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Tschechischer Premierminister gerät innenpolitisch unter Druck

Neben Großbritannien wollen die Tschechen nicht bei der europäischen Fiskalpolitik mitmachen. Premierminister Petr Necas hält es für inakzeptabel, sich auf der einen Seite finanziell zu beteiligen und bei anderen EU-Fragen als "zweitklassiges Mitglied" ausgeschlossen zu werden.

Von Kilian Kirchgessner | 02.02.2012
    Auf einmal interessierten sich alle in Europa für ihn: Der Prager Premierminister Petr Necas hat gerade den europäischen Fiskalpakt abgelehnt und Tschechien damit in der EU isoliert. Auf der Pressekonferenz sind ungewöhnlich viele ausländische Journalisten; Necas ist etwas nervös, als er seine Begründung vorträgt.

    "Der Vertragstext bringt Tschechien nichts Neues, wir haben nichts davon. Er beinhaltet Schritte, die wir uns ohnehin selbst vorgenommen haben, nämlich die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen."

    Und noch ein zweiter Punkt stört ihn, der mit zu dem Paket gehört: die Stellung Tschechiens in der Euro-Gruppe. Für alle Länder, die den Euro eingeführt haben, soll es künftig regelmäßige Gipfeltreffen geben. Staaten wie Tschechien, die noch mit ihrer eigenen Währung bezahlen, sollen dabei nur einen eingeschränkten Beobachterstatus bekommen. Das, sagt Premier Petr Necas, sei viel zu wenig - schließlich helfe Tschechien beispielsweise beim Rettungsschirm ja auch finanziell mit.

    "Uns geht es darum, bei den Entscheidungen dabei zu sein. Wir sind in einer Situation, in der wir gebeten werden, uns finanziell zu beteiligen und bestimmte Entscheidungen wie etwa den Finanzpakt mitzutragen. Und da werden wir als zweitklassiges Mitglied vor der Tür stehengelassen - das ist kaum akzeptabel."

    Dieses unmissverständliche Nein in Richtung Europa bringt die Regierung jetzt in innenpolitische Nöte. Der wichtigste Koalitionspartner in Petr Necas' Mitte-Rechts-Kabinett begehrt offen gegen den Kurs auf - an der Spitze des Protests steht Karel Schwarzenberg, der zugleich Außenminister ist und zugleich Chef der Partei Top09.

    Die Tschechische Republik darf und kann sich nicht in Europa isolieren, das ist für Schwarzenberg nicht verhandelbar. Und er legt nach: Premier Necas schade dem eigenen Land. Schon zuvor hatte Schwarzenberg indirekt über ein Ende der Koalition spekuliert, sollte der Regierungschef vom pro-europäischen Kurs abweichen. Auf die offene Kritik wiederum reagierte Premierminister Petr Necas mit einem Frontalangriff gegen Schwarzenberg:

    "Seine Äußerungen sind ausgesprochen misslungen, völlig undurchdacht und außerordentlich unprofessionell. Wenn es nicht die Worte eines Mannes im reiferen Alter wären, würde ich sie für den Ausdruck von jugendlicher Unbesonnenheit halten."

    Diese Ausfälle gegen den eigenen Koalitionspartner sind selbst für tschechische Verhältnisse ungewöhnlich robust. Und Necas wütete weiter:

    "Wir sind hier nicht auf einem Tanzball irgendwo auf dem Dorf. Solche Äußerungen eines Außenministers können nicht nur die innenpolitische Situation beeinflussen, sondern auch die internationalen Beziehungen."

    Beobachter erklären sich diese Schimpftiraden mit dem immensen Druck, unter dem der tschechische Premierminister in europapolitischen Fragen steht. Er muss die Balance zwischen zwei gegensätzlichen Positionen halten: Auf der einen Seite steht sein pro-europäischer Koalitionspartner um Außenminister Schwarzenberg. Und auf der anderen Seite steht seine eigene bürgerlich-demokratische Partei ODS, in der es einen ausgesprochen starken Flügel von Euroskeptikern gibt. Beiden zugleich kann er es unmöglich recht machen. Ganz zu schweigen vom tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus, der gegen die EU stichelt, wo immer es nur geht. Deshalb beruft sich der Premierminister auch auf höhere Gewalt, wenn er begründet, weshalb sich die Tschechen dem Fiskalpakt verweigern:

    "Wir müssten ihn bei uns ratifizieren, und ein Bestandteil des Ratifizierungsprozesses ist die Unterschrift des Präsidenten. Aber der hat eindeutig erklärt, dass er sich daran nicht beteiligen werde."

    Wie sich die tschechische Regierung aus dieser Zwickmühle befreit, ist derzeit noch unklar. Selbst ein Bruch der Koalition ist denkbar - aber als wahrscheinlichste Option gilt in Prag, dass man dem Fiskalpakt bis zur endgültigen Unterschrift im März doch noch beitreten wird, wenn auch zähneknirschend. Damit würde Tschechien erst einmal Zeit gewinnen. Denn viele Politiker blicken schon auf das kommende Jahr. 2013 läuft die letzte Amtszeit von Staatspräsident Vaclav Klaus endgültig aus. Anschließend wird es die Regierung in außenpolitischen Fragen wieder einfacher haben; das zumindest hoffen die Prager Europabefürworter.