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TU-Präsident: Ausländische Studierende nicht unter Generalverdacht stellen

Der Präsident der TU Braunschweig, Jürgen Hesselbach, hat aus der Zeitung von dem Fall zwei seiner Studenten erfahren, die nach Erkenntnissen der US-Armee offenbar im Irak für El Kaida kämpfen. Nun treibt ihn die Sorge um, dass die etwa 1200 ausländischen Studenten an der TU unter einen Generalverdacht gestellt werden. Gleichzeitig sprach sich Hesselbach für eine bessere Integration gerade islamischer Studierender aus.

Von Armin Himmelrath |
    Armin Himmelrath: Im Irak, da kämpft offenbar eine Gruppe junger Studenten aus Deutschland gegen die US-Armee. Das legen Namenslisten nahe, die von US-Soldaten in einem Zeltlager gefunden wurden. Auf diesen Namenslisten finden sich unter anderem die Personalien von vier Männern aus Niedersachsen. Und zwei von ihnen, die aus Tunesien stammen, die haben nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" vor ihrem Verschwinden in Richtung Irak an der Technischen Universität Braunschweig studiert. Deren Präsidenten Jürgen Hesselbach habe ich unmittelbar vor der Sendung gefragt, wie er davon erfahren hat, dass zwei seiner Studenten offenbar als Freiwillige in den heiligen Krieg gezogen sind.

    Jürgen Hesselbach: Ja, ich lesen in "Spiegel Online" und ich lese montags den "Spiegel", und dann kommt man natürlich auf solche Nachrichten, das lässt sich nicht vermeiden, und man ist zunächst erschreckt.

    Himmelrath: Was bedeutet das jetzt für die Uni, was wissen Sie vor allem schon über diese beiden Personen?

    Hesselbach: Im Vorfeld wusste ich über diese beiden Personen nichts. Aber was bedeutet das für die Universität? Ich habe natürlich jetzt eine gewisse Sorge, dass unsere ausländischen Studierenden, von denen wir ungefähr 1200 hier in Braunschweig haben, unter einen gewissen Generalverdacht geraten. Hier muss man einfach aufpassen, weil das sind Einzelfälle, und die kann man nicht verallgemeinern, auch nicht übrigens, sagen wir mal, was die islamischen Studenten angeht. Wir haben allein 100 Studierende aus Tunesien in etwa. Und ich habe eine gewisse Sorge, dass man jetzt sagt, aha, die sind irgendwo potenzielle El-Kaida-Kämpfer. Also das darf einfach nicht passieren. Was bedeutet es weiter? Ich glaube, wir müssen uns Gedanken machen darüber, wie können wir Studierende, gerade aus den nordafrikanischen Ländern, wo wir relativ viele haben, wie können wir die hier besser integrieren, aufnehmen, so ein bisschen vertraut machen auch mit unserer Kultur? Weil ich habe manchmal den Verdacht, sie kommen hierher, werden konfrontiert mit unserer Lebensweise und werden dann eingefangen, sind vielleicht ein bisschen frustriert oder vielleicht sogar schockiert, und werden dann eingefangen von islamistischen Gruppierungen hier vor Ort. Und da müssen wir was gegen tun.

    Himmelrath: Das heißt, es könnte diese Situation sein, dass ein junger Mann ins Ausland geht, eben nach Deutschland, sich dort nicht so richtig zurechtfindet und dann ansprechbar ist für solche ...

    Hesselbach: Ja, ganz genau das meine ich damit. Weil da ist einfach eine gewisse Empfänglichkeit durch dieses Von-zu-Hause-weg, durch diesen Kulturschock, den es ganz bestimmt gibt, dass man einfach eingefangen wird dann von entsprechenden Gruppierungen. Und da müssen wir aufpassen, da müssen wir einfach die Betreuung beim Empfang dieser jungen Leute verbessern.

    Himmelrath: Jetzt ist es ja so, dass diese beiden Tunesier, um die es geht, offenbar schon vor einem knappen Jahr aus dem Studentenwohnheim quasi Hals über Kopf ausgezogen sind. Ist das niemandem aufgefallen?

    Hesselbach: Nein, also dass Studierende aus dem Studentenwohnheim ausziehen, ist eine Sache, die eigentlich häufiger vorkommt. Und die waren beide, ich habe mal das recherchiert, die sind beide total unauffällig gewesen. Also da war nichts, was hätte Anlass gegeben, dass wir hier irgendwo noch mal nachforschen oder dass uns was auffällt. Das war ein ganz normaler Vorgang.

    Himmelrath: Das heißt, Sie werden jetzt auch nicht irgendwie die Strukturen bei der Betreuung direkt verändern, dass man so was sehen würde?

    Hesselbach: Ja, Sie sprechen da ein bisschen an was Kompliziertes an. Also sagen wir mal, ich möchte ja nicht meine ausländischen Studierenden überwachen wollen.

    Himmelrath: Ja.

    Hesselbach: Das kann es nicht sein. Wir haben ja ein Dilemma an der Universität. Auf der einen Seite wollen wir weltoffen sein, wir begrüßen es, dass wir ausländische Studierende, ausländische Gäste haben, und auf der anderen Seite werden wir natürlich von einem Teil, einem ganz geringen, das muss man aber ausdrücklich auch sagen, einem geringen Teil der Gäste dann mit so etwas konfrontiert.

    Himmelrath: Das heißt, Sie haben aber jetzt keine Befürchtungen, dass es da weitere Schläfer gibt, die möglicherweise ...

    Hesselbach: Das kann ich nicht ausschließen. Jetzt muss ich Ihnen was dazu sagen: Ich hatte im Jahre 2002 schon mal so ein Problem, das war real ein Schläfer, der ist dann im Irak nachher auch gefallen, der war sogar ganz konkret Student bei mir. Damals haben wir allerdings das Landeskriminalamt darauf hingewiesen, das prüfen lassen, und der wurde dann auch als solcher identifiziert. Ich kann das nicht ausschließen. Übrigens das Problem ist, glaube ich, bei technischen Universitäten besonders groß. Denken Sie bitte beim 11. September an die Leute, die da von der TU Hamburg-Harburg kamen. In der Regel sind das Leute, die hierher kommen, um gewisse technische Fertigkeiten zu vervollkommnen, möchte ich jetzt mal ein bisschen flapsig formulieren.

    Himmelrath: Sie haben gerade erzählt, dass einer Ihrer früheren Studenten da im Irak gefallen ist als heiliger Kämpfer, heiliger Krieger. Was ist das für ein Gefühl als Professor?

    Hesselbach: Sagen wir mal, das war vom Fachlichen her ein ganz toller junger Mann, und ich bin ein bisschen erschüttert, möchte ich fast sagen, dass es auch nicht gelungen ist, diesen jungen Mann von diesem Unsinn abzuhalten und ihm rüberzubringen, Menschenskind, wirf dein Leben nicht weg, du hast unheimlich viel noch vor dir. Dass uns das nicht gelungen ist, ist bekümmernd, ist ein bisschen erschreckend.

    Himmelrath: Jürgen Hesselbach war das, der Präsident der TU Braunschweig, die sich damit zu beschäftigen hat, dass zwei ihrer ehemaligen Studenten offenbar als heilige Krieger in den Irak gezogen sind. Ich danke Ihnen herzlich.