzten Mal werden die Servietten kontrolliert, das Silberbesteck und die funkelnden Gläser akkurat ausgerichtet. Längst hat das Personal Jeans und Pullover gegen die elegante wie schlichte schwarze Arbeitskleidung getauscht. Die Einrichtung ohne Schnörkel und Exzentrik - das Essen, so die klare Botschaft, steht im L'Arpege im Mittelpunkt.
Die Küchentür schwingt auf - Alain Passard bittet in sein Heiligtum:
"Wir werden ganz viel Neues machen. Vielleicht werden wir etwas machen mit Kartoffeln und Zitrone, das klingt doch nicht schlecht? Wir werden sehen. Wir haben sehr schönes Gemüse, schöne Muscheln, Fisch. Wir haben eine große Auswahl."
Im Gehen hat sich der 52-Jährige eine weiße Schürze über die Jeans umgebunden. In der kleinen Küche herrscht Hochbetrieb, der Raum ist erfüllt von den verschiedensten Düften. Dampf steigt aus den zahllosen Töpfen auf dem gewaltigen Herd. An der Wand hängen blitzende Kupferpfannen. Schon jetzt treibt die Hitze den Schweiß aus den Poren. Zehn Köche sind seit dem Morgen im Einsatz, um Farce, Saucen und Grundzutaten vorzubereiten.
Auf Schneidebrettern und in Schalen warten frische Kräuter, weiße Rübchen, bunte Blumen, blaue Mohrrüben und leuchtend rote und rosa Beete auf ihre Zubereitung. Es war eine Sensation, als Alain Passard seine radikale Entscheidung verkündete: seit 2001 verzichtet er weitgehend auf Fleisch. Gemüse ist seither nicht nur Beilage, sondern Hauptdarsteller auf dem Teller. Für ihn als Koch der Beginn eines neuen Lebens:
"Das Gemüse ruft geradezu nach der Entdeckung, nach dem Ungewöhnlichen, nach der Weiterentwicklung, nach der Überraschung. Das ist so interessant. Man kann vor allem so viel Unterschiedliches schaffen, mit den Kräutern, mit Gewürzen, mit Blumen. Du kannst das Gemüse mit Früchten zusammenbringen. Es ist ein sehr weites Feld, eine große Welt."
Er liebe alle Gemüsesorten, sagt Passard mit leuchtenden Augen: Rüben im Winter, Tomaten im Sommer, Erbsen im Frühling - aus der Küche kommt, was die Jahreszeiten hergeben.
"Die Gemüseküche bringt viele Farben hervor. Und die Farbe ist die Quelle der Inspiration."
Die Leidenschaft für das Kochen hat seine bretonische Großmutter Louise geweckt. Sie hat ihm aber auch das Gefühl für Zutaten und die richtige Temperatur am Herd beigebracht:
"Eine große Lehrerin - sehr, sehr begabt. Hast Du gesehen, dass es Langustinen gibt? Machst du kleine Carpaccios daraus?"
Fast täglich lässt der Bretone seine Kindheitsumgebung wiederaufleben. Butter, Fisch und immer wieder Gemüse - bis heute das Geheimnis seiner Kochkünste.
"Sie ist hübsch, die neue Speisekarte, nicht wahr? Der Frühling!"
"Das muss raus um zwei Uhr 30. Also in zwei Stunden. Also, wir müssen uns beeilen."
"Ja, ja."
Und weil die Märkte ihm nicht die gewünschte Qualität lieferte, hat Passard einen eigenen Garten 200 Kilometer entfernt von Paris angelegt. Jeden Tag bringt der Schnellzug, was seine acht Helfer und zwei Gärtner anbauen - streng ökologisch versteht sich. Es ist dieses bedingungslose Qualitätsstreben des Chefs, das die anderen Köche schätzen und bewundern, so auch der junge David aus den USA, der gerade das Messer ansetzt, um den duftenden, mattschwarzen Trüffel aus dem Perigord in hauchdünne Scheiben zu schneiden.
"Ich habe hier studiert und danach Praktika in verschiedenen Küchen absolviert. Dann kam ich hierher und wurde sehr inspiriert durch den Chef. Vor allem, was er mit seinem Gemüse macht, durch seinen Respekt vor den verschiedenen Jahreszeiten. Wir haben Gemüseprodukte, die du nicht einmal auf den Märkten in der Umgebung von Paris findest. Fast alles, was wir hier haben, ist aus seinem Garten."
Gemüse in absoluter Perfektion, die Komposition von immer neuen Geschmacksakkorden, etwa bei einem Kastaniensabayon mit Trüffelcreme - genau deshalb kommen die Gäste ins L'Arpege. Essen als purer Luxus, avantgardistisch und innovativ, gekocht für eine kleine Elite, die sich auch ein Menü von 420 Euro in einem mit drei Michelin-Sternen gekrönten Restaurant leisten kann.
"Es geht mir sehr gut mit meinen Sternen, sehr gut."
Passard muss man lieben oder hassen, haben Kritiker geschrieben. Heute etwa gibt es im langen Reigen der Vorspeisen ein schlichtes Radieschen mit Grün, bestreut mit ein paar Krümeln feinsten Meeressalzes. Angesichts der horrenden Preise eine durchaus gewollte Provokation. Die junge Sous-Chefin Julie kommt aus den Schwärmen dennoch nicht heraus:
"Ganz frisch aus unserem Garten. Die erste vom printemps. Die Leute denken, es ist so einfach, aber es ist über den Geschmack. Es ist so schön. Sie kosten so gut!"
Inzwischen wurde das Tempo merklich angezogen. Pausenlos kommen neue Bestellungen herein. Die aufwendig dekorierten Teller verlassen nun im Minutentakt die Küche - Zwiebelgratin mit schwarzem Trüffel, der farbenprächtige mit frischen Blüten angemachte Salat "Arlequin", schmale Hummerstreifen - begleitet von den knappen Kommandos Passards an seine international zusammengewürfelte Mannschaft: Doch bei aller Anspannung - von Hektik ist in der engen Küche kaum etwas zu spüren. Jeder weiß, wo sein Platz ist, kennt seine Aufgaben.
"Das ist Organisation. Man muss miteinander reden. Wir reden sehr viel untereinander. Man schafft das nicht von Anfang an. Das ist die treibende Kraft der Zusammenarbeit. Nur so erreicht man Harmonie."
Und Harmonie geht dem leidenschaftlichen Saxophonspieler über alles. Gleich einem Komponisten sucht der Meister der weißen Rübchen, Perigord-Trüffel und neuen Tomatenkreuzungen nach dem unbekannten Geschmackserlebnis, den unverfälschten Aromen, den klaren Farben. Inzwischen gehen die ersten Desserts aus der Küche - eine hauchzarte Apfeltarte in der Form von Gartenrosen garniert. Selbst beim Nachtisch bleibt Alain Passard seiner Leidenschaft treu.
"Das Besondere zu finden, das außerordentliche Mahl, etwas zu finden, das noch nie gemacht worden ist. Leidenschaft bedeutet zu finden, zu suchen, zu erfinden. Ich bin glücklich, wenn ich koche."
Im Paradies der Gaumenfreuden ist Gefahr in Verzug, in der Familie arbeiten meist beide Elternteile, die Zeit zum Kochen ist knapper geworden - und so ist auch in Frankreich ein Markt für Fertiggerichte und Fastfood entstanden. In den Supermärkten ist der Kunde bei der Auswahl der vielen Tiefkühlgerichte schnell überfordert.
Picard ist Frankreichs größte Kette, die sich ausschließlich auf Tiefkühlkost spezialisiert hat. 1906 eröffnete Raymond Opicard die "Glacieres de Fontainebleau", die Eisfabrik von Fontainebleau. Die hier produzierten Eisbrocken wurden direkt in die Cafes und Restaurants geschickt, um dort die Lebensmittel länger über den Sommer zu bringen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stehen auch in den französischen Privathaushalten immer häufiger Kühlschränke: ein neuer Markt, den Picard in den sechziger Jahren mit den ersten gefrorenen Gerichten bedient. Inzwischen hat die Kette 700 eigene Läden in ganz Frankreich, im letzten Jahr machte Picard einen Umsatz von einer Milliarde Euro.
