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Tschechien
Kirchen sollen Entschädigung versteuern

Die tschechische Regierung bereitet Amtsträgern von Kirchen und Religionsgemeinschaften im Land gerade schlaflose Nächte. Sie sollen Einkünfte versteuern, mit denen sie für Zwangsenteignungen unter kommunistischer Herrschaft entschädigt werden. Im Januar entscheidet das Parlament. Notfalls wollen die Kirchen vor das Verfassungsgericht ziehen.

Von Peter Lange | 08.01.2019
    Zweite Lesung des Gesetzes, laut dem die Kirche für die Einkünfte aus der Entschädigung für kommunistische Zwangsenteignungen Steuern zahlen soll. Prag, 13.12.2019.
    Zweite Lesung des Gesetzes zur Besteuerung der Kirchen-Entschädigungen (Michal Krumphanzl/ CTK/ dpa)
    Für Stanislav Pribyl, den Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz war das Thema im letzten Sommer noch das übliche Wahlkampf-Getöse:
    "Es passiert immer vor den Wahlen, und wir wählen ja inzwischen jedes Jahr. Deshalb wird dieser Streit so oft gepflegt."
    Das Thema, über das so regelmäßig gestritten wird: die Entschädigung der Kirchen und Religionsgemeinschaften für Eigentum, das zu kommunistischen Zeiten konfisziert und nicht zurückgegeben worden ist. Umgerechnet 2,3 Milliarden Euro soll der Staat dafür über 30 Jahre bezahlen. Viel zu viel, meinen schon immer die Kommunisten.
    "Warum sollen wir den Kirchen so viel Geld schenken?"
    "Tatsächlich ist das ein Geschenk des Staates an die Kirchen", meint deren Parteichef Vojtech Filip. "Dabei gehören 80 Prozent unserer Bürger gar keiner Kirche an. Warum sollen die deren Funktionäre bezahlen? Warum sollen wir den Kirchen so viel Geld aus öffentlichen Mitteln schenken?"
    Vor den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus hat sich Andrej Babis, heute tschechischer Ministerpräsident, die Forderung der Kommunisten zu Eigen gemacht, die auch deshalb seine Minderheitsregierung tolerieren.
    "Meiner Meinung nach zahlen die Bürger den Kirchen mehr als sie sollten, weil damals der Wert der Grundstücke und Wälder, die einmal den Kirchen gehörten, zu hoch angesetzt wurde", sagt Babis.
    Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis während einer Presekonferenz nach einem Kabinettstreffen
    Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis (Katerina Sulova / CTK / dpa)
    Einen Teil des Geldes will sich Babis zurückholen. Seine Idee: Die Entschädigungszahlungen an die Kirchen werden als Einkünfte mit 19 Prozent versteuert. So würden umgerechnet 23,4 Millionen Euro pro Jahr in die Staatskasse zurückfließen. Für den früheren Kulturminister Daniel Hermann von den Christdemokraten ein Unding.
    "Das hat dieselbe Logik, als wenn ihnen ein Dieb das Auto stiehlt, die Polizei es findet und zurückgibt und sie dafür Steuern bezahlen müssten."
    Auch Präsident Zeman für Besteuerung
    Eine Verletzung elementarer Rechtsnormen sei das. Aber die Kommunisten finden die Idee gut, die Rechtsradikalen sowieso. Auch die Sozialdemokraten sind dabei, und inzwischen auch Milos Zeman, der Staatspräsident.
    "Meine Haltung war am Anfang neutral, aber es hat mich entsetzt, dass die Kirche auch nach der Verabschiedung des Restitutionsgesetzes immer noch gegen Kommunen und Kreise prozessiert. Dabei hatten wir alle gedacht, dass es vorbei ist, dass die Kirche genug hat."
    Der tschechische Präsident Milos Zeman
    Der tschechische Präsident Milos Zeman (dpa/ picture alliance/ David Tanecek)
    "Wenn ich es diplomatisch ausdrücke: Der Herr Präsident kennt die Einzelheiten des Gesetzes nicht", entgegnet Stanislav Pribyl, der Generalsekretär der Bischofskonferenz. "Die rechtliche Klärung in strittigen Fällen ist im Gesetz vorgesehen."
    "Wir waren sehr bescheiden"
    Auch dass die einst verstaatlichen Ländereien von Kirchen und Klöstern zu hoch bewertet worden seien, lässt er nicht gelten.
    "Der Großteil der Immobilien, die nicht zurückgegeben worden sind, liegt in den Städten. Deren Wert ist weit höher als damals festgelegt. Also es ist umgekehrt: Wir waren sehr bescheiden."
    Zumal die Entschädigung sich nur auf Enteignungen durch den Staat beziehe. Ansprüche auf ehemaliges Kircheneigentum in privater Hand habe man gar nicht erst erhoben. Und die Kunstschätze seien in den Galerien geblieben. Aber der beliebte und gepflegte Topos von der habgierigen Kirche, die den Hals nicht vollkriege – an den kann die populistische Mehrheit im Parlament prima anknüpfen.
    "Ich habe es für mich so erklärt: Die Leute, die die Kirche nicht kennen, nehmen sie als Institution wahr", sagt Pribyl. "Die Kirche ist aber eine Gemeinschaft für Menschen. Vielen fehlt das Leben in einer Gemeinschaft, in einer Gemeinde."
    Mögliche Klage vor Verfassungsgericht
    Aber es hilft nichts: Das Gesetz liegt auf dem Tisch, hat bereits zwei Lesungen passiert und wird nach Lage der Dinge in diesem Monat wohl endgültig verabschiedet.
    "Sie können zwar das Gesetz novellieren, aber wie wollen sie mit dem Vertrag umgehen, der dem zugrunde liegt, und den sie nicht verletzen wollen? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das umgesetzt werden soll."
    Gut möglich, dass ein solches Gesetz dann vom Senat gestoppt wird, in dem die liberale und konservative Opposition die Mehrheit hat. Falls nicht, will die katholische Kirche rechtlich dagegen vorgehen, wenn auch schweren Herzens, wie Kardinal Dominik Duka deutlich macht, der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Denn eigentlich wünsche er ein gutes Verhältnis von Kirche und Staat.
    "Ich weiß, dass ein solcher Schritt internationale Folgen haben würde. Und ich würde diesen Schritt ungern gehen, weil ich mich als Teil der Gesellschaft fühle."
    Aber wenn dieses Gesetz kommt, daran lässt auch er keinen Zweifel, wird das Verfassungsgericht in Brünn das letzte Wort haben.