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Trump gegen Twitter
Kampf um die Meinungsfreiheit

Immer wieder hat US-Präsident Donald Trump behauptet, dass in Kalifornien Wahlbetrug ermöglicht würde. Weil es dafür keine Belege gibt, wurde eine aktuelle Twitter-Nachricht mit einem Faktencheck versehen. Trump ist erbost und droht mit Regulierung.

Von Sören Brinkmann | 28.05.2020
Bildschirmansicht der offiziellen Twitter-Seite von Donald Trump.
US-Präsident Donald Trump ärgert sich über Twitter, seinen bevorzugten Kommunikationskanal (imago/ BROKER/Valentin Wolf)
Egal, zu welchem Thema sich der US-Präsident äußern möchte – fast immer nutzt Donald Trump Twitter als Sprachrohr. Sei es für Angriffe auf politische Gegner, Unmutsäußerungen oder Lob der eigenen Arbeit.
Als er nun aber vor angeblichem Betrug bei den US-Präsidentschaftswahlen warnte und das damit begründete, dass im US-Bundesstaat Kalifornien Millionen Stimmzettel an Menschen verschickt würden, die gar nicht wählen dürften, war offenbar für Twitter eine Grenze überschritten. Trumps Behauptung wurde mit einem Hinweis auf Faktenchecks versehen.
In der Vergangenheit haben mehrere Medien die Vorwürfe bereits geprüft und festgestellt, dass sie falsch sind. Bisher habe Trump bei Twitter jedoch eine gewisse Vorzugsbehandlung genossen, sagte der USA-Korrespondent Thilo Kößler im Medienmagazin @mediasres, daher sei die Handhabung nicht konsequent.
Bedeutung der Meinungsfreiheit
Man könne in diesem Fall nur mutmaßen, so Kößler: "Vielleicht war es einfach die wahlrelevante Behauptung, dass die Briefwahlen die Gefahr von Wahlbetrug steigern. Vielleicht war anhand dieses konkreten Beispiels der Nachweis ebenso einfach wie schlüssig zu erbringen, dass diese Behauptung jeder Grundlage entbehrt."
Es gehe in der Auseinandersetzung zwischen Trump und Twitter aber auch um die grundsätzliche Frage, wie weitreichend die Meinungsfreiheit in den USA ausgelegt wird, sie gehe dort viel weiter als bei uns, wie Thilo Kößler ausführte: "Es dürfen Behauptungen aufgestellt werden, die bei uns strafbewährt sind. Der mächtigste Messenger, nämlich Twitter, kann dabei überhaupt nicht zur Rechenschaft gezogen werden."
Offenbar will Trump nun aber auch neue Richtlinien vorstellen – und damit die Medienpolitik seines Landes möglicherweise neu ausrichten. Der US-Präsident drohte damit, Twitter und andere Soziale Medien strikter zu regulieren.
Gesetz als Ablenkungsmanöver
Der Gesetzesentwurf sei ein Ablenkungsmanöver, weil er befürchte, im Herbst nicht wiedergewählt zu werden, sagte Matthias Kettemann vom Hans-Bredow-Institut im Deutschlandfunk. "Deswegen versucht er jetzt hier eine neue Front aufzumachen und sich als Retter der Meinungsäußerungsfreiheit aufzuspielen."
Den Plänen zufolge könnten die Sozialen Medien in der Entscheidung, ob und welche Inhalte sie löschen, eingeschränkt werden, so Kettemann. Dahinter stehe der Wunsch von Trump, "dass Plattformen sich einfach nicht mehr um die Inhalte kümmern, solange sie nicht klar illegal sind. Das heißt alle Inhalte, die nicht klar strafrechtswidrig sind – vieles von dem, was er schreibt, ist zwar Desinformation, aber noch nicht klar rechtswidrig – das soll online bleiben."
Zurückhaltung bei Facebook
Facebook-Chef Mark Zuckerberg erklärte als Reaktion auf den Streit, dass Facebook nicht der Schiedsrichter der Wahrheit sein sollte. Für Dlf-Korrespondent Kößler steht dahinter die Frage, ob die Sozialen Netzwerke nur als Plattformen angesehen werden oder als redaktionelle Publikationen. Zuckerberg mache sich einen ziemlich schlanken Fuß: "Ich glaube, das ist nicht mehr so eine ganz zeitgemäße Haltung in dieser Debatte."
Auch Matthias Kettemann vom Hans-Bredow-Institut weist den Sozialen Medien eine Verantwortung zu und betont, dass diese grundsätzlich selbst darüber entscheiden könnten, was veröffentlicht wird: "Wer ein privates Unternehmen nutzt, muss sich auch dem Hausrecht unterwerfen." Das gelte auch für den US-Präsidenten.