Die Küchentür schwingt auf - Alain Passard bittet in sein Heiligtum:
"Wir werden ganz viel Neues machen. Vielleicht werden wir etwas machen mit Kartoffeln und Zitrone, das klingt doch nicht schlecht? Wir werden sehen. Wir haben sehr schönes Gemüse, schöne Muscheln, Fisch. Wir haben eine große Auswahl."
Im Gehen hat sich der 52-Jährige eine weiße Schürze über die Jeans umgebunden. In der kleinen Küche herrscht Hochbetrieb, der Raum ist erfüllt von den verschiedensten Düften. Dampf steigt aus den zahllosen Töpfen auf dem gewaltigen Herd. An der Wand hängen blitzende Kupferpfannen. Schon jetzt treibt die Hitze den Schweiß aus den Poren. Zehn Köche sind seit dem Morgen im Einsatz, um Farce, Saucen und Grundzutaten vorzubereiten.
Auf Schneidebrettern und in Schalen warten frische Kräuter, weiße Rübchen, bunte Blumen, blaue Mohrrüben und leuchtend rote und rosa Beete auf ihre Zubereitung. Es war eine Sensation, als Alain Passard seine radikale Entscheidung verkündete: seit 2001 verzichtet er weitgehend auf Fleisch. Gemüse ist seither nicht nur Beilage, sondern Hauptdarsteller auf dem Teller. Für ihn als Koch der Beginn eines neuen Lebens:
"Das Gemüse ruft geradezu nach der Entdeckung, nach dem Ungewöhnlichen, nach der Weiterentwicklung, nach der Überraschung. Das ist so interessant. Man kann vor allem so viel Unterschiedliches schaffen, mit den Kräutern, mit Gewürzen, mit Blumen. Du kannst das Gemüse mit Früchten zusammenbringen. Es ist ein sehr weites Feld, eine große Welt."
Er liebe alle Gemüsesorten, sagt Passard mit leuchtenden Augen: Rüben im Winter, Tomaten im Sommer, Erbsen im Frühling - aus der Küche kommt, was die Jahreszeiten hergeben.
"Die Gemüseküche bringt viele Farben hervor. Und die Farbe ist die Quelle der Inspiration."
Die Leidenschaft für das Kochen hat seine bretonische Großmutter Louise geweckt. Sie hat ihm aber auch das Gefühl für Zutaten und die richtige Temperatur am Herd beigebracht:
"Eine große Lehrerin - sehr, sehr begabt. Hast Du gesehen, dass es Langustinen gibt? Machst du kleine Carpaccios daraus?"
Fast täglich lässt der Bretone seine Kindheitsumgebung wiederaufleben. Butter, Fisch und immer wieder Gemüse - bis heute das Geheimnis seiner Kochkünste.
"Sie ist hübsch, die neue Speisekarte, nicht wahr? Der Frühling!"
"Das muss raus um zwei Uhr 30. Also in zwei Stunden. Also, wir müssen uns beeilen."
"Ja, ja."
Und weil die Märkte ihm nicht die gewünschte Qualität lieferte, hat Passard einen eigenen Garten 200 Kilometer entfernt von Paris angelegt. Jeden Tag bringt der Schnellzug, was seine acht Helfer und zwei Gärtner anbauen - streng ökologisch versteht sich. Es ist dieses bedingungslose Qualitätsstreben des Chefs, das die anderen Köche schätzen und bewundern, so auch der junge David aus den USA, der gerade das Messer ansetzt, um den duftenden, mattschwarzen Trüffel aus dem Perigord in hauchdünne Scheiben zu schneiden.
"Ich habe hier studiert und danach Praktika in verschiedenen Küchen absolviert. Dann kam ich hierher und wurde sehr inspiriert durch den Chef. Vor allem, was er mit seinem Gemüse macht, durch seinen Respekt vor den verschiedenen Jahreszeiten. Wir haben Gemüseprodukte, die du nicht einmal auf den Märkten in der Umgebung von Paris findest. Fast alles, was wir hier haben, ist aus seinem Garten."
Gemüse in absoluter Perfektion, die Komposition von immer neuen Geschmacksakkorden, etwa bei einem Kastaniensabayon mit Trüffelcreme - genau deshalb kommen die Gäste ins L'Arpege. Essen als purer Luxus, avantgardistisch und innovativ, gekocht für eine kleine Elite, die sich auch ein Menü von 420 Euro in einem mit drei Michelin-Sternen gekrönten Restaurant leisten kann.
"Es geht mir sehr gut mit meinen Sternen, sehr gut."
Passard muss man lieben oder hassen, haben Kritiker geschrieben. Heute etwa gibt es im langen Reigen der Vorspeisen ein schlichtes Radieschen mit Grün, bestreut mit ein paar Krümeln feinsten Meeressalzes. Angesichts der horrenden Preise eine durchaus gewollte Provokation. Die junge Sous-Chefin Julie kommt aus den Schwärmen dennoch nicht heraus:
"Ganz frisch aus unserem Garten. Die erste vom printemps. Die Leute denken, es ist so einfach, aber es ist über den Geschmack. Es ist so schön. Sie kosten so gut!"
Inzwischen wurde das Tempo merklich angezogen. Pausenlos kommen neue Bestellungen herein. Die aufwendig dekorierten Teller verlassen nun im Minutentakt die Küche - Zwiebelgratin mit schwarzem Trüffel, der farbenprächtige mit frischen Blüten angemachte Salat "Arlequin", schmale Hummerstreifen - begleitet von den knappen Kommandos Passards an seine international zusammengewürfelte Mannschaft: Doch bei aller Anspannung - von Hektik ist in der engen Küche kaum etwas zu spüren. Jeder weiß, wo sein Platz ist, kennt seine Aufgaben.
"Das ist Organisation. Man muss miteinander reden. Wir reden sehr viel untereinander. Man schafft das nicht von Anfang an. Das ist die treibende Kraft der Zusammenarbeit. Nur so erreicht man Harmonie."
Und Harmonie geht dem leidenschaftlichen Saxophonspieler über alles. Gleich einem Komponisten sucht der Meister der weißen Rübchen, Perigord-Trüffel und neuen Tomatenkreuzungen nach dem unbekannten Geschmackserlebnis, den unverfälschten Aromen, den klaren Farben. Inzwischen gehen die ersten Desserts aus der Küche - eine hauchzarte Apfeltarte in der Form von Gartenrosen garniert. Selbst beim Nachtisch bleibt Alain Passard seiner Leidenschaft treu.
"Das Besondere zu finden, das außerordentliche Mahl, etwas zu finden, das noch nie gemacht worden ist. Leidenschaft bedeutet zu finden, zu suchen, zu erfinden. Ich bin glücklich, wenn ich koche."
Im Paradies der Gaumenfreuden ist Gefahr in Verzug, in der Familie arbeiten meist beide Elternteile, die Zeit zum Kochen ist knapper geworden - und so ist auch in Frankreich ein Markt für Fertiggerichte und Fastfood entstanden. In den Supermärkten ist der Kunde bei der Auswahl der vielen Tiefkühlgerichte schnell überfordert.
Picard ist Frankreichs größte Kette, die sich ausschließlich auf Tiefkühlkost spezialisiert hat. 1906 eröffnete Raymond Opicard die "Glacieres de Fontainebleau", die Eisfabrik von Fontainebleau. Die hier produzierten Eisbrocken wurden direkt in die Cafes und Restaurants geschickt, um dort die Lebensmittel länger über den Sommer zu bringen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stehen auch in den französischen Privathaushalten immer häufiger Kühlschränke: ein neuer Markt, den Picard in den sechziger Jahren mit den ersten gefrorenen Gerichten bedient. Inzwischen hat die Kette 700 eigene Läden in ganz Frankreich, im letzten Jahr machte Picard einen Umsatz von einer Milliarde Euro.
