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Tübinger Burschen

Ihre Ideale sind Ehre, Freiheit, Vaterland. Das schwarz-rot-goldene Burschenband zu tragen, ist Pflicht bei der Burschenschaft Germania in Tübingen. Radikale Richtungen, egal ob links oder rechts, sind verboten.

Von Uschi Götz | 04.11.2010
    Mittagessen bei der Burschenschaft Germania in Tübingen. Die Haushälterin hat gekocht - wie jeden Tag. Und wie immer steht das Essen um viertel nach eins auf dem Tisch. Pünktlich.

    Fünf Studenten sitzen in einem großen Speisesaal an einer langen Tafel. Die Teilnahme am Mittagessen ist freiwillig. Das Tragen des schwarz-rot-goldenen Bandes, des Burschenbandes, um den Oberkörper, ähnlich einer Schärpe, ist Pflicht.

    "Das Band ist eigentlich die Zugehörigkeit zum Bund und die Identifikation mit unseren Idealen: Ehre, Freiheit, Vaterland."

    Ideale, die im Jahr 2010 klingen wie aus einer anderen Zeit. Die den Gedanken wach werden lassen an eine bestimmte politische Gesinnung. Die Studenten bestätigen, dass die erste Frage häufig die ist, ob sie rechtsradikal seien. Michael Unterrainer, Jurastudent, erklärt gelassen bei Hähnchenschlegel und Curry-Kartoffeln die Ideale nach seiner Auffassung:

    "Allein dass Burschenschaften immer die Progressiven waren nach dem Wiener Kongress und den Karlsbader Beschlüssen, wo sie ja auch verboten waren, sind ja eigentlich diese Ideale von Einheit und Freiheit, die dann zur deutschen Revolution 1848 geführt haben schon auch in den Wahlsprüchen mit drin. Ehre ist immer so ein Begriff, der vielleicht auch mit Nationalsozialismus verbunden wird, aber ich denke, das hängt einfach auch mit Höflichkeit, Offenheit und Sittlichkeit zusammen."

    Radikale Richtungen, egal ob links oder rechts, sind bei der Verbindung Germania verboten. Doch politisch wollen sie durchaus sein; alle Neuankömmlinge bekommen Unterricht. Das Parteiensystem Deutschlands steht dabei ebenso auf dem Programm, wie Diskussionen über die aktuelle politische Lage.

    Michael Unterrainer ist zwar neu, weiß aber schon alles: Er ist aktives Mitglied der Jungen Liberalen. Unterrainer hat sich vor allem wegen der engen Gemeinschaft für die Verbindung entschieden. Wie die meisten hier.

    Jakob Elers kommt aus Kiel und studiert Medizin in Tübingen:
    "Da ich ja 800 Kilometer von zu Hause wegwohne, ist es teilweise auch ein richtig familiärer Ersatz."

    Mit klaren Regeln. Wer gegen sie verstößt zahlt in ein Sparschwein, das auf dem großen Esstisch steht:

    "Man soll ordentlich hier ankommen, also nicht in Badelatschen und Morgenmantel oder so etwas, sondern jeder zieht ordentliche Tageskleidung an. Band hat jeder an, und es wird sich auch während des Essens hier benommen. Schimpfwörter oder so etwas gibt es nicht, und dann wirft man da eben 20 Cent ein, wenn es einem doch mal raus rutscht."

    Die Stundenten finden das nicht spießig, es gehört zu dem Rahmen, den sie sich wünschen. Doch alle Studenten laufen in normalen Jeans und bequemen Pullovern herum, zumindest an diesem Tag. Auch Christian Schwarz, der aus dem schwäbischen Remstal kommt und seit über drei Jahren bei der Verbindung Germania ist. Schwarz glaubt, er sei mittlerweile konservativer als sein Vater:

    "Diese ganze Tradition, auch Werte, auch so Sachen wie jetzt Stuttgart 21, haben wir auch schon ewig diskutiert, sieht mein Vater ein bisschen anders; der ist so mehr ein bisschen links. Ich bin selber konservativer. Ich sehe mich selbst als Konservativer. Das hat mir hier auch gefallen, diese - ich studiere Archäologie- dieses Alte, ehrwürdige mit diesen Bildern, das hat mich gleich angesprochen."

    Das Mittagessen ist vorüber. Die Studenten räumen den Tisch ab. Christopher Weber aus Thüringen führt durch das geräumige Haus der Verbindung direkt an der Neckarbrücke. In Glasvitrinen liegen alte Pfeifen, stehen Krüge und viele Relikte aus fast 200 Jahren Verbindungs-Vergangenheit. An den Wänden im Speisesaal befinden sich ungezählte Bilder von Dichtern bis zu Professoren. Über dem benachbarten Musikzimmer hängen zwei Fechtwaffen:

    "Das linke ist ein Schläger mit dem man Pauken und das Fechten üben kann, und das rechte ist ein Säbel. Säbelfechten machen wir aber seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, weil es in Deutschland mittlerweile auch zurecht verboten ist."

    Wie bei allen schlagenden Verbindungen gehört das akademische Fechten, die Mensur, aber auch bei der Germania traditionell zum Gemeinschaftsleben. Die Burschenschaft ist die älteste Verbindung Tübingens und zählt zu den ältesten Burschenschaften überhaupt. Sie pflegt ihre Traditionen und auch ihre eigene Sprache:

    "Das ist quasi die Ahnengalerie. Wenn man hier geburscht wird, also das Fuchssein hinter sich gelassen hat, macht man ein Bild auch im Vollcoleur, mit Mütze und Band, und das wird dann oben in den Kneippsaal gehangen."

    Im Festsaal, dem sogenannten Kneipp-Saal, hängen die Konterfeis der aktiven Burschen und die der ehemaligen Studenten, die nach dem Studium alte Herren heißen und die Jungen auf Wunsch beraten, aber auch finanziell unterstützen.

    Der 14-tägige Convent findet auch hier statt.

    "Also ich bin hier gerade der Sprecher der Burschenschaft, der das alles ein bisschen organisiert und die Leute zusammentrommelt. Und ich stehe immer da vorne an dem etwas pompöseren Stuhl, und drum herum sitzen die anderen Bundesbrüder. Da wird über die einzelnen Ämter berichtet, was jeder zu tun hatte in den letzten Wochen, was jeder noch zu tun hat. Die Veranstaltungen werden geplant usw., also das ist wie so eine Betriebsratssitzung, wo wir so die nächsten Wochen planen."

    Frauen können nicht Mitglied der Verbindung werden, doch nicht nur bei Festen sind sie gerne gesehene Gäste. Gefeiert wird regelmäßig und dabei auch gesungen.

    "Wir singen deutsche Studentenlieder, also zum Beispiel 'Die Gedanken sind frei', 'Alma mater Mater Tübingen tubingensis', das Lied auf die Uni Tübingen, 'Hoch auf dem gelben Wagen', also ich sage jetzt mal Volkslieder, wie man sie auch im Musikunterricht findet."

    Zurück in den Speisesaal, dort gibt es nun Kaffee. Die Haushälterin ist bereits gegangen. In den nächsten Tagen werden sich die Studenten gemeinsam ein VfB-Spiel anschauen.
    Eine große Familie bestehend aus vielen Männern, deren Gebot Student Erich Schemberger erklärt:

    "Das Althergebrachte schon überliefern, aber nicht in einer radikalen Weise durchsetzen zu wollen, sondern sich auch den neuen Begebenheiten anzupassen."

    Gemäß dem Motto: Nicht die Asche bewahren, sondern das Feuer weitertragen.