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Trügerische Hoffnungen

Medizin. - Die Menschen der westlichen Welt ernähren sich zu reichhaltig, daher wird Fettleibigkeit hier ein Problem. Abhilfe versprechen sich viele Betroffene von diversen Schlankmachern, doch ein Professor der englischen Universität von Exeter hat eine enttäuschende Nachricht für sie. Auf dem Pariser Weltkongress für Therapien gegen Fettleibigkeit präsentierte der Wissenschaftler das ernüchternde Ergebnis, dass kaum ein Mittel wirkt und die, die wirken, mit zum Teil schweren Nebenwirkungen verbunden sind. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide berichtet im Gespräch mit Monika Seynsche.

    Seynsche: Herr Winkelheide, welches Wundermittel macht denn wirklich dünn?

    Winkelheide: Da gibt es leider keins, Professor Edzard Ernst, der lehrt Komplementärmedizin an der Universität Exeter, hat sämtliche Studien durchgesehen zu Nahrungsergänzungsstoffen, die auf natürlichen Produkten basieren, also pflanzliche Stoffe, tierische Produkte. Er hat auch alternative Verfahren unter die Lupe genommen, wie Akupunktur und Hypnose. Er sagt, eigentlich gibt es nichts, was man wirklich empfehlen kann. Denn die meisten Mittel haben keine Wirkung, oder nur eine sehr geringe, verglichen mit dem Placebo-Effekt, also mit dem Effekt, den man hat, wenn man nur ein Scheinmittel gibt. Oder, wenn sie einen Effekt haben, in Bezug auf das Abnehmen, dann haben sie Nebenwirkungen. Er war auch ein bisschen enttäuscht, denn er hat sich auch davon versprochen, wirklich mal das riesige Feld der Nahrungsergänzungsstoffe zu sichten und vielleicht doch ein Mittel zu finden, was tatsächlich mal hilft.

    Seynsche: Sie haben gerade die Nebenwirkungen angesprochen. Welche Mittel helfen überhaupt, und was sind das für Nebenwirkungen?

    Winkelheide: Es geht vor allen Dingen um ein Pflanzenextrakt aus einer chinesischen Pflanze Ephedra sinica (Meerträubel), und da hat man festgestellt, das hat tatsächlich einen Effekt. Im Schnitt, wenn man alle Studien vergleicht, und Edzard Ernst hat auch noch eigene klinische Studien gemacht, dann hat man ungefähr einen Effekt von drei Kilogramm, die die Menschen, die das Mittel regelmäßig einnehmen, abnehmen. Aber das Problem ist, dieser Pflanzenwirkstoff Ephedra wirkt so ähnlich wie ein körpereigenes Stresshormon. Das heißt, was passiert ist, dass der Blutdruck hochgeht und dass im Prinzip alle Reaktionen im Körper gestartet werden, die auch bei uns ablaufen, wenn wir extrem unter Stress stehen. Der Effekt ist natürlich ganz klar. Wenn wir Stress haben, dann verbrennen wir viel Energie, wenn wir viel Energie verbrennen, dann nehmen wir ab. Aber der Nachteil ist, dass eben durch diese dauernde Stressreaktion, die durch den Pflanzenwirkstoff ausgelöst wird, dass es da auch zu erheblichen Nebenwirkungen kommen kann, nämlich zum Beispiel zu Schlaganfällen und Herzinfarkten. Und es sind auch ungefähr zehn Todesfälle aus den USA dokumentiert, deswegen haben auch die deutschen Behörden gesagt, Finger weg von Ephedra sinica, das ist sehr gefährlich, sagt BfArm, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Und auch Stoffe, von denen sich Edzard Ernst versprochen hatte, dass sie gut helfen könnten, weil sie im Labor gut funktioniert haben, haben auch keinen Effekt gezeigt. Da geht es vor allen Dingen um das Chitosan. Das ist ein Stoff, der übrig bleibt, wenn man Shrimps isst. Der wird gewonnen aus den Schalen der Shrimps, das wird zu Puder verarbeitet. Und im Labor hat man gesehen, dass dieses Chitosan sehr gut Fett binden kann. Und da hat man gesagt, wenn es das im Labor kann, im Reagenzglas, dann kann es das vielleicht auch im Körper. Es gab große Studien dazu, in Italien, die haben gesagt, das würde einen Effekt von drei bis vier Kilogramm haben, die man abnimmt. Aber es gibt eben auch gegenläufige Studien aus den USA und Edzard Ernst hat auch noch eigene Studien gemacht, und da kam er zu dem Ergebnis: Der Effekt ist quasi Null.

    Seynsche: Was kann man denn dann überhaupt tun?

    Winkelheide: Er sagt, man sollte sich auf diese Nahrungsergänzungsstoffe nicht verlassen. Was wirklich hilft, ist weniger essen und mehr bewegen, und wenn man gut isst, sollte man auch ausgewogen essen.

    Seynsche: Also gibt es keine Wundermittelchen und dergleichen.