Fix und Fertig auf den Tisch - Der Tiefkühlhersteller Picard
Achter Stock in einem unscheinbaren Hochhaus im Pariser Vorort Issy-les-Moulineaux: Hier schlägt das Herz von Picard. Weiße Kacheln, in der Mitte ein Arbeitstisch im typischen Industriechrom. An der einen Seite eine Front Kühlschränke, auf der anderen ein imposanter Herd: Chefkoch Philipp Astruc, Mitte 30, schlank, eine große Brille auf der Nase, legt sich ein scharfes Messer zurecht. Vielleicht gelingt ihm heute ein neuer Verkaufsschlager:
"Hier werde ich eine Charlotte probieren, statt mit Spargeln mit Broccoli. Es muss erst gebräunt sein, denn es wird nicht im Ofen bräunen. Das ist nicht möglich, weil die Broccoli-Masse das verhindert."
Während Astruc weiter eifrig an seinem Gericht tüftelt, blättert Marketingchef Georges Grunenwald in einem bunt bebilderten Katalog. Das umfangreiche Sortiment von Picard. Für die Entwicklung eines neuen Rezepts wird meist nur ein Tag benötigt, selten mal etwas länger, meint der Endfünfziger, dessen anthrazitfarbener Anzug so gar nicht in die Küche passen will:
"Bei Picard gibt es rund tausend Produkte. Jedes Jahr ersetzt man ungefähr 200 bis 250 Produkte. Die Kunden lieben die Neuheiten. Sie warten geradezu darauf. Und Picard ist das einzige Unternehmen in Frankreich, dass auf diese Weise innovativ ist. Man kann sagen, wir sind die Lokomotive auf dem Markt der Tiefkühlkost."
Inzwischen versucht Chefkoch Astruc, seiner Charlotte die richtige Form zu geben. In die kleine runde Schale wird am Rand das Brot eingelegt, dann folgt der Broccoli. Astruc nimmt sein Werk kritisch in Augenschein:
"Wir probieren erst einmal hier in der Abteilung und entscheiden, ob das Rezept gut ist - zusammen mit dem Abteilungsleiter. Wenn es neun von zehn Personen schmeckt, wird das Rezept als gut bewertet."
Nicht alles kommt beim Kunden an. Dann verschwindet es nach spätestens zwei Monaten wieder aus den Tiefkühltruhen. Aber ein Flop sei selten, verkündet Astruc selbstbewusst. Schließlich hat er selbst schon mit dem großen Paul Bocuse zusammen gearbeitet. Einem der bekanntesten Drei-Sterne-Köche Frankreichs. Aber die Arbeit - oft bis spät in die Nacht - passte nicht mehr in die eigene Lebensplanung.
"Ich wollte eine Familie gründen, deshalb hab ich mir gesagt: Ich will weiter kreativ sein, aber flexiblere Arbeitszeiten haben. Im Restaurantbetrieb arbeitet man sehr viele Stunden. Es ist ein Beruf, der sehr schwierig ist."
Und so kocht Astruc nun für den Erfolg von Picard. Inzwischen sind es mehr als 700 eigene Läden, in denen ausschließlich die eigenen Produkte verkauft werden. Für die stetige Nachfrage macht Marketingchef Grunenwald nicht nur neue Essgewohnheiten verantwortlich.
"Es ist wahr, dass Leben in Frankreich hat sich verändert. Das ist ein sehr wichtiges Phänomen, drei Viertel der Frauen arbeiten. Also, in der Woche, wenn man arbeitet, plus die Kinder, können die Frauen nicht auch noch kochen wie zum Beispiel meine Großmutter, meine Mutter, das noch gemacht haben."
Doch im Land des guten Geschmacks muss sich auch ein Tiefkühlkosthersteller einiges einfallen lassen. Selbst ihr Fertiggericht garnieren die Franzosen gerne mit einem frischen Salat. Und drei Gänge sollten es schon sein - genau darauf hat sich Picard eingestellt:
"Sie können ein komplettes Mahl mit Picard-Produkten herstellen. Sie haben alles in der Reihenfolge einer Mahlzeit. Aperitif. Danach haben Sie das ganze Angebot der Vorspeisen. Und danach haben Sie das Fleisch, Geflügel, Wild, Fisch, Krustentiere, Gemüse in allen Formen. Und dann das ganze Gebäck: Eis, Bäckerei, Patisserie, Käse."
Allerdings: die neue, praktische Welt des guten Geschmacks hat ihren Preis. Picard-Produkte sind teurer als die im Supermarkt. Es sind bislang die gut Verdienenden, die in den firmeneigenen Geschäften einkaufen.
Natürlich gibt es auch hier direkt am Hauptsitz des Unternehmens einen Picard-Laden. Von außen durch das Symbol der Eisblume von weitem gut zu erkennen. Sichtlich stolz führt der Marketingchef in das Picard-Reich.
Große, geschlossene Eis-Truhen, soweit das Auge reicht. Kühle Farben, das Ambiente nüchtern, steril. Doch die Marketingstrategen hätten sich das natürlich genau überlegt, betont Grunenwald:
"Sie sehen, hier sind zwei sehr unterschiedliche Bereiche: rot, graublau. Das ist die Farbe der Wärme, des Empfangs. Und dann, in den anderen Bereichen des Ladens: Das ist unser Metier der Kälte. Man glaubt sich am Nordpol - blau, weiß - wir wollen die Kunden beruhigen, im Universum Picard. Das hier flößt Sicherheit ein. Die Kunden haben Vertrauen."
"Das macht Hunger, nicht wahr? Das ganze Gemüse, roh oder gekocht, geschält. Tomaten, Tomaten, Tomaten, gewürfelte Tomaten, um eine Sauce zu machen."
Nur wenige Kunden sind heute Morgen bereits unterwegs: ein Rentner, eine Frau mit einem Zwillingskinderwagen. Doch der Eindruck täuscht: laut Statistik greifen inzwischen 92 Prozent aller Franzosen zur Tiefkühlkost. Manche nur einmal im Jahr, andere jede Woche. Der Trend ist dabei eindeutig: Fertiggerichte und Mikrowellenkost sind weiter auf dem Vormarsch. Und dennoch kann Grunenwald keinen Widerspruch zur vielgerühmten, französischen Esskultur entdecken:
"Vor 30 Jahren sagte man, im Jahr 2000 wird man sich von Pillen ernähren. Das tut man nicht. Das Essen in Frankreich ist ein wichtiger Moment, selbst wenn man arbeitet. Man setzt sich an den Tisch, auch wenn es nur für 20 Minuten ist, aber man setzt sich. Wir lieben es in Frankreich, eine Vorspeise zu essen, einen Gang mit Fleisch und Gemüse und danach ein Dessert. Das ist eine typische Mahlzeit. Und in der Familie wird es immer noch so gemacht."
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Franzosen viel vom amerikanischen Lebensstil wie technisch veränderte Lebensmittel und Fast Food. Die Zahl der Übergewichtigen ist dementsprechend gestiegen und wenn der Trend anhält - so warnen französische Gesundheitspolitiker - sind es in zehn Jahren genauso viele wie in Amerika. Pommes, Hamburger und Schokoriegel üben auf Kinder eine besonders große Anziehung aus. Inzwischen sind laut Schulministerium 16 Prozent der französischen Schüler zu dick, das ist jedes sechste Kind. Der Staat blieb nicht untätig und hat alle Getränke und Süßwarenautomaten auf dem Schulgelände verboten.
Jedes zweite Kind isst in Frankreich in der Schulkantine, so auch in Apt, einer Kleinstadt in der Region Provence, Alpes, Cote d Azur. Apt gilt als Welthauptstadt der kandierten Früchte. Der Hang zu Süßigkeiten hat also gewissermaßen Tradition. Doch davon will man in der Cite scolaire nichts wissen, und so werden die Schüler der Grundschule und des Gymnasiums in der Schulkantine vorsichtig aber beharrlich mit dem Gemüse vertraut gemacht:
"Hier werde ich eine Charlotte probieren, statt mit Spargeln mit Broccoli. Es muss erst gebräunt sein, denn es wird nicht im Ofen bräunen. Das ist nicht möglich, weil die Broccoli-Masse das verhindert."
