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TU Darmstadt: Autonomie - aber wie?

Professorinnen und Professoren einstellen ohne Unterschrift des Ministeriums, selbstständige Firmengründungen oder Gebäudekäufe und Verkäufe ohne Regierungs- und Parlamentsbeschlüsse in Wiesbaden - solche Möglichkeiten hat die TU Darmstadt seit einem halben Jahr. Die so genannte Autonomie, die an der Darmstädter Hochschule zu Jahresbeginn in Kraft trat, gibt der südhessischen Hochschule Spielräume wie keiner anderen staatlichen deutschen Hochschule. Doch damit diese wirklich genutzt werden können, wird zur Zeit intern kräftig an neuen Strukturen gearbeitet.

Von Ludger Fittkau |
    Um die seit einem halben Jahr per Landesgesetz in Darmstadt erworbene Autonomie praktisch umsetzen zu können, wird sich künftig an der Technischen Universität einiges ändern: Professoren müssen lernen, ausgeklügelte Finanzpläne aufzustellen, ganze Fachbereiche und Institute werden eine neue, effizientere Verwaltungsstruktur bekommen. Die Fachbereiche bekommen zum Beispiel statt Stellenplänen künftig ein Budget, das sie selbst verwalten sollen. Doch das können längst nicht alle, so Uni-Präsident Johan-Dietrich Wörner:

    " Wir haben derzeit zehn zentrale Einrichtungen, wir haben derzeit 14 Fachbereiche, wir haben eine sehr heterogene Struktur und wir stellen auch fest, dass die unterschiedlichen Strukturen unterschiedlich gerüstet sind, um jetzt mit der Autonomie fertig zu werden."

    Also werden nun in Darmstadt nun auch Fachbereiche zusammengelegt - so wird der kleine Fachbereich Mechanik in andere Bereiche wie dem großen Maschinenbau integriert. Effizientere Strukturen haben allerdings nicht nur das Ziel, Verwaltungskosten zu sparen, ergänzt Johann Dietrich Wörner- sondern es gehe um mehr Freiraum für exzellente Forschung, der damit in den Fachbereichen geschaffen werden solle:

    " Auf der anderen Seite aber auch zu schaffen, dass die handlungsfähig sind, dass die wirklich auch eine eigene Masse haben, mit der sie dann auch handeln können. Das ist eine sehr dramatische Diskussion, die natürlich da abläuft, weil man sehr viele Ansprechpartner, sehr unterschiedliche Positionierungen hat, unterschiedliche kulturelle Hintergründe, das machen wir gerade - und wenn wir dann immer wieder den Begriff der "fraktalen Universität" benutzen, das heißt nicht anderes, als dass hinsichtlich der Ziele und der Verantwortung die Gemeinsamkeit definiert wird. "

    Neben einem Verwaltungsumbau, der mehr Freiheit für Forschergruppen bringen soll, sieht die Darmstädter Universitätsleitung vor allem in drei weiteren Bereichen Vorteile der Autonomie: Es gäbe schon jetzt schnellere Berufungen von Professorinnen und Professoren, künftig aber auch mehr Handlungsfreiheit beim Hochschulbau und bei Firmengründungen.

    Skeptiker hatten zuvor geargwöhnt, dass die Hochschule womöglich künftig wie ein Konzern geführt würde und dass es statt um mehr "akademische Freiheit" um die Herrschaft des Managements gehe. Diesen Befürchtungen tritt der TUD-Präsident entschieden entgegen:

    " Wir sind in Zukunft kein Wirtschaftsunternehmen, wir sind keine politische Kommune, wir sind auch keine Kirche, wir sind keine nachgeordnete Behörde, wir sind allerdings auch keine Ordinarienuniversität und wahrscheinlich auch keine Gremienuniversität. Wir sind eine Technische Universität, das ist unser Credo und mit diesem Begriff müssen wir das Beste draus machen mit den spezifischen Möglichkeiten, die wir durch das Autonomiegesetz haben."

    Die anfängliche Befürchtung in der Hochschule, dass durch das Autonomiegesetz die Fachbereiche völlig entmachtet würden und dem Präsidium der Universität die Hauptaufgaben der Selbstverwaltung zufallen werden, sieht die Hochschulleitung nicht bestätigt.

    Im Gegenteil: Die Darmstädter Hochschulautonomie bringt für die Dekane der Fachbereiche eine weitaus größere Verantwortung als bisher. Das Stichwort heute lautete: Dezentrale Autonomie. So haben manche Fachbereiche so genannte Finanzdekane benannt, um besser mit der eigenständigen Verwaltung der Gelder klarzukommen. Doch macht es eigentlich Sinn, dass hochbezahlte Professoren, die für Forschung und Lehre zuständig sind, quasi im Schnellkurs zu Verwaltungsfachleuten umgeschult werden und immer weniger Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben haben? Dazu Darmstadts Vizepräsident Reiner Anderl, ein Maschinenbauprofessor:

    " Teilweise ja, sicher. Da gibt es sehr positive Modelle bei uns. Weil nämlich beispielsweise solche Professoren natürlich auch ihr Kontaktnetzwerk mit in den Fachbereich einbringen können. Und so natürlich auch den Fachbereich sehr stark weiter entwickeln können."

    Die Grenzen der Autonomie zeigen sich deutlich bei der Finanzausstattung der Darmstädter Universität. So hat man jetzt zwar das Recht, die Universitätsgebäude selbst zu verwalten und auch Gebäude dazuzukaufen und zu verkaufen. Aber gleich nach der Verabschiedung des Gesetzes kamen vom Land 20 Millionen Euro für die Instandsetzung maroder Universitätsgebäude weniger als ursprünglich eingeplant. Deshalb verwaltet die Darmstädter Uni bei den Hochschulbauten jetzt mancherorts den Mangel. Dächer sind undicht und trotz 17,5 Millionen Baumitteln fehlt das Geld, die Löcher zu stopfen - zum Beispiel im Darmstädter Schloss, in dem die Geisteswissenschaften untergebracht sind. TUD-Kanzler Hanns Seidler:

    " Allerdings haben wir gegenüber dem Land klar die Forderung angemeldet, dass die reine Sanierungsmaßnahme des Schlosses, also im Grunde genommen die bauliche Standsicherheit, dass diese nicht zu Lasten der 17,5 Millionen, die ich vorhin genannt hatte, gehen darf. Darüber wird es sicherlich noch Diskussionen geben."