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Tucholsky in Treptow

Berlin blickt auf eine sehr wechselvolle astronomische Geschichte zurück. Mal waren seine Sternwarten führend, mal agierten die Himmelsforscher der Stadt nur in der zweiten Reihe. Die Sternwarte im Treptower Park wurde sogar literarisch verewigt - in einem Text von Kurt Tucholsky.

Von Dirk Lorenzen | 28.10.2012
    Diese Sternwarte, berichtet Tucholsky, habe den Prospekten nach das größte Fernrohr der Welt - doch davon werde es nicht größer, spottet er. Immerhin ist das 21 Meter lange Linsenfernrohr bis heute weltweiter Rekordhalter.

    Noch immer werden dort öffentliche Beobachtungen angeboten - und Tucholsky erzählt lebhaft von seinen Erlebnissen dort: "Manchmal war es sehr voll, dann mussten wir auf den Treppchen warten, bis wir an den Mars kamen oder an den Saturn - da standen wir, bis die Milchstraße frei war."

    Was er dann zu sehen bekommen hat, muss den großen Dichter beeindruckt haben. "Das ist nun ganz weit weg, die wissen vielleicht gar nichts von uns. Komisch, was für ein winziges Wesen der Mensch eigentlich ist. Was hat der Astronom vorhin gesagt? Fünf Millionen Lichtjahre..."

    Während dieser Abende hat Tucholsky viele Gespräche zwischen Publikum und Forschern belauscht, bei denen es ums Universum und unser Leben darin ging und um die riesigen Dimensionen, die ebenso faszinieren wie ängstigen. Offenbar haben Astronomen damals geradezu praktische Lebenshilfe geboten:

    "Die entlaufenen Gläubigen", so Tucholsky, "reagieren ihre Reste an Religion auf den Sternwarten ab, begreifen für fünfzig Pfennig Entree den Kosmos und sind, unten angekommen, wieder im Vollbesitz ihrer irdischen Menschenwürde."

    Die Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow

    Der Text "Treptow" von Kurt Tucholsky