Während Astruc weiter eifrig an seinem Gericht tüftelt, blättert Marketingchef Georges Grunenwald in einem bunt bebilderten Katalog. Das umfangreiche Sortiment von Picard. Für die Entwicklung eines neuen Rezepts wird meist nur ein Tag benötigt, selten mal etwas länger, meint der Endfünfziger, dessen anthrazitfarbener Anzug so gar nicht in die Küche passen will:
"Bei Picard gibt es rund tausend Produkte. Jedes Jahr ersetzt man ungefähr 200 bis 250 Produkte. Die Kunden lieben die Neuheiten. Sie warten geradezu darauf. Und Picard ist das einzige Unternehmen in Frankreich, dass auf diese Weise innovativ ist. Man kann sagen, wir sind die Lokomotive auf dem Markt der Tiefkühlkost."
Inzwischen versucht Chefkoch Astruc, seiner Charlotte die richtige Form zu geben. In die kleine runde Schale wird am Rand das Brot eingelegt, dann folgt der Broccoli. Astruc nimmt sein Werk kritisch in Augenschein:
"Wir probieren erst einmal hier in der Abteilung und entscheiden, ob das Rezept gut ist - zusammen mit dem Abteilungsleiter. Wenn es neun von zehn Personen schmeckt, wird das Rezept als gut bewertet."
Nicht alles kommt beim Kunden an. Dann verschwindet es nach spätestens zwei Monaten wieder aus den Tiefkühltruhen. Aber ein Flop sei selten, verkündet Astruc selbstbewusst. Schließlich hat er selbst schon mit dem großen Paul Bocuse zusammen gearbeitet. Einem der bekanntesten Drei-Sterne-Köche Frankreichs. Aber die Arbeit - oft bis spät in die Nacht - passte nicht mehr in die eigene Lebensplanung.
"Ich wollte eine Familie gründen, deshalb hab ich mir gesagt: Ich will weiter kreativ sein, aber flexiblere Arbeitszeiten haben. Im Restaurantbetrieb arbeitet man sehr viele Stunden. Es ist ein Beruf, der sehr schwierig ist."
Und so kocht Astruc nun für den Erfolg von Picard. Inzwischen sind es mehr als 700 eigene Läden, in denen ausschließlich die eigenen Produkte verkauft werden. Für die stetige Nachfrage macht Marketingchef Grunenwald nicht nur neue Essgewohnheiten verantwortlich.
"Es ist wahr, dass Leben in Frankreich hat sich verändert. Das ist ein sehr wichtiges Phänomen, drei Viertel der Frauen arbeiten. Also, in der Woche, wenn man arbeitet, plus die Kinder, können die Frauen nicht auch noch kochen wie zum Beispiel meine Großmutter, meine Mutter, das noch gemacht haben."
Doch im Land des guten Geschmacks muss sich auch ein Tiefkühlkosthersteller einiges einfallen lassen. Selbst ihr Fertiggericht garnieren die Franzosen gerne mit einem frischen Salat. Und drei Gänge sollten es schon sein - genau darauf hat sich Picard eingestellt:
"Sie können ein komplettes Mahl mit Picard-Produkten herstellen. Sie haben alles in der Reihenfolge einer Mahlzeit. Aperitif. Danach haben Sie das ganze Angebot der Vorspeisen. Und danach haben Sie das Fleisch, Geflügel, Wild, Fisch, Krustentiere, Gemüse in allen Formen. Und dann das ganze Gebäck: Eis, Bäckerei, Patisserie, Käse."
Allerdings: die neue, praktische Welt des guten Geschmacks hat ihren Preis. Picard-Produkte sind teurer als die im Supermarkt. Es sind bislang die gut Verdienenden, die in den firmeneigenen Geschäften einkaufen.
Natürlich gibt es auch hier direkt am Hauptsitz des Unternehmens einen Picard-Laden. Von außen durch das Symbol der Eisblume von weitem gut zu erkennen. Sichtlich stolz führt der Marketingchef in das Picard-Reich.
Große, geschlossene Eis-Truhen, soweit das Auge reicht. Kühle Farben, das Ambiente nüchtern, steril. Doch die Marketingstrategen hätten sich das natürlich genau überlegt, betont Grunenwald:
"Sie sehen, hier sind zwei sehr unterschiedliche Bereiche: rot, graublau. Das ist die Farbe der Wärme, des Empfangs. Und dann, in den anderen Bereichen des Ladens: Das ist unser Metier der Kälte. Man glaubt sich am Nordpol - blau, weiß - wir wollen die Kunden beruhigen, im Universum Picard. Das hier flößt Sicherheit ein. Die Kunden haben Vertrauen."
"Das macht Hunger, nicht wahr? Das ganze Gemüse, roh oder gekocht, geschält. Tomaten, Tomaten, Tomaten, gewürfelte Tomaten, um eine Sauce zu machen."
Nur wenige Kunden sind heute Morgen bereits unterwegs: ein Rentner, eine Frau mit einem Zwillingskinderwagen. Doch der Eindruck täuscht: laut Statistik greifen inzwischen 92 Prozent aller Franzosen zur Tiefkühlkost. Manche nur einmal im Jahr, andere jede Woche. Der Trend ist dabei eindeutig: Fertiggerichte und Mikrowellenkost sind weiter auf dem Vormarsch. Und dennoch kann Grunenwald keinen Widerspruch zur vielgerühmten, französischen Esskultur entdecken:
"Vor 30 Jahren sagte man, im Jahr 2000 wird man sich von Pillen ernähren. Das tut man nicht. Das Essen in Frankreich ist ein wichtiger Moment, selbst wenn man arbeitet. Man setzt sich an den Tisch, auch wenn es nur für 20 Minuten ist, aber man setzt sich. Wir lieben es in Frankreich, eine Vorspeise zu essen, einen Gang mit Fleisch und Gemüse und danach ein Dessert. Das ist eine typische Mahlzeit. Und in der Familie wird es immer noch so gemacht."
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Franzosen viel vom amerikanischen Lebensstil wie technisch veränderte Lebensmittel und Fast Food. Die Zahl der Übergewichtigen ist dementsprechend gestiegen und wenn der Trend anhält - so warnen französische Gesundheitspolitiker - sind es in zehn Jahren genauso viele wie in Amerika. Pommes, Hamburger und Schokoriegel üben auf Kinder eine besonders große Anziehung aus. Inzwischen sind laut Schulministerium 16 Prozent der französischen Schüler zu dick, das ist jedes sechste Kind. Der Staat blieb nicht untätig und hat alle Getränke und Süßwarenautomaten auf dem Schulgelände verboten.
Jedes zweite Kind isst in Frankreich in der Schulkantine, so auch in Apt, einer Kleinstadt in der Region Provence, Alpes, Cote d Azur. Apt gilt als Welthauptstadt der kandierten Früchte. Der Hang zu Süßigkeiten hat also gewissermaßen Tradition. Doch davon will man in der Cite scolaire nichts wissen, und so werden die Schüler der Grundschule und des Gymnasiums in der Schulkantine vorsichtig aber beharrlich mit dem Gemüse vertraut gemacht:
Kulinarische Erziehung - Die Schulkantine
"Nicht mal zwei Bohnen? Das ist nicht gut. Zwei Bohnen, um mir eine Freude zu machen. Mit Beharrlichkeit schafft man es, ihnen Gemüse zu geben. Und mit Geduld."
Francois steht mit seinen Freunden in der langen Schlange am Büffet. Er schiebt sein Tablett Stück für Stück weiter - Millimeterarbeit. Der zwölfjährige dunkle Lockenkopf hat sich zumindest beim Dessert entschieden: Joghurt und eine Pampelmuse. Und als Vorspeise: Wurst oder Sellerie? Eine schwierige Frage.
