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TU Darmstadt
Studierende erfinden selbstrollenden Koffer

Ein Koffer, der wie ein treuer Hund dem Reisenden hinterherrollt: Das ist kein Traum, sondern die Erfindung von ein paar jungen Erstsemestern an der Technischen Universität Darmstadt. Seit einigen Jahren finden dort interdisziplinäre Projekte für Studienanfänger statt. Dieses Mal war "Future Living" das Thema.

Von Ludger Fittkau | 10.07.2014
    Rosa Rollkoffer mit Stoffpinguin am 03.10.2013 vor dem Reichstagsgebäude
    Wäre doch schön, wenn der Koffer immer hinter einem herrollt. ( picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Alltagssituation am Bahnhof. Voll bepackt steigt man aus dem Fernzug, sucht nach einem Anschluss. Die Umsteigezeit ist knapp, hilfreich ist ein schneller Blick im Gehen auf den ausgedruckten Reiseplan oder ins Smartphone: Was aber tun mit dem Koffer, den man hinter sich herzieht? Elektrotechnik-Studierende der TU Darmstadt haben nun für diese Situation einen Koffer erfunden, der hinter den Reisenden herrollt, ohne gezogen zu werden. "Buttler" nennen sie ihre Erfindung, die durch einen kleinen Motor im Inneren des Koffers angetrieben und über eine elektronische Verbindung mittels eines Anhängers am Schlüsselbund gesteuert wird. Gebaut oder patentiert ist der Koffer noch nicht. Aber Pia Henzel, Erstsemester der Elektrotechnik, hat die Ideenentwicklung einen Riesenspaß bereitet:
    "Und auch das Thema 'Future Living' hat mir sehr gut gefallen. Gerade im Hinblick darauf, dass die Elektrotechnik später viel mit dem zukünftigen Leben zu tun haben wird."
    Professor Klaus Hofmann vom Fachgebiet Elektronische Systeme der TU Darmstadt hat die Erfindung des "folgsamen Koffers" wissenschaftlich begleitet. Die aktuelle Frage, wie wohl die Polizei auf Koffer reagieren würde, die selbstständig auf einem Bahnsteig oder in einer Flughafenhalle herumfahren, spielte jedoch keine Rolle, betont er:
    "Ich denke, solche Aspekte kennen wir alle, dass herrenlose Koffer am Flughafen als eine Art von Bedrohung wahrgenommen werden. Aber wir haben diesem Aspekt jetzt nicht den Focus gegeben. Es war auch wirklich nicht unsere Absicht, in der fachlichen Begleitung dieses Erstsemesterprojektes diese schönen Ideen nicht mit einem 'Ja, aber habt ihr auch bedacht ...' zu bremsen."
    Geniale Ideen von Studierenden
    Der selbstrollende Koffer war nämlich nur eine von vielen genialen Ideen der Studierenden. Eine andere, patent-reife Idee: die Erfindung einer Datenbrille für das Lösen einer Fahrkarte am Automaten. Klaus Hofmann:
    "Wir kennen das alle: Die S-Bahn naht, sie müssen schnell noch mal ihr Standard-Ticket lösen, dass sie mit der Menüstruktur an den Fahrkartenautomaten nicht zurechtkommen. Die Idee der Studierenden war, dass diese Brille selbstverständlich vernetzt ist. Mit modernsten Kommunikationstechniken versehen. Das diese Brille ihnen bei der Bedienung einen Lösungsweg für diese Fahrkartenlösestruktur einblendet und damit gerade für ältere Menschen den Umgang mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sicherer machen."
    80 Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen der interdisziplinären Projektwoche für Erstsemester an der TU Darmstadt sind angehende Elektrotechniker. Auch Pia Henzel. Sie betont aber, dass es für sie eine hilfreiche Erfahrung gewesen sei, auch mit Geistes- und Sozialwissenschaftlern zusammenzuarbeiten:
    "Am besten fand ich, das man wirklich gelernt hat, im Team praktische Ansätze der Elektrotechnik umzusetzen beziehungsweise ein Konzept zu erarbeiten und gelernt zu haben, sich mit Teammitgliedern, mit denen man sonst nicht zusammengearbeitet hätte, sich zu arrangieren. Oder sogar mit Freude, das Projekt zu bearbeiten."
    Koordinatorin der Projektwoche - eine Pädagogin
    Keine Elektrotechnikerin, sondern eine Pädagogin koordinierte die erfinderische Projektwoche an der TU Darmstadt. Stephanie Bockshorn beschreibt, dass es für sie nicht so einfach war, eine gemeinsame Sprache mit den Ingenieuren zu finden:
    "Ich bin mir sicher, auch nach über einem Jahr, wo ich da jetzt an dem Fachbereich und mit den Fachbegleitern arbeite, wir sprechen definitiv immer noch nicht dieselbe Sprache. Ich glaube, ich habe mittlerweise eine Idee davon, was ein Ingenieur mir sagen möchte, wenn er mir was sagt und die Kollegen, mit denen ich enger am Fachbereich zusammen arbeite, haben vermutlich eine Idee davon, was will denn jetzt die komische Pädagogin da erzählen. Aber da wirklich eine gemeinsame Sprache und einen gemeinsamen Wortschatz zu finden, da sind wir glaube ich weit von entfernt."
    Umso wichtiger ist das gemeinsame Thema, das von Semester zu Semester wechselt. Es soll jedoch möglichst gesellschaftliche Relevanz haben. Die Vorgabe, sich beim Thema "Future Living" vor allem mit den Bedürfnissen einer älter werdenden Gesellschaft auseinanderzusetzen, kam deshalb von den Organisatoren. Professor Klaus Hofmann:
    "Was für pfiffige Ideen von diesen jungen Menschen kam, die zwischen 17 und 20 Jahre alt sind, und wie gut die sich doch in die Lebenssituation von älteren Menschen hineinversetzen können."
    Bisher ist noch keine dieser Ideen zum Patent angemeldet worden. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Die erfinderischen Erstsemesterwochen an der TU Darmstadt gehen jedenfalls in den kommenden Semestern weiter.