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Tschechien
NGO wirbt für gute Schulbildung von Romakindern

Rund ein Drittel aller Romakinder in Tschechien geht auf die Sonderschule. Die tschechische Bürgerinitiative "Slovo 12" will gegen die Diskriminierung von Romaeltern durch Regelschulen ankämpfen und ihnen in Workshops die Wichtigkeit einer guten Schulbildung nahebringen.

Von Silja Schultheis |
    "Familie Horvath meldet ihren Sohn in der Grundschule an" – so heißt einer der Sketche, mit denen zwei Schauspieler den Einstieg ins Thema veranschaulichen: Eine Romamutter will ihr Kind in der Regelschule anmelden und wird von der Lehrerin innerhalb weniger Minuten auf die Sonderschule verwiesen. Eine etwas überspitzte, aber durchaus realitätsnahe Szene.

    Denn: Rund ein Drittel aller tschechischen Romakinder besucht eine so genannte "praktische Schule" – eine Sonderschule für Kinder mit leichter geistiger Behinderung. Hauptgründe dafür sind umstrittene pädagogische Gutachten und ein häufig diskriminierendes Verhalten der Schulen gegenüber Romaeltern.

    Viele Eltern schicken ihre Kinder aber auch von sich aus lieber auf eine Sonderschule als in die Regelschule. Für sie ist der Workshop in erster Linie bestimmt, sagt Michal Miko, Koordinator des Projekts von der NGO "Slovo 21":

    "Viele Eltern sind einfach schlecht informiert. Sie schicken ihre Kinder in die nächste Einzugsschule – und das ist in vielen Romasiedlungen häufig eine Sonderschule. Wir wollen die Eltern dazu bringen, sich für eine Regelschule zu entscheiden und alles dafür zu tun, dass ihre Kinder die bestmögliche Bildung bekommen."

    Ein weiterer Sketch – der kleine Lukasek, ein Sonderschüler, kommt weinend nach Hause, weil Kinder aus der Regelschule ihn gehänselt haben. Die Mutter schimpft ihn aus, weil er mit Kindern aus einer "normalen" Schule gespielt hat. Die 15 Mütter, die zum Workshop im Prager Plattenbauviertel Cerny most gekommen sind, kommentieren die Sketche und schildern ihre eigenen Erfahrungen.

    Die Möglichkeit, sich auszutauschen, die eigene Situation aus einer anderen Perspektive zu sehen und praktische Hinweise zu bekommen – zu den verschiedenen Schultypen, auf Ansprechpartner - das nehmen diese beiden Teilnehmerinnen aus dem Workshop mit:

    "Solche Treffen, wo man mal andere Meinungen hört, gibt es viel zu selten. Meistens dreht sich die Diskussion nur um die Sonderschule, die meisten Eltern glauben, da ist ihr Kind am besten aufgehoben und dabei bleibt es dann."

    "Ich wollte hier vor allem erfahren, was ich machen soll, wenn mein Sohn von einer Regelschule abgelehnt wird, an wen ich mich wenden kann, an welches Schulamt oder welche NGO. Das wusste ich nicht. Jetzt weiß ich es."
    Viele Romakinder landen zu Unrecht auf der Sonderschule
    Durch praktische Unterstützung der Eltern könne der Trend, dass viele Kinder zu Unrecht auf der Sonderschule landen, zumindest gebremst werden, sagt David Tiser, einer der Mitveranstalter. Den Kern des Problems treffe das allerdings nicht:

    "Der Fehler liegt im System. Allein schon, dass es in Tschechien Schulen gibt, auf die fast nur Roma gehen, ist falsch. Und dass die Eltern überhaupt zwischen Sonderschule und Regelschule wählen können."

    Zwar hat die tschechische Regierung vor gut einem Jahr eine radikale Revision der bisherigen Bildungspraxis und mehr Chancengleichheit für Roma angekündigt. Aber selbst, wenn dieser Plan nicht, wie viele vorherige, bloßes Papier bleibt, wird es ein langer Weg sein. Bis dahin sind NGOs wie "Slovo 21" unentbehrlich, damit Geschichten wie die von David Tiser kein Einzelfall bleiben.

    David Tiser hatte Glück: Seine Lehrerin in der Regelschule sah den jungen Roma nicht als Problem, sondern als Herausforderung und machte ihn fit für die Uni. Heute ist Tiser ein erfolgreicher Schauspieler und engagiert sich in etlichen Projekten dafür, dass auch andere Roma den Sprung schaffen – weg von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe und dem Stigma der bildungsfernen Minderheit. So wie in dem populären Videoclip "Sei kein Depp", den Tiser beim Workshop vorstellt. Darin appellieren vier junge Romajungs rappend an ihre Eltern:

    "Zigeuner haben Grips, also gebt uns eine Chance, schickt uns auf eine normale Schule, die bereitet uns auf das Leben vor. Wir wollen uns bilden und nicht nur auf die Welt schimpfen."