"Ich mag die Mortadella. Bonjour!"
Es ist zwölf Uhr mittags. Eben hat die Schulkantine geöffnet. Jetzt sind zuerst die Jüngsten dran. Rund eine halbe Stunde haben sie Zeit zum Essen, dann müssen sie ihren Platz wieder räumen, für die älteren Schüler. Schließlich ist die Kantine nicht sehr geräumig, nur rund 30 Tische stehen hier.
Kantinenkoch Gérard Gamon steht mit großer weißer Haube auf dem Kopf an der Theke, gießt mit Schwung eine Kelle Carbonara-Sauce über einen Berg von Nudeln und reicht den Teller über die Anrichte. Alles frisch gekocht, verkündet er stolz. Um sechs Uhr morgens haben die Köche damit angefangen:
"Das ist hier keine Fertigküche. Hier zum Beispiel haben wir den Speck angebraten. Pilze und Schinken sind ganz frisch, danach kommt ein bisschen Sahne dran. Das ist die Sauce."
Die Kinder sollen lernen, zu genießen, merken, dass frisches Essen schmecken kann. Und auch mal etwas probieren, was sie nicht kennen. Gamon und seine Kollegen kochen immer mit Zutaten aus der Region. Heute gibt es für die Schüler als Beilage grüne Bohnen:
"Was sie nicht essen, ist Gemüse. Gemüse ist immer schwierig. Aber wir bringen sie dazu, zu essen. Wir bieten immer als Einheit ein stärkehaltiges Nahrungsmittel an, Gemüse und Fleisch. Es ist so wichtig, Gemüse zu essen."
Ein Klecks Bohnen landet zielsicher neben der Sauce, mitten auf den Nudeln. Inzwischen haben Francois und seine Freunde einen Platz im Saal ergattert:
"Ich esse die Spaghettis a la carbonara. Es ist nicht so gut, aber ich habe Hunger. Ich esse lieber zu Hause als in der Kantine."
"Heute ist es okay. Ich bin mit dem Essen zufrieden. Wir können auswählen, so gibt es für mich immer etwas."
Alex, im grün-weiß gestreiften Polohemd, schiebt sich die Gabel mit ein paar Bohnen in den Mund. Er kaut langsam, verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse und schluckt den Bissen:
"Nudeln mit Bohnen schmecken nicht gerade. Bohnen mit Fleisch ist besser."
Das Stimmengewirr der Kinder wird für einen Augenblick lang leiser. Eben ist Jean-Pierre Cohen-Coudar in die Kantine geeilt - der Direktor der Schule.
"Wissen Sie, was es heute zu essen gibt?"
Er streicht sich bedächtig den langen, grauen Bart und zeigt sich zufrieden mit dem heutigen Speiseplan. Vier Euro kostet die Mahlzeit. Wer sich das Essen nicht leisten kann, erhält finanzielle Unterstützung: gesunde Ernährung als Grundrecht.
"Die Mahlzeiten hier sind ausgewogen, das ist Pflicht. Sie sind so zusammengestellt, dass die Kinder alles haben, um gesund aufzuwachsen. Jeder Staat muss da seine Vorsichtsmaßnahmen treffen. Es gibt Länder, in denen das Übergewicht bereits ein großes Problem ist. In Frankreich kann man es noch wirksam bekämpfen."
Gutes Essen ist in Frankreich Sache des Staates. Vor vier Jahren hat die Schule in Apt Getränke- und Süßigkeitenautomaten abgeschafft: ein Erlass der französischen Regierung an alle Schulen. Zumindest dort sollen die Kinder nicht mehr zu Süßem verführt werden.
"Wenn wir unserer Rolle als Erzieher ein wenig gerecht werden, kann das vielleicht ein wenig helfen. Man sieht es bei den kleinen Schulen, die tun viel für ihre Schüler. Die interessiert das, weil es viele gemeinsame Gespräche über das richtige Essen gibt. Also, Schritt für Schritt, auch wenn sie es nicht genauso machen, wie sie müssten - auch wir Erwachsenen machen das nicht - wird sich das in ihren Köpfen und Gewohnheiten festsetzen. Wir werden dieses Spiel gewinnen."
Der Kampf gegen Fast Food und Fertigkost! Jean-Pierre Cohen-Coudar lässt seinen Blick über die große Schülerschar schweifen. Es sei kein soziales Problem, dass Kinder gerne zu McDonalds gehen, sondern es betrifft alle - reich oder arm:
"Die Essgewohnheiten haben sich verändert: der Geruchsinn, der Geschmacksinn. Die Kinder sind viel empfänglicher für das."
Ein junger Mann durchquert den Raum - ein sogenannter Aufpasser: ein Pädagogik-Student mit Nebenjob in der Schulkantine. Lilian Decarnin lächelt freundlich umher und gibt sich ausgesprochen gelassen. Das muss er auch, bei seiner Aufgabe:
"Wenn wir zum Beispiel sehen, dass Schüler ihr Obst nicht essen oder ihr Gemüse, dann versuche ich, sie dazu zu bringen, zu essen, mit ihnen über die richtige Ernährung zu sprechen. Das ist etwas, das man ihnen beibringen muss."
"Warum wollt Ihr das nicht? Man muss ausgewogen essen. Das ist wichtig für die Gesundheit: Vitamine. Man muss Gemüse essen."
Bei der Mädchengruppe am Nachbartisch hat die Geschmackserziehung schon etwas gefruchtet. Zumindest scheint es so. Die 13-jährige Anouk kichert und zeigt dabei ihre feste Zahnspange. Fast Food? Bei ihr, wie sie sagt, nur in Maßen:
"In der Schule lernen wir, was Fett ist und was nicht. Und auch, was gut ist für die Gesundheit. Wir vergleichen uns auch mit den Amerikanern. Die essen das Zeug die ganze Zeit und sind nicht sehr dünn."
"Wenn man die ganze Zeit Fast Food isst, ist das nicht gut für die Gesundheit. Fast Food sollte es nur in der Freizeit geben - von Zeit zu Zeit eben."
Das klingt gut. Lilian Decarnin würde sich über solche Sätze freuen. Doch jetzt ist er damit beschäftigt, zwischen zwei Jungen Streit zu schlichten. Es dauert, bis der Aufpasser die beiden beruhigt hat. Über Gemüse und Obst wird er mit ihnen später sprechen.
Was gemeinhin als Französische Küche bezeichnet wird, ist in Wahrheit ein Sammelsurium, eine Schatztruhe bestückt mit den Spezialitäten und Besonderheiten der einzelnen Regionen, denn so verschieden die französische Landschaft, so unterschiedlich sind ihre Früchte. In der Provence gibt man sich seit jeher dem kulinarischen Hochgenuss hin. Wo sonst gibt es sogar Feste für die schönsten Trüffel?
Roussillion liegt mitten in der Provence zwischen dem Luberon und Vaucluse, es ist vor allem seiner ockerfarbenen Felsen wegen bekannt. Ganz in der Nähe leben Uli und Edmond auf ihrem Bauernhof. Und weil man das Paradies auch teilen kann, leben auf dem Hof noch sieben Pferde, etliche Hunde und mindestens genauso viele Katzen. Da an der Tafel noch mehr Platz ist, laden sich die beiden gerne Gäste ein, denn schließlich ist Essen nicht nur ein kulinarisches Ereignis, sondern auch ein gesellschaftliches:
Francois steht mit seinen Freunden in der langen Schlange am Büffet. Er schiebt sein Tablett Stück für Stück weiter - Millimeterarbeit. Der zwölfjährige dunkle Lockenkopf hat sich zumindest beim Dessert entschieden: Joghurt und eine Pampelmuse. Und als Vorspeise: Wurst oder Sellerie? Eine schwierige Frage.
"Ich mag die Mortadella. Bonjour!"
Es ist zwölf Uhr mittags. Eben hat die Schulkantine geöffnet. Jetzt sind zuerst die Jüngsten dran. Rund eine halbe Stunde haben sie Zeit zum Essen, dann müssen sie ihren Platz wieder räumen, für die älteren Schüler. Schließlich ist die Kantine nicht sehr geräumig, nur rund 30 Tische stehen hier.
Kantinenkoch Gérard Gamon steht mit großer weißer Haube auf dem Kopf an der Theke, gießt mit Schwung eine Kelle Carbonara-Sauce über einen Berg von Nudeln und reicht den Teller über die Anrichte. Alles frisch gekocht, verkündet er stolz. Um sechs Uhr morgens haben die Köche damit angefangen:
"Das ist hier keine Fertigküche. Hier zum Beispiel haben wir den Speck angebraten. Pilze und Schinken sind ganz frisch, danach kommt ein bisschen Sahne dran. Das ist die Sauce."
Die Kinder sollen lernen, zu genießen, merken, dass frisches Essen schmecken kann. Und auch mal etwas probieren, was sie nicht kennen. Gamon und seine Kollegen kochen immer mit Zutaten aus der Region. Heute gibt es für die Schüler als Beilage grüne Bohnen:
"Was sie nicht essen, ist Gemüse. Gemüse ist immer schwierig. Aber wir bringen sie dazu, zu essen. Wir bieten immer als Einheit ein stärkehaltiges Nahrungsmittel an, Gemüse und Fleisch. Es ist so wichtig, Gemüse zu essen."
Ein Klecks Bohnen landet zielsicher neben der Sauce, mitten auf den Nudeln. Inzwischen haben Francois und seine Freunde einen Platz im Saal ergattert:
"Ich esse die Spaghettis a la carbonara. Es ist nicht so gut, aber ich habe Hunger. Ich esse lieber zu Hause als in der Kantine."
"Heute ist es okay. Ich bin mit dem Essen zufrieden. Wir können auswählen, so gibt es für mich immer etwas."
Alex, im grün-weiß gestreiften Polohemd, schiebt sich die Gabel mit ein paar Bohnen in den Mund. Er kaut langsam, verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse und schluckt den Bissen:
"Nudeln mit Bohnen schmecken nicht gerade. Bohnen mit Fleisch ist besser."
Das Stimmengewirr der Kinder wird für einen Augenblick lang leiser. Eben ist Jean-Pierre Cohen-Coudar in die Kantine geeilt - der Direktor der Schule.
"Wissen Sie, was es heute zu essen gibt?"
Er streicht sich bedächtig den langen, grauen Bart und zeigt sich zufrieden mit dem heutigen Speiseplan. Vier Euro kostet die Mahlzeit. Wer sich das Essen nicht leisten kann, erhält finanzielle Unterstützung: gesunde Ernährung als Grundrecht.
"Die Mahlzeiten hier sind ausgewogen, das ist Pflicht. Sie sind so zusammengestellt, dass die Kinder alles haben, um gesund aufzuwachsen. Jeder Staat muss da seine Vorsichtsmaßnahmen treffen. Es gibt Länder, in denen das Übergewicht bereits ein großes Problem ist. In Frankreich kann man es noch wirksam bekämpfen."
Gutes Essen ist in Frankreich Sache des Staates. Vor vier Jahren hat die Schule in Apt Getränke- und Süßigkeitenautomaten abgeschafft: ein Erlass der französischen Regierung an alle Schulen. Zumindest dort sollen die Kinder nicht mehr zu Süßem verführt werden.
"Wenn wir unserer Rolle als Erzieher ein wenig gerecht werden, kann das vielleicht ein wenig helfen. Man sieht es bei den kleinen Schulen, die tun viel für ihre Schüler. Die interessiert das, weil es viele gemeinsame Gespräche über das richtige Essen gibt. Also, Schritt für Schritt, auch wenn sie es nicht genauso machen, wie sie müssten - auch wir Erwachsenen machen das nicht - wird sich das in ihren Köpfen und Gewohnheiten festsetzen. Wir werden dieses Spiel gewinnen."
Der Kampf gegen Fast Food und Fertigkost! Jean-Pierre Cohen-Coudar lässt seinen Blick über die große Schülerschar schweifen. Es sei kein soziales Problem, dass Kinder gerne zu McDonalds gehen, sondern es betrifft alle - reich oder arm:
"Die Essgewohnheiten haben sich verändert: der Geruchsinn, der Geschmacksinn. Die Kinder sind viel empfänglicher für das."
Ein junger Mann durchquert den Raum - ein sogenannter Aufpasser: ein Pädagogik-Student mit Nebenjob in der Schulkantine. Lilian Decarnin lächelt freundlich umher und gibt sich ausgesprochen gelassen. Das muss er auch, bei seiner Aufgabe:
"Wenn wir zum Beispiel sehen, dass Schüler ihr Obst nicht essen oder ihr Gemüse, dann versuche ich, sie dazu zu bringen, zu essen, mit ihnen über die richtige Ernährung zu sprechen. Das ist etwas, das man ihnen beibringen muss."
"Warum wollt Ihr das nicht? Man muss ausgewogen essen. Das ist wichtig für die Gesundheit: Vitamine. Man muss Gemüse essen."
Bei der Mädchengruppe am Nachbartisch hat die Geschmackserziehung schon etwas gefruchtet. Zumindest scheint es so. Die 13-jährige Anouk kichert und zeigt dabei ihre feste Zahnspange. Fast Food? Bei ihr, wie sie sagt, nur in Maßen:
"In der Schule lernen wir, was Fett ist und was nicht. Und auch, was gut ist für die Gesundheit. Wir vergleichen uns auch mit den Amerikanern. Die essen das Zeug die ganze Zeit und sind nicht sehr dünn."
"Wenn man die ganze Zeit Fast Food isst, ist das nicht gut für die Gesundheit. Fast Food sollte es nur in der Freizeit geben - von Zeit zu Zeit eben."
Das klingt gut. Lilian Decarnin würde sich über solche Sätze freuen. Doch jetzt ist er damit beschäftigt, zwischen zwei Jungen Streit zu schlichten. Es dauert, bis der Aufpasser die beiden beruhigt hat. Über Gemüse und Obst wird er mit ihnen später sprechen.
Was gemeinhin als Französische Küche bezeichnet wird, ist in Wahrheit ein Sammelsurium, eine Schatztruhe bestückt mit den Spezialitäten und Besonderheiten der einzelnen Regionen, denn so verschieden die französische Landschaft, so unterschiedlich sind ihre Früchte. In der Provence gibt man sich seit jeher dem kulinarischen Hochgenuss hin. Wo sonst gibt es sogar Feste für die schönsten Trüffel?
Roussillion liegt mitten in der Provence zwischen dem Luberon und Vaucluse, es ist vor allem seiner ockerfarbenen Felsen wegen bekannt. Ganz in der Nähe leben Uli und Edmond auf ihrem Bauernhof. Und weil man das Paradies auch teilen kann, leben auf dem Hof noch sieben Pferde, etliche Hunde und mindestens genauso viele Katzen. Da an der Tafel noch mehr Platz ist, laden sich die beiden gerne Gäste ein, denn schließlich ist Essen nicht nur ein kulinarisches Ereignis, sondern auch ein gesellschaftliches:
Essen mit Freude - Die lange Tafel für alle Freunde
Eine sehr schlanke, hochgewachsene Frau mit zerzaustem dunklem Pferdeschwanz stürmt in die Küche. Sie nimmt einen Löffel und taucht ihn in den riesengroßen blank gescheuerten Suppentopf:
"Ich muss immer probieren. Da bist du noch in Reithose, da ruft er schon: Uli, probier mal, die Sauce. Das ist die Suppe hier! Bisschen mit Weißwein neutralisiert den Mund."
"Ist sie genügend gesalzen?"
"Oui. Vor allem mit der Rouille, ich lasse sie so. Allez!"
"Hast Du nicht das Brot geschnitten?"
"Ich mache das alles. Attends, Edmond. Es ist sieben Uhr 30. Wir essen um acht Uhr, dreiviertel acht."
"Ich frage ja nur."
Edmond schneidet inzwischen eine Knoblauchzehe nach der anderen in dünne Scheiben. Die beiden sind ein bestens eingespieltes Paar. Doch unterschiedlicher könnten sie kaum sein. Die Deutsche Uli, Mitte vierzig, zupackend, immer in Bewegung. Der Franzose Edmond, Ende 60, klein, behäbig, mit zuviel Pfunden auf den Rippen, sagt er. Vor 27 Jahren lernten sie sich kennen:
"Ich konnte ganz wenig Französisch. Ich weiß noch, auf dem ersten Ausritt, nach Roussillon, da kamen wir an und ich sagte in meinem Schulfranzösisch: 'Ce village est très pittoresque.' Da ist er fast vor Lachen vom Pferd gefallen. Erinnerst Du Dich?"
"Ouais."
"Très pittoresque, Uli. Das war süß."
Die junge Reiterin verliebt sich in Edmond, den Maler, der noch heute seine Ölbilder in Paris, Bonn und Lausanne ausstellt. Als er jung war, arbeitete er viele Jahre lang als Dekorateur mit Jean-Luc-Godard zusammen, dem großen Regisseur der Nouvelle Vague. Und er führte selbst Regie, etwa in dem Film "Le trèfle à cinq feuilles", "Das fünfblättrige Kleeblatt", mit Philippe Noiret und Lieselotte Pulver. Als Edmond keine Geldgeber mehr für seine Filme fand, sattelte er um. Ein Glück für Uli:
"Ich war Aupair-Mädchen. Er war Reitführer. So haben wir uns kennengelernt. Mittags gab es da Essen. Und da gab es diese Chefin, die hat damals miserabel gekocht. Und einmal war die nicht da und hat was dagelassen, Ziegenzungen oder so etwas. Und da hat Edmond gesagt, das können wir nicht essen. Und er hat supertolle Coquillages gemacht, mit Knoblauch und Creme fraiche. Und Spaghettis, weil das schnell gehen musste. Es war superlecker. Ich sage ja immer, Liebe geht durch den Magen. Bei uns stimmt das."
"Ich mache immer feine Sachen."
Es ist diese Liebe zum Essen, die die beiden weitergeben wollen. Ein riesiger gemeinsamer Esstisch ist deshalb der Mittelpunkt in ihrem Leben und in dem der Gäste ihres Reiterhofs, den sie seit mehr als zwei Jahrzehnten führen. An sechs Abenden die Woche kochen Uli und vor allem Edmond. Dann sitzen sie alle in großer Runde zusammen. Sie reden miteinander, essen, stundenlang.
"Dieses schöne Kochen bringt auch Spaß, wenn jemand anders seine Freude hat. Ich glaube, bei uns ist der Unterschied, dass du den Eindruck hast, auch wenn du bezahlst, dass du bei Freunden bist."
Am heutigen Abend sind Gäste aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen da. Den Aperitif haben sie bereits im Kaminzimmer zu sich genommen. Jetzt geht es in den Salon an den langgestreckten Tisch. Die Fischsuppe steht bereits dampfend in der Mitte der liebevoll gedeckten Tafel:
"Bist Du fertig, Bebe? Und alles ist gemacht und gut gemacht."
"So, geht los hier. Ihr seid herzlich eingeladen, zu Tische zu schreiten."
"Vielen Dank."
"Das ist die Rouille, das ist das Wort für Rost und das ist eine rostrote Sauce. Die tut man jetzt auf diese Brotscheiben drauf, so. Die Provencalen machen sich den ganzen Teller voll damit. Und dann kommt die Suppe darauf."
""Wunderbar!""
"Ihr dürft gerne anfangen! Guten Appetit!"
Jeder ist jetzt mit seiner Rouille beschäftigt. Noch kennen sich nicht alle, aber das wird sich ändern: zaghafte Annäherung an den Tischnachbarn und an das französische Essen.
"Ich habe einen Fisch gestern gegessen, ich habe kleine und große Krabben gegessen, das gibt es bei uns nicht. Miesmuscheln - ich musste alles lernen, wie das funktioniert."
"Hör auf mit den Deutschen. Die haben doch Angst, wenn da mal ein Beinchen ist oder ein Auge oder ein ganzer Fisch. Deswegen bringt uns das ja so einen Spaß."
"Na klar. Wir machen ja auch alles mit."
"Wenn es dann nur noch Nudeln gibt und gegrilltes Fleisch, das ist, weil ganz häufig die Deutschen Angst haben, sobald sie mal ein Tierchen ganz sehen. Wachtel, uah!"
Eine Lektion "Französisch essen" für die Deutschen: Edmond hat seinen Auftritt. Mit theatralischer Geste betritt er den Raum und bringt den Hauptgang auf den Tisch. Am Fisch ist noch alles dran. Zerlegt wird auf den Tellern.
"Also, das ist ein Congre - ein Seeal. Man kann nur das offene Stück hin zum Magen, essen. Da gibt es keine Gräten. Das andere Stück kann man nicht essen."
Für manchen ist das ungewohnt. Mit Menschen, die man nicht kennt, gleich den ganzen Abend zu verbringen - und nicht nur einen. Besser, man lässt sich gleich auf eine solche Nähe ein, sonst kann ein französisches Essen sehr lange werden.
"Wir verkaufen das ja im Grunde genommen, dieses französische Essen. Das steht in unserem Halbpensionsangebot drin. Also, wir haben eigentlich keine Gäste, die nicht zum Essen kommen."
Wer will, spricht deutsch mit Uli, französisch mit Edmond. Man spricht über das Leben in Frankreich, in Deutschland und über Traditionen. Uli kann sich längst nicht mehr vorstellen, in ihrem Geburtsland zu leben:
"Weil ich den Eindruck habe, dass die aus dem Alltag weniger Freude schöpfen als die Franzosen, was das Essen angeht, das alltägliche Essen. In Deutschland gehst du essen, und du kannst auch in Deutschland gut essen. Und die Deutschen können auch gut kochen, aber die bauen das nicht in ihren Alltag ein, wie die Franzosen."
Und während die Deutschen schon stöhnen, wie satt sie sind, kommt die Käseplatte. Reichlich und ohne Pause geht es weiter:
"Vielleicht gibt es noch was neues? Edmond? Ich wollte jetzt ein kleines Dessert machen mit einem leckeren Schokoladenkuchen und einer Kugel Eis dazu."
Das Lehrerehepaar aus Schleswig-Holstein greift noch ein letztes Mal beherzt zu, ein langer Seufzer. Es ist längst nach 23 Uhr. Eine satte Schläfrigkeit macht sich breit. Für heute scheint das Wichtigste gesagt. Genüsslich werden noch die letzten süßen Krümel vom Teller gelöffelt, dann ist auch das geschafft.
"Och, schlafen werden wir jetzt bestimmt gut. Tja, morgen sind wir hier viele. Da gibt es dann die große Bouillabaisse - die große Fischplatte. Da müssen wir jetzt ins Bett und morgen wieder fit sein."
Der Rose ist inzwischen geleert. Stühle werden gerückt. Ein Blick in die Runde und ein kurzes Nicken zum Abschied. Man wird sich morgen wiedersehen. Dann doch noch ein letztes Wort zum Abend:
"Wir haben es in einer Woche geschafft, von unserem Tempo runterzukommen, richtig gut runter - schön."
Und das waren Gesichter Europas: Trüffel, Tarte und Tiefkühlkost - Frankreich durch die Küchentür
Mit Reportagen von Ilka und Jörg Münchenberg. Die Literaturauszüge, Musikauswahl und Moderation: Britta Fecke.
"Ich muss immer probieren. Da bist du noch in Reithose, da ruft er schon: Uli, probier mal, die Sauce. Das ist die Suppe hier! Bisschen mit Weißwein neutralisiert den Mund."
"Ist sie genügend gesalzen?"
"Oui. Vor allem mit der Rouille, ich lasse sie so. Allez!"
"Hast Du nicht das Brot geschnitten?"
"Ich mache das alles. Attends, Edmond. Es ist sieben Uhr 30. Wir essen um acht Uhr, dreiviertel acht."
"Ich frage ja nur."
Edmond schneidet inzwischen eine Knoblauchzehe nach der anderen in dünne Scheiben. Die beiden sind ein bestens eingespieltes Paar. Doch unterschiedlicher könnten sie kaum sein. Die Deutsche Uli, Mitte vierzig, zupackend, immer in Bewegung. Der Franzose Edmond, Ende 60, klein, behäbig, mit zuviel Pfunden auf den Rippen, sagt er. Vor 27 Jahren lernten sie sich kennen:
"Ich konnte ganz wenig Französisch. Ich weiß noch, auf dem ersten Ausritt, nach Roussillon, da kamen wir an und ich sagte in meinem Schulfranzösisch: 'Ce village est très pittoresque.' Da ist er fast vor Lachen vom Pferd gefallen. Erinnerst Du Dich?"
"Ouais."
"Très pittoresque, Uli. Das war süß."
Die junge Reiterin verliebt sich in Edmond, den Maler, der noch heute seine Ölbilder in Paris, Bonn und Lausanne ausstellt. Als er jung war, arbeitete er viele Jahre lang als Dekorateur mit Jean-Luc-Godard zusammen, dem großen Regisseur der Nouvelle Vague. Und er führte selbst Regie, etwa in dem Film "Le trèfle à cinq feuilles", "Das fünfblättrige Kleeblatt", mit Philippe Noiret und Lieselotte Pulver. Als Edmond keine Geldgeber mehr für seine Filme fand, sattelte er um. Ein Glück für Uli:
"Ich war Aupair-Mädchen. Er war Reitführer. So haben wir uns kennengelernt. Mittags gab es da Essen. Und da gab es diese Chefin, die hat damals miserabel gekocht. Und einmal war die nicht da und hat was dagelassen, Ziegenzungen oder so etwas. Und da hat Edmond gesagt, das können wir nicht essen. Und er hat supertolle Coquillages gemacht, mit Knoblauch und Creme fraiche. Und Spaghettis, weil das schnell gehen musste. Es war superlecker. Ich sage ja immer, Liebe geht durch den Magen. Bei uns stimmt das."
"Ich mache immer feine Sachen."
Es ist diese Liebe zum Essen, die die beiden weitergeben wollen. Ein riesiger gemeinsamer Esstisch ist deshalb der Mittelpunkt in ihrem Leben und in dem der Gäste ihres Reiterhofs, den sie seit mehr als zwei Jahrzehnten führen. An sechs Abenden die Woche kochen Uli und vor allem Edmond. Dann sitzen sie alle in großer Runde zusammen. Sie reden miteinander, essen, stundenlang.
"Dieses schöne Kochen bringt auch Spaß, wenn jemand anders seine Freude hat. Ich glaube, bei uns ist der Unterschied, dass du den Eindruck hast, auch wenn du bezahlst, dass du bei Freunden bist."
Am heutigen Abend sind Gäste aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen da. Den Aperitif haben sie bereits im Kaminzimmer zu sich genommen. Jetzt geht es in den Salon an den langgestreckten Tisch. Die Fischsuppe steht bereits dampfend in der Mitte der liebevoll gedeckten Tafel:
"Bist Du fertig, Bebe? Und alles ist gemacht und gut gemacht."
"So, geht los hier. Ihr seid herzlich eingeladen, zu Tische zu schreiten."
"Vielen Dank."
"Das ist die Rouille, das ist das Wort für Rost und das ist eine rostrote Sauce. Die tut man jetzt auf diese Brotscheiben drauf, so. Die Provencalen machen sich den ganzen Teller voll damit. Und dann kommt die Suppe darauf."
""Wunderbar!""
"Ihr dürft gerne anfangen! Guten Appetit!"
Jeder ist jetzt mit seiner Rouille beschäftigt. Noch kennen sich nicht alle, aber das wird sich ändern: zaghafte Annäherung an den Tischnachbarn und an das französische Essen.
"Ich habe einen Fisch gestern gegessen, ich habe kleine und große Krabben gegessen, das gibt es bei uns nicht. Miesmuscheln - ich musste alles lernen, wie das funktioniert."
"Hör auf mit den Deutschen. Die haben doch Angst, wenn da mal ein Beinchen ist oder ein Auge oder ein ganzer Fisch. Deswegen bringt uns das ja so einen Spaß."
"Na klar. Wir machen ja auch alles mit."
"Wenn es dann nur noch Nudeln gibt und gegrilltes Fleisch, das ist, weil ganz häufig die Deutschen Angst haben, sobald sie mal ein Tierchen ganz sehen. Wachtel, uah!"
Eine Lektion "Französisch essen" für die Deutschen: Edmond hat seinen Auftritt. Mit theatralischer Geste betritt er den Raum und bringt den Hauptgang auf den Tisch. Am Fisch ist noch alles dran. Zerlegt wird auf den Tellern.
"Also, das ist ein Congre - ein Seeal. Man kann nur das offene Stück hin zum Magen, essen. Da gibt es keine Gräten. Das andere Stück kann man nicht essen."
Für manchen ist das ungewohnt. Mit Menschen, die man nicht kennt, gleich den ganzen Abend zu verbringen - und nicht nur einen. Besser, man lässt sich gleich auf eine solche Nähe ein, sonst kann ein französisches Essen sehr lange werden.
"Wir verkaufen das ja im Grunde genommen, dieses französische Essen. Das steht in unserem Halbpensionsangebot drin. Also, wir haben eigentlich keine Gäste, die nicht zum Essen kommen."
Wer will, spricht deutsch mit Uli, französisch mit Edmond. Man spricht über das Leben in Frankreich, in Deutschland und über Traditionen. Uli kann sich längst nicht mehr vorstellen, in ihrem Geburtsland zu leben:
"Weil ich den Eindruck habe, dass die aus dem Alltag weniger Freude schöpfen als die Franzosen, was das Essen angeht, das alltägliche Essen. In Deutschland gehst du essen, und du kannst auch in Deutschland gut essen. Und die Deutschen können auch gut kochen, aber die bauen das nicht in ihren Alltag ein, wie die Franzosen."
Und während die Deutschen schon stöhnen, wie satt sie sind, kommt die Käseplatte. Reichlich und ohne Pause geht es weiter:
"Vielleicht gibt es noch was neues? Edmond? Ich wollte jetzt ein kleines Dessert machen mit einem leckeren Schokoladenkuchen und einer Kugel Eis dazu."
Das Lehrerehepaar aus Schleswig-Holstein greift noch ein letztes Mal beherzt zu, ein langer Seufzer. Es ist längst nach 23 Uhr. Eine satte Schläfrigkeit macht sich breit. Für heute scheint das Wichtigste gesagt. Genüsslich werden noch die letzten süßen Krümel vom Teller gelöffelt, dann ist auch das geschafft.
"Och, schlafen werden wir jetzt bestimmt gut. Tja, morgen sind wir hier viele. Da gibt es dann die große Bouillabaisse - die große Fischplatte. Da müssen wir jetzt ins Bett und morgen wieder fit sein."
Der Rose ist inzwischen geleert. Stühle werden gerückt. Ein Blick in die Runde und ein kurzes Nicken zum Abschied. Man wird sich morgen wiedersehen. Dann doch noch ein letztes Wort zum Abend:
"Wir haben es in einer Woche geschafft, von unserem Tempo runterzukommen, richtig gut runter - schön."
Und das waren Gesichter Europas: Trüffel, Tarte und Tiefkühlkost - Frankreich durch die Küchentür
Mit Reportagen von Ilka und Jörg Münchenberg. Die Literaturauszüge, Musikauswahl und Moderation: Britta Fecke.